Samstag, 29. Dezember 2007

The power of five

Ich gebe es zu: Seit ich das erste Mal 1996 mit fünfzehn Jahren das Video zu Wannabe sah, war ich verliebt. Und zwar in alle fünf auf einmal. Was anderen ihre Take That, waren mir die Spice Girls. Der Girl Power konnte man sich einfach nicht entziehen, wenn man ihrer erst einmal gewahr wurde.
Die Mädchen machten mein Leben in der Pubertätshölle ein bißchen erträglicher, schöner und bunter. Jede neue Single war ein Versprechen auf ein besseres Morgen. Das Leben, wie es eines Tages sein könnte. Auf der Suche nach einer Freundin, die mit Mel, Geri, Victoria, Emma und noch mal Mel mithalten kann, bin ich mehr als zehn Jahre später noch immer. Doch sei’s drum. Wir haben ja schließlich die Musik.
Bei Nacht und Nebel ersteigerte ich noch wenige Stunden, bevor es losging, ein Ticket für das Kölner Konzert der Spice-Girls-Reunion-Tournee. Im Vorverkauf hätte es mich 77 Ocken gekostet, so aber im Last-Minute-Style nur schlappe siebzehn. Gelohnt hätte es sich aber wohl auch zum Vollpreis.
Das Konzert an sich war richtig geil und hat mich mehr als überzeugt - ja, es hat mich als langjährigen Fan sogar regelrecht glücklich gemacht.
Es war eine echte Glamour-Show mit Varieté-Einlagen. Die Mädels, mittlerweile echte Damen im besten Alter (und, unter uns, noch dazu sexy wie nie), ließen sich auch nicht von der Tatsache entmutigen, daß die Halle nur zu zwei Dritteln ausverkauft war. Wen interessiert’s? Sollen die ganzen Pfeifen ruhig zu Mario Barth gehen - wir zehntausend, die wir da waren, wissen, was gut ist. Und die Girls waren gekommen, um mit uns zu feiern und sich zu bedanken. Nicht mehr, nicht weniger.
Hundert Minuten feinstes Entertainment (trotz der leicht grenzwertigen, wuchtig-übersteuerten Akustik in der Arena), Fangekreische in Flughafenlautstärke und richtig Halligalli - mein ewiger Schatzi Geri zwischenzeitlich sogar in einer Neuauflage des legendären Union-Jack-Kleids!
Mit jedem Song (keiner der großen Hits wurde ausgelassen) veränderte sich die Bühne, ohne daß der Abend dadurch überladen wirkte. Es paßte einfach alles. Die mitgebrachten männlichen Tänzer haben auf Weltklasse-Level performt, und meine fünf Lieblingsengländerinnen waren scheinbar ausgeschlafen, bester Dinge und noch dazu gut bei Stimme. Man merkte einfach, daß sie nicht nur wegen der Gage hier waren.
In einem Satz: hochprofessionell und bombastisch, aber eben nicht seelenlos, sondern vielmehr mit Herz und Augenzwinkern (was das eigene Image anbelangt).
The power of five keeps the love alive - jawohl, es war wahrlich eine night to remember. Von so einem Abend kann man über Jahre hinweg zehren.
Auftrag erfüllt. Danke. Tschüß und macht’s gut. Küßchen, meine Schnuckels.

Samstag, 22. Dezember 2007

Popo-Orgel

Die Statistik weist Doktor Pimmelmann als Koryphäe seines Fachs aus.
Den Ausländer weist die Behörde aus.
Der Moderator weicht auf einen anderen Sendeplatz aus.
Die Eiche am Wegesrand weicht gar nicht aus, der Klügere gibt nicht nach, der BMW zerschellt. Fahrer tot, nicht angeschnallt, hat man öfter.
Altes Küchenlied der Indianer: Der Kartoffelpüree ist fertig, also komm mantschen.
Letzte Nacht erschien mir Johnny Cash im Traum. Er sah aus wie Rumpelstilzchen und schrie mich an: Ich bin von Ihnen abhängig und nicht Sie von mir! Merken Sie sich das! Ich wachte auf. Aus der Traum vom Eigenheim.
Unbeirrt spiele ich weiter das Lied der Leidenschaft auf deiner verstimmten Popo-Orgel. Stimm du dazu gefälligst den Harmoniegesang der Perversion auf meiner alten Fleischflöte an.
Musik, ein Kommen, ein Gehen, nur leider kein auf die Fresse kriegen. Totschlag, Totschlag, alle wollen mit. Keiner geht voran, Frank Farian und noch ein Hit.
Das Schicksal des Stars: keine Freunde mehr, nur noch Publikum. Daran kann man zerbrechen, stand in Bild der Frau.
Die deutsche Übersetzung von Fit for fun ist Kraft durch Freude.
Hossa.
Im Gästebuch der Pension zum verlotterten Germanisten steht geschrieben: Mein Penis tut weh. Wehrertüchtigung habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Herzlichst, Ihr Johann Wolfgang Dickensäck.
Diese Zeilen stimmen nachdenklich, nicht nur jetzt zur Weihnachtszeit.

Sonntag, 16. Dezember 2007

Pop Life IV

Dank Pro Sieben und seinen willigen Gehilfen wird Musik immer mehr zum bloßen Lifestyle. Also vertrauen Sie doch einfach den Plattenkritiken in der neuen Brigitte und legen Sie zum Wohlfühlen auch mal die neue Roger Cicero auf, wenn Sie abends demnächst wieder was Hübsches für sich und Ihre Freunde kochen.
Doch es geht auch anders. Um nicht zu sagen: noch widerlicher.
Da werden dann vermeintliche Protesthaltungen medienkompatibel eingenommen, der besseren Verständlichkeit halber führen sich Erwachsene bei ihrem trotzig-gespielten Rebellentum aber auch gerne mal wie Kinder auf.
Das ist uns zwar total wichtig, aber man darf ja auch den Spaß dabei nicht vergessen, sicher, Ironie, hoho, die ist immer dabei, ja, wir lachen auch irre viel in der Band, und wenn Grönemeyer ruft, ey na klar, dann ziehen wir unser echt authentisches Ding natürlich auch gern beim Konzert für Afrika durch, du. Es ist doch auch echt geil, sich politisch zu engagieren und so.
Hallo Rostock, ihr seid ein super Publikum. Und bitte schön klatschen, wenn gleich mal kurz die Quotenneger aus Mali aufspielen. Ich weiß, ihr wartet auch alle auf die perfekte Welle, aber trotzdem, so viel Multikulti muß halt einfach sein.
Qualität ist bei all dem wirklich nicht mehr notwendig, geschweige denn überhaupt erwünscht. Medienpräsenz spült die Durchschnittlichkeit noch immer verläßlich nach ganz oben.
Ist doch auch alles total bequem zu konsumieren heutzutage, so besinnungslos frech von der Leber weg wurde nicht mal zu Zeiten Peter Alexanders oder Vico Torrianis mit der deutschen Sprache umgegangen. Ich liebe dieses Leben, dubidubidu. Du bist das Beste, was mir je passiert ist, lalalala.
Warum sich dagegen auflehnen, wieso der ganze Haß, das Nicht-akzeptieren-wollen? Hier, nimm meine Karte, Freund, zieh dir doch auch ’ne Line, dann geht’s dir besser. Oder komm mit ins Backstage, die 14jährigen Groupies warten, und der Ammer ist auch schon da.
Und selbst, wenn dir was ums Verrecken nicht gefällt: denk dran, in hundertfünfzig Jahren, wie gesagt, sitzen wir alle wieder am Lagerfeuer. Umsonst und draußen. Alles total locker, alles ganz easy.
Wer trotzdem all die Zumutungen, Goldenen Schallplatten, Media-Control-Charts-Platzierungen, Airplays bei Viva, Echo-Verleihungen, Bravo-Interviews und die Medienprostitution im allgemeinen ernst nimmt oder sich tatsächlich sogar noch darüber aufregt, ist doch wirklich selbst schuld. Am Ende bin also wieder bloß ich der Dumme.
Die Party geht, davon ungerührt, weiter. Auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an. Gästeliste minus 1.
Hojahojaho.

Montag, 10. Dezember 2007

Pop Life III

Wie beim letzten schonungslosen Durchlauf gezeigt, geht von den Nachwuchskräften, der Stimme der Jugend, wenn man so will, keinerlei ernsthafte Kraft zur Erneuerung mehr aus.
Es ist prinzipiell egal geworden, wer auf und wer vor der Bühne steht. Auch mit dem Begriff des Künstlers hat man es nicht mehr so, man ist heutzutage lieber, Achtung, englische Aussprache, Artist.
Doch was hieße schon noch Künstler, selbst wenn der Begriff, was er aber sowieso nicht mehr wird, noch ernstgenommen würde, wo doch mittlerweile jeder Zweite mit T-Shirt und Jeans die Bühne entern darf?
Die Deutschen, so scheint’s, mögen keine Stars mehr, larger than life hat wohl konzeptuell endgültig ausgedient. Wo ist der neue Falco, der nächste Kinski, einer, der sich nicht gemein mit dem Publikum macht, sondern von Anfang an klarstellt, daß er eben nicht einer von denen ist, sondern mehr? Statt dessen brunzt einem allüberall nur noch Beliebigkeit und Austauschbarkeit entgegen, Mario Barth statt Karl Valentin und so weiter.
Doch nicht nur von den Jungen, sondern auch vom vermeintlich gesetzteren, bürgerlichen, etablierten Spektrum in der Populärmusik ist wenig Besserung zu erwarten.
Wer es sich aufgrund seiner Umsatzzahlen wirklich leisten könnte, einen auf Großkotz zu machen, betont lieber bei jeder sich bietenden Gelegenheit, daß auch er natürlich total auf dem Teppich geblieben ist.
Herbert etwa stolperreimt sich weiterhin unverdrossen in Richtung Hobby-Hölderlin, was seine Fans zum Glück immer noch nicht bemerkt haben, denn sonst wäre der Ofen möglicherweise schneller aus, als eine alte Frau sich das optimistische Lied mit dem Eisbärvideo (Jahre vor Knut, so viel Geistesgegenwart und Pioniergeist war dann immerhin doch) beim Frühstücksradio ihrer Region wünschen kann.
Wir sind Helden bleiben konstant das, was sie immer schon in erster Linie waren: niedlich, aber zugleich auch unglaublich nervig.
Da bekäme man fast schon Lust auf Juli oder Rosenstolz, wenn die nur a) nicht so schrecklich vertrottelt-unmelodiös und b) nicht so tuntig-überemotional wären.
Doch all diese Bands nehmen sich immer noch wie eine Wohltat aus gegen das personifizierte deutsche Grauen unserer Tage: Silbermond, die für alles stehen, was grundfalsch und hundertprozentig ablehnenswert ist. Das Konzept dahinter ist eh klar: Mädchen vorne, Jungs im Rücken, schlechtsitzende Frisuren und Lederjacken vom Designer, irre rockig, ja klar, aber wohl nur für Menschen, die auch BAP oder PUR für Rock halten, also allen Ernstes als derselben Musikgattung wie Motörhead oder die Ramones zugehörig.
So viel Dummbatzigkeit schockt. Aber eben nicht den Ahnungslosen. Der richtet sich unterdessen nämlich bequem ein in seinem emotionalen Ohrensessel und will umwallt werden von unverbindlichen, klischeehaften Befindlichkeitstexten und schlicht arrangiertem Hau-drauf-Rock ohne Schwung und ohne Groove.

Samstag, 1. Dezember 2007

Pop Life II

Die Jugend von heute hört Tokio Hotel, das sei ihr vergönnt, oder aber HipHop. Wer von letzterem jedoch eine wie auch immer geartete gesellschaftliche Sprengkraft erwartet, wie noch zu Zeiten der letzten übel verleumdeten Musik, Punk war das damals, dürfte enttäuscht werden.
Die Berliner Szene rappt vor allem für ihr eigenes Konto, woran ich nichts Schlimmes erkennen kann, denn jede Vertriebsstruktur, die fernab der vier, fünf großen Konzerne, welche die Musikindustrie beherrschen, entsteht, ist erst mal per se begrüßenswert.
Gibt man sich dabei noch dermaßen ehrlich, humorvoll und unverkrampft wie die Radikalkapitalisten King Orgasmus One oder Frauenarzt, dann ist das intellektuell zwar auch nicht gerade abendfüllend, aber doch immerhin schwer sympathisch.
Rap sei das schwarze CNN, orakelten die Antisemiten von Public Enemy vor zwanzig Jahren, eingelöst haben das ihre Nachkommen wie 50 Cent oder Eminem nicht einen Augenblick lang, und auch von den deutschen Sprechgesangsgeistesgröße wird, obwohl in linksalternativen Studentenzirkeln gern gehört, wohl keine Revolution ausgehen.
Jan Delay, nicht gerade ein intellektueller Überflieger, findet Autos anzünden eine super Aktion, was aber nicht weiter verwundert: Auch 1968 hatten viele die Mao-Bibel gelesen, ohne sie zu verstehen. So ein bißchen unverbindliche Protesthaltung ist doch auch ganz chic, solange man nicht über die Konsequenzen nachdenken muß.
Und Prinz Pi, eine von vielen warum auch immer vergötterte Vollpfeife aus Zehlendorf, ist sich nicht zu schade dafür, grenzdebile Bush- und Paris-Hilton-Disses vom Stapel zu lassen, also 1:1 die Grundbefindlichkeiten seines gefährlich halbgebildeten Publikums zu bedienen. Im Interview gibt er dann auch unverblümt zu, daß er gar nicht anders als seine Hörer sei, bloß einer von ihnen, der einfach nur auf den Punkt bringt, was seine Anhänger denken.
Das ist aber gerade das Allerdümmste, was man auf einer Bühne machen kann, denn wenn Otto Normal in der Vorstellung sitzt und sich denkt: Endlich sagt’s mal einer, genau so isses doch, dann macht man als Künstler etwas grundverkehrt falsch. Der Spießer lehnt sich zurück und ist’s zufrieden. Sein tutti Weltbild bleibt bestehen, ohne Risse, ohne Zweifel, doch dafür randvoll mit supersexy Vorurteilen.
Das ist gut, denn so kann er auch noch morgen kraftvoll weiterkonsumieren. Bis dahin: Warum Geiz geil ist, Männer nicht einparken, Frauen keine Socken stopfen und Newcomerbands bei YouTube nicht zuhören können.
Bleibt alles anders? Ja, leider.

Samstag, 24. November 2007

Pop Life I

Kleiner Besinnungsaufsatz zur Lage der deutschen Phonoindustrie, heute erst mal nur die Vorrede, quasi das Wort zum Totensonntag der Plattenfirmen und all jener, die blöd genug sind, sie durch Käufe zu unterstützen – Tach Hörer! Hallöchen Konsument! Du bist gemeint. Die größten Hits aus den 60ern, 70ern, 80ern und das Beste von heute. Gleich nach der Werbung. Dumdidum.
Alle Raubkopierer haben Glück, an die richtet sich dieses Schreiben an die Gemeinden nicht, die können jetzt mal kurz austreten und locker wegschauen.
Sicher, vor hundertfünfzig Jahren gab es noch keine Volksempfänger oder Tonträger, man ging ins Konzert oder ließ es bleiben. Und in hundertfünfzig Jahren wird es ebenfalls keine Musikindustrie im heutigen Sinne mehr geben, und das sollten all jene nie vergessen, die Dylan, die Beatles und die Stones heute schon zu ewigen Säulenheiligen einer Kultur erklären, die doch nur niedere Unterhaltungsschaffe ist und ewig bleibt, ranzige Musik, nach der morgen, im 22. Jahrhundert, schon kein Hahn mehr krähen wird.
Irgendjemand hier, dem Vivaldi heutzutage wirklich noch alles ist? Na also, sehen Sie. Dann, im Jahr 2525, sitzen wir wieder vor den Höhlen, am Lagerfeuer und singen. Kostenlos. Ohne Jamba-Sparabo. Ohne das ganze Business.
Bis dahin sollte man jedoch wachbleiben und die Krankheit unserer Zeit nicht nur diagnostizieren, sondern auch ruhig als eine solche benennen dürfen.
Gegen Verblödungsoffensiven hilft keine Erweiterung des Kulturbegriffs. Eure Popkultur ist ein reines Geschäft, und manchmal nicht mal das.
Zunächst kleiner erläuternder Rückblick in die Historie, mit anschließendem Sprung ins Jetzt: Ältere Menschen kaufen keine Platten, das wurde jahrzehntelang angenommen, bis auf einmal der Buena Vista Social Club in Deutschland ein begeistertes Publikum fand, irgendwo zwischen Dritter-Welt-Solidarität und dem Hüftschwung der Toskana-Fraktion. Der Schläfer war als potentieller Käufer ausgemacht. Das war vor gefühlt zehn Jahren, im langen heißen Sommer des Dr. Feelgood der Politik, Gerhard Schröder, als unsere Republik für kurze Zeit so etwas wie Lässigkeit verströmte.
Heute ist die Grundsituation eine gänzlich andere, denn inzwischen kauft niemand mehr Platten, am Allerwenigsten die anvisierte Zielgruppe 14 bis 49 (nicht zu verwechseln mit den Lottozahlen), und der Schläfer liegt sowieso schon wieder längst im Koma.
Dafür kommen Klingeltöne irre gut und Online-Downloads für 99 Cent. Das ist aber eigentlich auch alles vernachlässigbar, denn die wahren Strukturprobleme liegen ganz woanders. Weder die Kids noch die Form, sondern der Inhalt ist not alright. Was in den nächsten Wochen noch zu beweisen wäre.

Samstag, 17. November 2007

Back in Action

Ich hab die Nacht geträumet wohl einen süßen Traum. Es wuchs in meinem Garten ein Rosmarienbaum. Gleich daneben hatte unser neue Bundeskanzler Ralf Moeller seinen Porsche geparkt.
Hallo Jungs, griente Moeller und schüttelte uns allen die Patschehändchen. Schön, daß Ihr da seid. Find ich echt stark von Euch.
Moeller nahm Platz auf dem Podium, und die Pressekonferenz konnte beginnen.
So ein Mäuschen, das eigentlich nicht wie eine Journalistin wirkte, sondern mehr aussah nach Ansagerin bei Neun live, stellte die erste Frage. Die habe ich nicht genau mitbekommen, weil ich gebannt auf ihre enorme Oberweite starrte, die sich unter dem engen T-Shirt deutlich abzeichnete. Sie wollte aber wohl irgendwas wegen der Türkei wissen.
O-Ton Moeller: Die Bundesregierung, das heißt: also ich, sollte langsam darüber nachdenken, Chuck Norris und seine Jungs von der Delta Force zu engagieren, um endlich unseren Marco aus dem Türkenknast zu holen. So geht es ja schließlich nicht. Und auf die kleine englische Schlampe, die ihm das alles eingebrockt hat, setzen wir am besten gleich mal jene Liquidierungs-Abteilung von Mossad aus dem Spielberg-Film an. Die haben jetzt wohl eh nicht mehr so viel zu tun wie noch damals in den Siebzigern. Was ich mich schon immer gefragt habe, auch damals schon in Recklinghausen: Wieso zum Geier haben die eigentlich nie den Carlos bekommen? Na egal, ist Schnee von gestern. Und wo die Israelis dann schon mal dabei sind, können die vielleicht auch gleich noch Maddie aufspüren. Dürfte ja für solche Teufelskerle nicht so schwer sein.
Nächste Frage: Herr Moeller, was sagen Sie denn zum Iran?
Antwort: Also, mein guter Freund, der Uwe Boll, der hat da schon ein paar echt gute Ideen. Wir könnten zum Beispiel diesen Ahmadinedschad foltern und dazu zwingen, sein Atomprojekt aufzugeben, indem wir ihm einfach in einer Endlosschleife immer und immer wieder House Of The Dead und Alone In The Dark vorspielen. Das würde zünden, sag ich Euch...
Kurz darauf bin ich dann leider aufgewacht und war ein bißchen traurig, als im Frühstücksfernsehen immer noch Angela Merkel zu sehen war. Von Ralfi keine Spur.So, jetzt könnte man noch eben fix ein paar Zeilen über den Deutschen Herbst oder Müntefering volldudeln. Man kann es aber auch ebensogut lassen.

Samstag, 10. November 2007

Vollidioten

In der Zeitung ein Artikel über Amy Winehouse. Schon wieder. Wenn man als Musiker erst mal die Seiten des Feuilletons einer verschlafenen überregionalen Tageszeitung erreicht hat, für die der Tellerrand der Kunstwelt sonst bei egalem Autorenkino aus der Mottenkiste und spackig-uninteressantem Indiepoprock endet, dann weiß man: Das war’s. Jetzt kommt nichts mehr. Von wegen, man hätte es geschafft. Nichts hat man. Man ist einfach nur dahingestreckt, gemetzelt und erledigt.
Andererseits fängt es gerade da erst an, sich finanziell überhaupt zu lohnen. Im Untergrund ist Kummermund, mit schlechten Zähnen und Loch im Bauch.
Bin Künstler, habe Hunger, nehme Geld. Schreibt man auf ein Pappschild und stellt sich damit in die eigene Ausstellung. Das Großbürgertum scharwenzelt, mit Prosecco in der einen, der Zahnarztgattin in der anderen Hand vorbei und lacht sich ins Fäustchen. Ja ja, diese Künstler, hi hi.
Daß Ironie jedoch OVER AND OUT und dies hier nur noch blutiger Ernst ist, ein letzter Aufschrei eines verzweifelt Ertrinkenden, das begreifen diese satten Pfeffersäcke schon längst nicht mehr, hätten es womöglich auch nie gekonnt. Bei solchen Menschen kann man nämlich nie wissen, ob sie überhaupt jemals jung waren oder nicht doch schon selbst mit fünfzehn mental vergreist und somit voll auf der FDP-Einheitslinie. Sie haben nichts, sie besitzen nur.
Die Winehouse jedoch hatte tatsächlich etwas. Ihr ward ein unbezahlbares Geschenk zuteil, und sie hat es einfach leichtfertig drangegeben. So jemand braucht nicht unser Mitleid. Der Gesang ist eine Gabe Gottes, wer Schindluder damit treibt, kommt aus der ganzen Nummer nicht raus unter einer Dreiviertelewigkeit Fegefeuer.
Für die schmerzbefreite Amy, die saisonale Stilikone des Fremdschämens, gilt jedenfalls dasselbe wie für Pete Doherty wie auch für alle anderen Junkbrüder und -schwestern im Geiste. Merle Haggard kondolierte in den Siebzigern recht ungerührt über ein kurz zuvor verschiedenes Sweetheart vom Rodeo wie folgt: Gram Parsons war ein Waschlappen. Und weiter: Ich finde nicht, daß Junkies coole Burschen sind. Doch wohl eher Vollidioten, wenn Sie mich fragen.
Liebe Kinder, so und nicht anders isses doch. Der Onkel aus Muskogee hat absolut Recht. Drogen sind nicht cool. Koks macht nachgewiesenermaßen dumm. Und der Rest aus der Apotheke ist auch nicht besser. Kocht euch lieber mal einen schönen Kamillentee oder so.
Und wenn schon unbedingt Musik von Junkies, dann legt doch beim nächsten Mal einfach ein Album von Judee Sill auf. Was euch dort erwartet: Ray Charles und Johann Sebastian Bach, klar wie das Quellwasser aus dem französischen Werbefernsehen. Intensität und Intimität, Reinheit und aufrichtige Gefühle, Erlösungsphantasien und pure Spiritualität. Und die Erkenntnis, daß man Unschuld nicht verlieren kann, sondern sie sich erst einmal verdienen muß.

Samstag, 3. November 2007

Jesus was a cross maker

Ich setze mich aufs Lokus und verkündige von dort: Jesus war der erste Selbstmordattentäter der Weltgeschichte. Führende Theologen sollen mir erst mal das Gegenteil beweisen. Können sie aber nicht. Ätsch.
Immerhin jedoch, so viel muß man dem Zimmermann aus Nazareth schon zugestehen, war seine PR-Abteilung absolut unschlagbar. Niemand sonst ist je weiter gegangen in der radikalen Umdeutung sämtlicher Tatsachen, nicht einmal die Bush-Administration im Falle der Beweisführung, daß der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt.
Die Passion macht auf einmal Spaß. Ein Verbrecher wird gefeiert. Durch den hundertprozentigen Einsatz seines Körpers wurden Milliarden von Geistern überzeugt. Das soll ihm erst mal jemand nachmachen. Wobei, vielleicht besser doch nicht.
Ein hilfloses Opfer wird zum glorreichen Helden umgeformt, seine Ohnmacht wird zur Macht verklärt, sein Schmerz und seine Unterdrückung transformieren sich zur Lust und Befreiung, sein Tod, die ultimative Niederlage, wird verwandelt in ewiges Leben.
Aus dem vielleicht größten Scheitern der Menschheit ziehen Leute weltweit über zweitausend Jahre hinweg ihre größte Hoffnung. Das ist schon extrem WOW. Sich das mal zu vergegenwärtigen, ist eine echt spannende Angelegenheit.
Gänzlich uninteressant hingegen präsentierten sich die Medien in den letzten Wochen: Sarkozy wird sauer, wenn man ihn auf seine Alte anspricht (verständlich, wenn man auf so eine Eule reingefallen ist). Über einen jungen Fußballer fällt die ganze selbstgerechte Meute der Nation her, nur weil er bei seinem nächsten Besuch im Iran seine dortigen Verwandten gern daheim anstatt im Gefängnis antreffen möchte. Plasberg verwechselt Arroganz mit investigativem Journalismus. Und über Pocher lacht nach wie vor in erster Linie er selbst. Außerdem muß Ahmadinedschad ganz schnell weg. Ebenso wie Bublath.
Sehen Sie nächste Woche: Kurt Beck huldigt Satanas Abraxas, und Eva Herman darf mein Klo putzen. Sowieso hat die Trulle ihre 15 Minuten Ruhm jetzt schon länger überzogen, als es Gottschalk am Samstagabend je in den Sinn käme. Also hopp hopp, frisch ans Werk, Madame.

Sonntag, 28. Oktober 2007

Ein Rundbrief aus der Hölle

Auf dem Totenfeld meines Laptops spricht die geheimnisvolle, in Schwarz gehüllte Geisterseele zu mir: Jeder ist ein Küntsler.
Nach diesem eklatanten Rechtschreibfehler fährt sie fort mit einem Schwank aus ihrer Jugend. Es ist das Übliche: Nach der Schule orientierungslos gewesen. Von den Eltern in eine ungeliebte Ausbildung hineingepreßt. Dabei geblieben, obwohl es keinen Spaß macht. Dann, so mit Mitte zwanzig, auch einmal verliebt gewesen, was sich aber nicht ausgezahlt hat.
Sowieso, und da gerät die spukige Erscheinung ein bißchen ins Schwafeln, davon überzeugt sein, daß neunzig Prozent der landläufigen Erotik nicht einer natürlichen Bestimmung und wirklichen Hingabe entspringen, sondern mehr aus reiner Langeweile heraus entstehen, der Entlastung von Anspannung und dergleichen mehr dienen und zum Zwecke der Selbstbestätigung, Abwechslung und des Entertainments abgehalten werden, aber eben nicht der wahren Liebe dienen. Das Dasein, so scheint es ihr, ist eine sittliche Aufgabe. O-Ton: Ihr wollt ficken, ich will erziehen. Zur Liebe, zur reinen Liebe, dort schreitet wohl alles hin.
Anschließend wurde es gar noch philosophischer: Nur die Tiere gehen nachts einkaufen, denn der große Supermarkt der Natur ist rund um die Uhr geöffnet. Für Mäuse, Füchse und Biber gibt es kein Ladenschlußgesetz. Und was sollte es etwa das Wasser kümmern, zu wissen, daß es doch nur H2O ist, solange es noch immer munter zu springen, klingen und rauschen vermag? Was weiß der einzelne Mensch von Gott? Vom Jenseits? Was will er überhaupt wissen? Gedanken zerfließen, Dinge und Namen sind verloren und werden doch errettet. Vom Leben nicht mehr verlangen als das Butterbrot. Glücklich sein. Ein frommer Wunsch und doch möglich.
Trotzig schob das Skelett auf meinem Bildschirm das Kinn vor und verkündete: Ich liebe ein Mädchen, das auf mich scheißt. Aber das macht mir nichts aus. Ankackspielchen mochte ich schon immer. Seit 1876 ist sie nun schon meine große heimliche Liebe. Gesagt habe ich es ihr nie. Jetzt ist sie längst schon tot, doch noch immer wandere ich nachts mit dem Sturm hinauf zu ihrem Grabhügel. Einst zog ich herum wie der wilde Wind. Jetzt aber ergebe ich mich.

Samstag, 20. Oktober 2007

Ein Kinderspiel in drei Aufzügen und einer Rolltreppe

Hallöchen. Na? Alles fit im Schritt? Und selbst? Och jo, muß ja.
Ich bin der große Eskalator. Ich nehme alle Einzelteile und füge sie zu einem sinnlosen Ganzen zusammen. In einem früheren Leben war ich Generalsekretär einer großen Volkspartei.
Ich bin eine von diesen Marken, die mit der Jacke in der Hand in deinem Flur rumstehen und sagen: Wo kann ich mich denn hier mal aufhängen? Auch immer gern genommen: Zum Bleistift. Und wenn ich gehe, flöte ich gutgelaunt: Tschüssikowski.
Na? Bin ich nicht total crazy? Das alles ist ohne Alkohol eigentlich kaum zu ertragen. Darum saufe ich immer fünf Liter, weil ich bin ein Spritter und werde dadurch immer nur noch fitter. Täglich eine gute Tat. Erst gestern brachte ich das Leergut weg. Dabei kam mir plötzlich eine schöne Kindheitserinnerung in den Sinn, die ich mir gerade eben selbst ausgedacht hatte.
Ich mache mir die Worte wiedewiedewiese mir gefallen. Furchtbar fruchtbar lief und fiel die Petra und ihr Petersil. Das geht mit Sprache deutlich leichter als mit Ölfarbe. Schließlich ist Van Gogh so furchtbar schlecht reproduzierbar. Man kann sich nämlich, müssen Sie wissen, nicht jeden Tag ein Ohr abschneiden. Aber manchmal, klar, da geht das schon.
Und während man dann so vor sich hinblutet und nach dem nächsten Spital sucht, klingeln einem plötzlich in den eineinhalb verbliebenen Ohren schwer unsubtile Werbebotschaften. Wie etwa diese hier: Fahr und spar mit City Spar. Oder wie wäre es damit: Die Salzburger Trachtenstube freut sich auf Ihren Besuch.
Apropos ungebetene Produktbepreisung: Eine schöne Uhr zeugt von Klasse, verhieß mir erst heute morgen wieder eine Nachricht in meinem Spamordner. Klasse, die ich nie hatte, fügte ich in Gedanken wie automatisch hinzu.
Ansonsten ist mit meinem Weltbild aber alles in bester Ordnung. Ich bin ein sehr freundlicher Typ und würde, aus reiner Nächstenliebe, versteht sich, noch nicht einmal Margot Käßmann von der ökumenischen Bettkante schubsen.
Was ich im übrigen noch sagen wollte: Jacques Chirac besaß keinerlei Manieren. Man serviert einer Dame unter freiem Himmel einfach keinen Handkuß, das gehört sich nicht. Und wenn ich Dame sage, dann gilt das sogar für so jemanden wie Angela Merkel. In der Hinsicht ist der Freiherr von Knigge echt erbarmungslos.
Und jetzt kommt das, was Sie sicher schon geahnt haben, nämlich: Tschüssikowski.

Samstag, 13. Oktober 2007

Quotenkasper

Jedes Fernsehgerät ein Abgrund, es schaudert einen, wenn man hineinblickt.
Kerner, substanzlose, selbstzufriedene Feel-Good-Qualle, zappelt sich völlig merkbefreit durch hirntote Werbeveranstaltungen für Prominente und solche, die sich dafür halten. Er gibt den Saubermann und glaubt sogar selbst an sein Image. Spätestens, seitdem er am Tag des Schulmassakers von Erfurt ein verstörtes Kind vor die Kameras zerrte und mit seinen aufdringlichen Fragen quälte, sollte dieser indiskutable Intelligenzgnom als Mediengestalt eigentlich ein und für allemal erledigt sein – war er aber nicht, im Gegenteil, die Quote stimmte, und so findet er sich selbst weiterhin unheimlich toll und kriegt wohl auch zukünftig immer schön sein Studio voll.
Am Dienstag führte man dann im Namen der Selbstgerechtigkeit die, nun ja, verstiegene Eva Herman zur Schlachtbank. Sie sollte sich bitteschön für irgendwelche Aussagen und Vergleiche entschuldigen. Tat sie aber nicht. War nämlich auf Krawall gebürstet. Kann ja nicht jede Verona Pooth heißen und auf Kommando losheulen.
Kerner, diese menschgewordene Konsensblase, wollte so viel Widerstand nun echt nicht dulden und verwies die Herman, unter großem Hallo der versammelten selbsternannten Gutmenschen, des Studios.
Wieder einmal wurde deutlich: Die männliche Weichspülvariante von Alice Schwarzer mit Gemächt ist der denkbar schlechteste Talkmaster, da er keinerlei andere Meinung als seine eigene gelten läßt.
Der medienwirksam inszenierte Eklat um Frau Herman, die nicht bereit war, zu Kreuze zu kriechen, ist symptomatisch für das Unvermögen zum öffentlichen Streit, zum Diskurs und zur Diskussion, wenn es um das deutsche Tabu geht.
Daß so ein fahrradfahrender Schmunzelaugust wie der Kerner noch nie etwas von Voltaire gehört hat, dürfte dabei sowieso klar sein. Der hat mal vor langer Zeit gesagt: Mir ist Ihre Meinung widerlich; dennoch werde ich mich totschlagen lassen dafür, dass Sie sie äußern dürfen. Da Voltaire aber keine eigene Kochsendung hat, ist er in 2007 für die Medien auch kein Thema mehr.
Hat man sich das Kernersche Kasperletheater gespart, bestand immer noch die Möglichkeit, sich zeitgleich in die Rederunde von Frau Maischberger einzuklinken. Die gilt gegenwärtig als eine der Topmoderatorinnen in der deutschen Fernsehlandschaft – und keiner weiß, warum.
Thema: Gewalt in der Ehe – warum wird aus Liebe Haß? Sandra M.s Busenfreundin Alice S. hatte wohl leider keine Zeit, so mußte dafür eben Anita Heiliger einspringen. Macht auch nichts. Die vorgestanzten Antworten konnte man sich sowieso schon im Vorfeld denken: Alle Männer sind von Natur aus gewalttätig und brutal und schlagen bzw. vergewaltigen ihre Frauen dreimal täglich.
Männer sind Täter, Frauen Opfer – so einfach ist die Welt, wenn man sie sich macht, widiwidewie sie einem gefällt.
Die Realität sieht leider anders aus: Schlagende Frauen sind nicht dem Buch der deutschen Hausmärchen und Volkssagen entsprungen. Sie sind existent, leben mitten unter uns und mißhandeln ihre erwachsenen männlichen Partner.
Zahlreiche internationale Studien belegen glaubhaft, daß Gewalt in der Partnerschaft zu gleichen Teilen von Männern wie von Frauen ausgeht. Die allgemein, wohl auch von Herrn Kerner, übernommene feministische Weltformel: Mann = Täter, Frau = Opfer hat sich als falsch herausgestellt. (Daß Frauen in der Gewalt gegen Kinder und ältere Menschen sogar „führend“ sind – geschenkt.)
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat erst vor zwei, drei Jahren eine Pilotstudie zum Thema Gewalt gegen Männer in Deutschland in Auftrag gegeben. Der Abschlußbericht umfasst 1050 Seiten und ist jedem Bundesbürger frei zugänglich. Von Fernsehjournalisten kann man natürlich nicht verlangen, so etwas zu kennen. Wo kämen wir da denn auch hin?
Was bleibt (außer verdummten Zuschauern): Die übliche Desinformation durch Ausklammern ergänzender Fakten.
Was lief eigentlich im Dritten?

Samstag, 6. Oktober 2007

Leberwurstmanifest

Ich liege irgendwo zwischen Wolldecke und Zwerchfell eingewickelt im Himalaya. Dies sind die Reste, die vom Dosenfleisch übrigblieben, bevor ich meinen Yeti schlachten mußte.
Sechs verlotterte deutschtümelnde Seeotter befummeln meinen Tümpel. Um es ihnen ein für allemal abzugewöhnen, wusch ich mich zum ersten Mal in diesem Quartal unter den Armen. Plötzlich klingelte es an der Haustür. Es war der feine Herr Nachbar, der griente und flötete: Herr Becker, gut, daß Sie auch mal eine Waschung an sich vorgenommen haben. Wir haben hier im Haus schon Unterschriften gesammelt. Es kann ja jeder halten, wie er mag, doch der Geruch, der Geruch. Denken Sie doch nur mal an die Allgemeinheit.
Tür vor der Nase zugeschlagen, den Nachbarschaftsarsch stehengelassen. Misch dich nicht ein in mein Business, Metze, unwürdige. Mein Beschäftigungsschema paßt nicht in deine Quadratlatschen, du Spießer.
Und nun direkte Anrede an die Bekloppten auf den Hinterbänken: Ich gebe euch, versehrtes Publikum, den Proll, den Rüpel, den Voll Asi. Ich spreche übers Kotzen, Pinkeln, Kacken, Abspritzen, Sex in jeder Lebenslage, die Abwesenheit von Körperhygiene, Saufen, Fressen, Stöpseln. Dies ist bitte zu begreifen im Sinne der mittelalterlichen Fastnachtsspiele. Ich bringe euch eine Hanswurstiade fürs abgehende 21. Jahrhundert. Körperöffnungen und ihre Ausscheidungen, aber auch, was da reingeht, sorgen seit jeher für Belustigung. Und womit? Mit Recht.
Das ist mein Humor, den gilt es zu feiern. Ihr kommt darauf klar oder laßt es eben. Dazwischen gibt es wenig, vielleicht noch strickende Gotteskrieger in Kabul und verwesende, weil überfahrende Hunde in Neumexiko.
An allem bin mal wieder, klar, ich Schuld. Nur sagt das wieder gar nichts aus, und doch alles. Man muß ja irgendwie ein Image aufbauen. So wie 50 Cent. Von vielen für einen harten Rapper gehalten, ist dieser Milchbubi in meinen Augen doch keinen Pfifferling wert. Eher schon einen Schaumpilz.
Wie ich wirklich bin, weiß niemand. Ich selbst am allerwenigsten.

Montag, 1. Oktober 2007

Wohin geht die Reise?

Die nächste Völkerwanderung kommt bestimmt. Bis dahin gehen wir mit gutem Beispiel voran. Doch wohin genau?
Marcus geht zu Ikea.
Constanze geht und hat einen schweren Autounfall.
Julian geht heute Abend zu einem Konzert in die Fabrik.
Peterchen geht auch in die Fabrik, muß dort allerdings arbeiten, am Band.
Tim geht als Funker an Bord.
Die Biene Maja geht im Sommer auf bundesweite Kinotour.
Bernd geht seinen Lebensweg, da macht er nichts verkehrt.
Nina geht in die Ferien.
Nicole geht immer nackt duschen.
Fabian geht zur Erstkommunion.
Julia geht verzweifelt zu Pater Lorenzo.
Robert geht in Pension.
Dennis geht Pause machen.
Der Dax geht baden.
Johnny Depp geht zurück in die USA, und seiner Tochter geht es besser.
Rocco geht’s heute so richtig scheiße (gut, braucht er wenigstens nicht raus).
Anna geht streichen.
Benny geht zunächst ins Rockcafé, dann verliert sich seine Spur.
Matze geht kotzen.
Evelyn geht zum BVB.
Annika geht nicht mehr zur Schule.
Chris geht in die Luft.
Hannah geht nach Ghana und heiratet Eddie.
Nadja geht skifahren.
Michael geht auf große Comeback-Tour.
Jennifer geht ins Kloster.
Caro geht mit ihrer Tante Conny im Meer schwimmen.
Die Liebe geht in einer offenen Beziehung schnell vor die Hunde.
Valentin geht mit seiner Mutter ins Theater.
Doreen geht es den Umständen entsprechend gut.
Herbert geht es aber durch das Penicillin schon viel besser.
Tina geht tanzen.
Walter geht in Richtung Schuleingang.
Stefan geht fischen.
Der neue Film von dem geht ja mal gar nicht.
Janine geht auf der linken Seite durch und wird am Fünfer gefoult – es gibt Elfmeter.
Unserem Hansi geht es von Tag zu Tag besser, und er ist trotz erst zweieinhalb Wochen Cortison-Behandlung schon fast eiweißfrei – ein gutes Zeichen, oder?
Sabrina geht mit dem jungen Hexer Dante aus.
Martin geht ein Licht auf.
Single Sandra geht zum Flirten am Liebsten ins Internet.
Lisa Plenske geht mit mäßigen Quoten – die kommenden Tage entscheiden.
Anke geht jetzt ins warme Bettchen.
Der Sieg geht absolut in Ordnung, da unterm Strich ein paar mehr Chancen zu verzeichnen waren.

Sonntag, 23. September 2007

Das Media Markt Massaker

Die kleine Marie wußte gar nicht, wie ihr geschah. Mitten in der Nacht hatte ihr Vater sie aus dem Schlaf gerissen und dazu gedrängt, sich schnell etwas Hübsches anzuziehen. Genau verstand sie nicht, was er von ihr wollte, doch sie tat ihm den Gefallen und holte, ohne zu murren, ihr bestes Sonntagskleid aus dem Schrank.
Auf der Fahrt mit der S-Bahn erzählte ihr Vater irgendetwas von einer Mitternachtseröffnung. Seine Augen funkelten dabei wild. Marie bekam ein bißchen Angst, doch gleichzeitig war sie auch neugierig. Das mußte ein besonderes Ereignis sein, denn so hatte sie ihren Papa, den sonst nichts aus der Ruhe bringen konnte, noch nie erlebt.
Als sie am Alexanderplatz ankamen, hatten bereits über fünftausend wütende Menschen eine Traube vor dem noch versperrten Eingang gebildet. Lange würden sie sich die Aussperrung nicht mehr bieten lassen. Sie waren schließlich nicht zu ihrem Vergnügen hier.
Die Luft brannte. Haß, Geiz, Gier und Neid waren mit Händen greifbar. Die Masse drängelte sich vor den Rolltoren, hämmerte gegen die Lamellen und brüllte immer wieder: Aufmachen! Aufmachen! Ein gellendes Pfeifkonzert zerriß die Luft. Die Mitarbeiter im Inneren wurden nervös.
Ich bin doch nicht blöd und warte hier die ganze Nacht, grölte einer aus der Menge. Er stürmte los und gab somit für die anderen das Zeichen zum Angriff. Da war es halb zwölf.
Das Grauen begann. Niemand war vorbereitet auf das, was sich nun in den folgenden Stunden hier abspielen sollte.
Im Durcheinander vor dem Geschäft fielen die ersten Opfer dieser Nacht. Die Schwachen und Alten fielen zuerst in Ohnmacht, weil sie im Gedränge einfach keine Luft mehr bekamen. Wer zu Boden ging, wurde von den Nachrückenden einfach zertreten und zu Tode getrampelt. Viele wurden auch wehrlos an die Außenwand des Einkaufszentrums gedrückt und dort wie lästige Fliegen zwischen den Fingern zerquetscht.
Die Rolltore gaben dem gewaltigen Druck von außen nach. Die Glastür am Haupteingang zersplitterte. Der Druck der Menschenmasse traf diejenigen, die das Pech hatten, vorn in der ersten Reihe zu stehen, wie ein Hammer. Eine Flut von Menschen ergoß sich in das Erdgeschoß und schwappte über die Rolltreppen hinauf in die anderen Stockwerke.
Kameras und Handys flogen umher. Von überall Schreie. Es wurde geschubst, getreten, geschlagen. Die Situation geriet außer Kontrolle. Das erste Blut floß. Es gab kein Halten mehr. Die Hölle war losgebrochen, und niemand konnte dieses Chaos jetzt noch stoppen.
Schnäppchenjäger verwandelten sich plötzlich in grausame Bestien. Ein Zucken, ein Kreischen, ein Brüllen ging durch die rasende Menge. Das waren keine Menschen mehr, sondern Tiere.
Warenbehälter wurden niedergetrampelt. Ein Mann im Anzug erschlug einen anderen mit einem Telefonhörer. Eine Frau Mitte vierzig stand auf dem Verkaufstresen der Fernsehabteilung und schwang den Flachbildschirm, an dem sie sich festkrallte, wie eine Keule, die sie bedrängende Meute damit abwehrend. Die Infokasse 2 ging in Flammen auf.
Jetzt verschwand auch Maries Vater in der Menschenmenge. Wie von einem Sog wurde er weggerissen. Er ging unter und tauchte nicht wieder auf.
Die Männer vom Sicherheitsdienst wurden von den Kunden mit Elektrogeräten verprügelt. Knochen barsten, Rippen brachen. Den über hundert Polizisten, die vor Ort im Einsatz waren, erging es nicht besser. Sie konnten gegen die Überzahl an Gegnern einfach nichts ausrichten und wurden mit bloßen Händen zerfetzt. Mancher klammerte sich anschließend an den ergatterten blutverschmierten Polizeihelm, als handle es sich dabei um eine wertvolle Trophäe.
Der panische Marktleiter schrie seine im Sterben liegenden Mitarbeiter an, sie sollten doch irgendetwas unternehmen. Doch es war bereits zu spät. Überall um ihn herum sanken deformierte leblose Körper zu Boden.
Erst nach Stunden fand die Raserei allmählich ein Ende. Eine bleierne Todesstille senkte sich im Morgengrauen über das Einkaufszentrum. Tote Menschen lagen überall zu grotesken Haufen aufgetürmt übereinander. Nichts als Blut, Knochen, rohes Fleisch.
Niemand war in diesem Wahnsinn davongekommen. Fast niemand.
Die kleine Marie hatte als Einzige überlebt und stand in ihrem vom Blut fremder Menschen verklebten Sonntagskleid an der zerborstenen Glasfront. Sie sah apathisch hinaus in den Sonnenaufgang des neuen Morgens.

Montag, 17. September 2007

Die heilige Britney der Schlachthöfe

Der ehemalige Musiksender MTV hatte geladen, und alle, alle kamen sie. Selbst Britney Spears, seit drei Jahren bühnenabstinent und zuletzt eher durch postnatale Depressionen, Aufenthalte in der Reha, den Verzicht auf Unterwäsche und radikale Lösungen für Frisurprobleme, denn durch ihre Musik aufgefallen. Ein Abend bei den Video Music Awards. Das also sollte das große, strahlende Comeback werden. Es kam jedoch ganz anders.
Britneys nervöser Auftritt gehörte wahrlich nicht zu den Sternstunden in der Geschichte des Musikfernsehens – was aber letzten Endes eigentlich auch schon wieder egal sein kann, zumal MTV selbst sich schon lange nicht mehr der Videoclip-Kultur widmet, sondern lieber den ganzen lieben langen Tag hindurch dritt- und viertklassige US-Formate abspult, in denen abgehalfterte Promis und ihre Familien vorgeführt werden oder aber man die amerikanischen Dating-Gepflogenheiten zelebriert. Wenn man beim Zappen Glück hat, läuft gerade eine Wiederholung von South Park oder Xzibit motzt mal wieder eine alte Rostlaube auf. Mit Musik hat das alles indes wenig zu tun.
Und so verwundert es auch nicht weiter, daß die Hauspostille namens MTV News sich schon vor Jahren auf die reine Verbreitung von Klatsch, Tratsch und anderem Gossip verlegt hat. Eigentliche Musikberichterstattung ginge jedenfalls anders – aber Musik kommt bei MTV, home of the Klingeltöne, sowieso nicht mehr vor.
Im Falle der sichtlich verunsicherten Spears bot sich dem Sender nun, als alles vorbei war, ein wahrlich schmackhaftes gefundenes Fressen. Das Nachtreten begann bereits im unmittelbaren Anschluß an Britneys Performance, als die amerikanische C-Komikerin Sarah Silverman, vor deren Fäkal- und Vaginahumor selbst Ingo Appelt in seinen besten Zeiten entsetzt zurückgewichen wäre, genüßlich über das gefallene Pop-Sternchen herzog. Der Saal johlte, und mit ihm Millionen von gehässigen Fernsehzuschauern in aller Welt.
Wie bösartig sogenannter Fernsehjournalismus wirklich sein kann, zeigte sich dann in den nachfolgenden Tagen, in denen die Spears beinahe im Alleingang die „Nachrichten“-Sendungen bei MTV füllte. Jeden Tag tauchten neue haarsträubende Gerüchte auf, Verschwörungstheorien darüber, warum dieser Drei-Minuten-Auftritt so dermaßen in die Hose ging. Britney habe sich nicht vernünftig vorbereitet, sondern lieber Margaritas geschlürft, nein, halt, noch besser, sie hätte unter Medikamenteneinfluß gestanden und sich vorher dermaßen zugedröhnt, daß es selbst einen ausgewachsenen Elefantenbullen umgehauen hätte. Hoho. Gröl. Was für ein Haufen armseliger sensationslüsterner Wichser.
Die Böhsen Onkelz, sonst ja eher keine Bank in Sachen Vorbildfunktion, scheinen also zumindest ein Mal in ihrer Karriere doch Recht behalten zu haben, als sie einst forderten: Keine Amnestie für MTV. Wenn Britney in diesem Geschäft in Zukunft weiter überleben will, sollte sie jedenfalls schleunigst lernen, die Hand zu beißen, die sie früher mal gefüttert hat.
Im Lande Pop bleibt somit alles beim Alten: Erst bauen sie dich auf, nur um dich hinterher richtig schön fertigmachen zu können. Bereits im antiken Theater jedoch lernten wir, daß dabei die Fallhöhe stimmen muß. Im Falle der völlig neben der Spur laufenden Frau Spears ist diese aber schon seit Jahren nicht mehr gegeben.
Als junges Mädchen wurde sie von MTV hochgejubelt und zelebriert – nun, mit Mitte zwanzig, ist sie, gemessen an den Standards des verlogenen Pop-Geschäfts, alt und reif für die Schlachtbank. Kuck mal, wie dick die geworden ist, raunen sich die schwabbeligen Fettis vor der Glotze gegenseitig zu, bloß weil Britney nach zwei Geburten, wen wundert’s, nicht mehr so bulimisch daherkommt wie etwa Keira Knightley. Achtundneunzig Prozent derer, die nichts Besseres zu tun hatten, als hämisch über das Gewicht und Aussehen der Spears abzulästern, würden in Wahrheit für einen solchen Look töten.
Vielleicht braucht die gefallene Prinzessin vom Lande Pop wirklich Hilfe. Bei MTV jedoch, diesem sendergewordenen Haufen Scheiße mit einem Niveau irgendwo zwischen schlechtem Stil und absolut den Arsch offen haben, bekommt sie diese mit Sicherheit nicht.

Samstag, 8. September 2007

Angst vor Alpha-Mädchen

Vorab will ich mich gleich mal entschuldigen. Der hier vorliegende Text ist nicht gut geworden. Ich bin auf ganzer Linie gescheitert. Was anderes war aber auch gar nicht zu erwarten, denn: Ich bin bloß ein Beta-Männchen, ein schwaches, hilfloses, gescheitertes Subjekt, umgetrieben und geplagt von Neurosen und Ängsten.
Ja, ich gebe es zu. Ich habe Angst. Angst vor den Alpha-Mädchen, die sich nicht zu doof dafür sind, allen Ernstes Sätze zu formulieren wie: Männer sind wie Hunde, und die sich dabei gedanklich bereits zum alles dominierenden Frauchen aufspielen, während sie dem kleinen winselnden Kläffer zu ihren Füßen mit einer Mischung aus Belustigung, Hochmut und Abscheu begegnen. Ernst nehmen können sie die weichen Männer von heute jedenfalls nicht mehr.
Viele aufmerksame Zeitgenossen interessieren sich dafür, mit welchen Vorurteilen junge Mädchen heutzutage noch immer auf ihrem Weg an die Macht zu kämpfen haben. Doch entscheidender scheint mir zu sein, mit welchen Vorurteilen sie selbst unterwegs sind.
Sicherlich, gegen gute Ausbildung ist erst mal nichts einzuwenden, die steht den Mädchen natürlich ebenso zu wie den Jungs. Doch wo bleibt dabei die Herzensbildung, so etwas wie Güte? Ich sage es Euch: oftmals auf der Strecke.
Es geht gar nicht darum, daß die Frauen sich klein machen sollen, ganz im Gegenteil. Ich bleibe auch gern zuhause, wenn meine Freundin gut genug verdient, daß es für uns beide reicht. Damit hätte ich nun wahrlich kein Problem.
Überhaupt sind junge Frauen inzwischen häufig schon längst besser in den Naturwissenschaften und der Mathematik, während zugleich in einem gar nicht mal so schleichenden Prozeß die vermeintlichen Soft Skills immer mehr zu einer Männerdomäne werden.
Fakt ist: Die Deutschen sterben aus und kriegen keine Kinder mehr. Was zum Teil auch daran liegt, daß erfolgreiche Frauen durch den Mann an ihrer Seite stets noch ein Stückchen erfolgreicher werden wollen. Ist ein solcher Partner nicht zu haben, bleibt man eben unbemannt.
Die Akademikerin, die sich in den Taxifahrer oder Bäcker verliebt, sozusagen die umgekehrte Aschenputtelgeschichte, so etwas gibt es wohl nur in modernen, noch nicht geschriebenen Märchen. Die Realität sieht anders aus. Nach oben wird die Luft dünn, nach unten will sie sich gar nicht erst orientieren. Da kann der Bäcker noch so ein lieber Kerl sein, unter dem Vorstandsvorsitzenden macht es die Akademikerin nicht mehr.
Status geht über Gefühl, die Klassen in unserer angeblich doch so klassenlosen Gesellschaft bleiben in Fragen der Partnersuche weiterhin so konsequent und permanent untereinander, als wäre das bürgerliche 19. Jahrhundert nie zu Ende gegangen.
Manchmal wäre einfach schon ein bißchen mehr Konsequenz schön. Denn bei vielen Frauen findet sich immer noch eine höchst schizophrene Versorgermentalität. Klar, sie wollen ein bißchen Erfolg haben, aber trotzdem eben auch einen starken Partner an ihrer Seite, was bedeutet, daß der Mann, wenn möglich, eben NOCH angesehener als sie selbst sein sollte. Von den illusorisch hochgehängten eingeforderten sozialen Kompetenzen des Mannes (einfühlsam soll er sein, aber auch nicht zu weich, locker und humorvoll, aber doch auch ernsthaft und beständig) mal ganz zu schweigen.
Für mich gibt es jedenfalls schon längst keine Frauen und Männer mehr, nur noch Individuen. Alles andere sind bloß bornierte Vorurteile und das freiwillige Steckenbleiben in überholter Nazi-Mentalität.
Mario Barth mit seinen aufs platteste Wiedererkennen angelegten Männer-und-Frauen-Witzchen trägt daran ebenso schuld wie Alice Schwarzer, die sich seit 30 Jahren gedanklich nicht mehr weiterentwickelt hat und in jedem Mann einen potentiellen Vergewaltiger und Puffbesucher sieht. Die neue Unlust der Herren der Schöpfung (wir berichteten) ist ihr dabei offensichtlich noch nicht zu Ohren gekommen.
Sexuell fordernd sind heute, zumindest ab einem gewissen Bildungsgrad, bloß noch die Frauen. Dies Alice mitzuteilen, hat sich allerdings noch niemand getraut. Zu sehr würde dies ihr Weltbild erschüttern, in dem Frauen nur als Opfer sexueller Gewalt auftauchen, aber nie als Täterinnen.
Frauen, so Alice, sind ständig bedroht und müssen um Leib und Leben fürchten. Daß häusliche Gewalt zu gleichen Teilen von Männern wie auch von Frauen ausgeht, daß in Berlin die Eröffnung eines Männerhauses für von ihren Partnerinnen geschlagene und mißhandelte Herren angedacht wird, von all dem will sie gar nicht erst in Kenntnis gesetzt werden. Jüngst hat Frau Schwarzer ein Buch veröffentlicht mit dem Titel Die Antwort. Doch was genau war bitteschön noch mal die Frage?
Ich gebe es unumwunden zu: Ich fürchte mich vor den streng gescheitelten Hyänen der Großstadt, den knallhart karriereorientierten Frauen, die Männer um jeden Preis überholen wollen, sie dabei wie ein Panzer überrollen.
Selbständigkeit ist ein hohes Gut, doch ohne Maß wird daraus schnell ein erbitterter Kampf um die besten Futterplätze. Besser sein wollen, sich beweisen müssen, so lauten die ehrgeizigen Ziele hartherziger Mädchen, die Liebe und Freundlichkeit für Zeichen von Schwäche halten.
Wo sie sich eigentlich selbstbewußt zeigen sollten, sind sie innerlich trotz aller Erfolge noch immer unsicher und setzen deshalb lieber auf zur Schau gestellte Arroganz, die alten Maskenspielchen und elendes Rollengepose. Sie übersehen dabei: Es geht um Unterstützung und nicht um den blanken Terror der Konkurrenz.
Thea Dorn stellt sich gerne mal breitbeinig hin und fordert: Mehr Stolz, ihr Frauen! (Daß es sich dabei um eine der Todsünden handelt: geschenkt.) Ehrlich gesagt erscheint mir, wenn ich mir die jungen Dinger von heute und ihr Verhalten mal so betrachte, die Forderung nach mehr Demut als deutlich wichtiger.
Die Analytikerin Margarete Mitscherlich-Nielsen sagte einmal, daß die Frauen sich nur dann befreien können, wenn sie auch selbstkritisch sind. Die Männer mußten vieles lernen in den letzten 35 Jahren – und taten dies auch. Sie sind nun ruhiger und sozialverträglicher, einfühlsamer und kommunikativer, können Socken stopfen und kochen. Glücklich geworden sind die Frauen darüber allerdings nicht.
Dies macht umso deutlicher, daß es mit einer einfachen Umkehr der Geschlechterrollen nicht getan ist. Bloß oben und unten zu vertauschen, reicht nicht aus. Das würde die gesellschaftlichen Mißstände ja nicht abschaffen, sondern bloß die Ausbeuter an der Spitze austauschen. Wahres Matriarchat geht jedenfalls anders.
Folglich kann es nicht bloß um Teilhabe an der Macht oder gar die komplette Übernahme der Herrschaft, sondern nur um Kooperation, Solidarität und Chancengleichheit gehen. Männer brauchen Liebe. Und die Alpha-Mädchen haben noch Etliches zu lernen.

Samstag, 1. September 2007

A trifft B

Zwei sitzen zusammen. Unterhalten sich. Der Einfachheit halber tun wir einfach mal so, als wäre Person A ein Mann und Person B eine Frau. Ist leichter, sag ich Euch, allein schon der Unterscheidbarkeit wegen.
Von links und rechts tritt die Welt an die zwei heran, bombardiert sie mit Werbung und anderer Propaganda: Hallo Konsument. Hier waren mal Menschen. Große Tatsachenphantasien werfen ihre Schatten voraus, wenn die Sonne ungünstig steht. Einst war mein Herz stumm vor Trauer. Jetzt jedoch ist es stumm vor Freude. Denn ich kaufe, bis der Dispo kracht.
Die beiden interessiert das alles wenig, sie haben genug mit sich selbst zu tun. Da sagt der Mann zur Frau: Jetzt weiß ich auch endlich, an wen du mich schon die ganze Zeit über erinnert hast. An das Mädchen aus Cliffhanger, das gleich am Anfang des Films in die Schlucht stürzt und tot ist. Die hat genau so ein Gesicht wie du.
Die Frau kann nicht so gut auf Stallone-Filme, eine echte Bildungslücke, sicherlich, aber was will man heutzutage schon noch erwarten von diesen jungen Dingern? Die suchen doch alle bloß ihren eigenen Vorteil. Und, weiterhin, nach der großen Liebe. Mittlerweile auch vermehrt im Internet. Darum überrascht es auch nicht, daß sie irgendwann im Laufe dieses Nachmittags verkündet: Martin Kippenberger, obwohl tot, ist mein Freund bei MySpace. Das macht mich glücklich.
Nachher fragt der Mann die Frau, ob sie ihn möge. Sie will darüber gar nicht erst nachdenken und kuckt ihm daraufhin, für seinen Geschmack, wohl auch eine Spur zu ekelerregt aus der Wäsche.
Er, schließlich nicht auf den Kopf gefallen, rudert gleich wieder zurück und gibt hastig folgendes Statement ab: Ich halte meine Aussage nicht aufrecht. Ich distanziere mich hiermit von Ich. Ich gehe in mich selbst hinein zum Fremdschämen.
Sackgasse war gar kein Ausdruck für den Feldweg, in den ihr Gespräch hiermit endgültig hineingeholpert war. Man machte kurzen Prozeß, ließ den Kellner kommen, bezahlte, getrennt, versteht sich, verabschiedete sich eine Spur zu förmlich vom anderen und trennte sich.
Er geht zu Fuß und wirft an diesem Abend noch ein, zwei Blicke in ein Heftchen mit Fotos von hingeräkelten Entblößungsmädchen. Das lindert seinen tiefsitzenden Frust ein wenig.
Sie nimmt die öffentlichen Verkehrsmittel in Anspruch. Am selben Abend, in der U-Bahn, meldet sich auf ihrem Heimweg unaufgefordert so ein ungehobelt soeben Eingestiegener lauthals zu Wort: Guten Abend, meine Damen und Herren. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Mein Name ist Andreas. Ich war vier Jahre obdachlos, HIV-positiv und lebte vom Verkauf der MOTZ. Aber diese Zeiten sind jetzt zum Glück vorbei. Bitte mal die Fahrausweise zur Kontrolle!

Samstag, 25. August 2007

Nichts als die Wahrheit

Die Wahrheit schreitet über die ganze Welt. Das heißt im Klartext, daß sie von Ort zu Ort verstoßen wird, daß die Menschen in allen Ländern, in allen Ecken, in allen Bunkern sie vom Hof jagen. Die Wahrheit muß ewig weiterwandern. Sie kennt keine Heimat, kein Ziel, keinen Ort des Verweilens. Keine Mutter, die in der Nacht um sie weint. Zu Atem kommt sie niemals. Durch die Finsternis, durch den Tag, durch die Sonne, durch den Regen. Immerfort, immerfort. Weiter, weiter. Sie geht und geht. Kommt niemals an.
Jene wiederum, die Lüge, wer denn auch sonst, führt ein Leben im Stand-by-Modus. Das sieht zwar von außen süß aus und spart auch irre viel Energie, was den Herrn Minister Gabriel bestimmt supidupi freut, aber es ist doch auch ein wenig, wollen mal sagen, eintönig. Zu viel von allem ist immer noch zu viel. Zu wenig aber, darauf können sich die wenigsten katholischen Schulmädchen in Not einigen, ist eigentlich gar nichts.
Abfinden ist gut, Rebellion ist besser. So stand es schon damals, mit Edding geschrieben, an der Tür der öffentlichen Bedürfnisanstalt. Mancher ist eben zuallererst und in wirklich jeder erdenklichen Lebenslage lange nichts und dann doch irgendwann Künstler. So mit in die Tiefe gehen. Schlaue Ideen beim Kacken fassen. Das Letzte aus sich herausholen. Darmspülung, beizeiten.
Und wo wir schon bei Körpersäften sind: Ich habe meine geheimnisvolle Prinzencreme bisher noch jedem Mädchen vorenthalten. So lebt es sich gar lyrisch in meinem Elfenbeinturm. Sollen doch die anderen stöpseln. Ich denke mir lieber pfiffige Werbesprüche aus.
Wie zum Beispiel diese hier: Durst ist alles. Bockwurstwasser hilft bei Potenzstörungen. Enlarge your penis up to three inches. Antworten Sie nicht auf diese E-Mail. Wir tun es selbst. Wir lieben Liebe zu dritt. Und das ist wiederum nichts als die Wahrheit. Gelogen wie gehüpft, alles im Dreivierteltakt.
Gut, ne?

Samstag, 18. August 2007

Aufzeichnungen aus der Künstlerkemenate

Die Volksverdummung ist ein Vogel mit bunten Federn. Stetige Analyse ergab: Jeder Künstler ist ein Mensch.
Es arbeitet, es brodelt, es donnert, es spratzt, es sprotzt. Da ist noch vieles in mir, und das muß raus, und ich rede jetzt nicht von Kacken. Es tut, es macht, es werkelt, es klöppelt, und die Welt wird Zeuge sein, auch Modell stehen müssen.
Die Querverweise seht Ihr nicht, und doch sind sie da. Ich spinne mich wie Tegler ein in mein eigenes Netzwerk, die Kunst. Sehet, erlebet und staunet. Seid Zeuge der größten Show seit dem Comeback von Lazarus. Vieles kommt auf Euch zu, nur wenig liegt bereits hinter Euch.
Ein Künstler darf nicht nach Hause gehen, denn daheim wird er so verstanden, wie er verstanden werden will. Und das ist ganz, ganz schlecht für die Kunst, die doch eigentlich die große Unerreichbare, Unverständliche sein sollte. Je weniger auf einem Bild zu erkennen ist, desto besser.
Es geht darum, auch mal was zu machen, was den Kopf anregt, nicht immer nur angibt. Wer still vor sich hinblödelt, bleibt zeitlebens Alleinunterhalter. Man muß den Menschen die Kunst an den Kopf knallen, abknallen, flachlegen. Ich habe keine Zeit, bis nach meinem Tod zu warten, die gängigen Rezeptionswege funktionieren nicht mehr, nach van Gogh und Kafka wurde die Straße ins posthume Glück unterspült, also gebt mir besser schon jetzt, was des Kaisers ist: eine Besenkammer auf Lebenszeit und die Weihnachtsfeier vom FC Bayern.
Es ist doch klar, worum es hier geht, denn bekanntlich ist Geld noch immer das Schmiermittel Nummer eins für Schmierenkomödianten aller Art. Und freilich, auch ich kann es gut gebrauchen, für Miete Strom Gas.
Ich gebe der Welt, Euch, etwas und erwarte dafür auch retour. Und da wird was kommen, ganz sicher. Womöglich Anerkennung, noch wahrscheinlicher jedoch auf die Fresse. Egal, Hauptsache Feedback, Reaktion, reaktionärer Katzendreck.
Bis dahin: Große Reden schwingen. Im Vorbeigehen mal eben Jimi Hendrix, Kurt Cobain und all die anderen Säulenheiligen dissen. Indem man verkündet: Musik ist eine höhere Gabe der Götter. Damit spielt man nicht. Und wer es doch tut, der stirbt jung.
Und dann ganz trocken wie Fela Kuti nur in einer Badehose auftreten.

Samstag, 11. August 2007

Mandy

Sie sah ein bißchen aus wie Avril Lavigne, nur nicht so stolz, sondern vielmehr angenehm schüchtern. Am Anfang mochte ich ihre wohltuende Ruhe. Sie war nicht so hysterisch und aufgedreht wie die anderen Mädels, mit denen ich mich zu dieser Zeit sonst so verabredete.
Ihr Therapeut, so eröffnete sie mir, hatte ihr gesagt, es wäre jetzt langsam an der Zeit, endlich Männer zu treffen. Ich war einer der ersten, der auf ihre leicht kryptische Kontaktanzeige reagiert hatte.
Es war im September. Wir hatten verabredet, auf das Oktoberfest zu gehen. Ich war da. Nur Mandy kam nicht.
Zwei Tage später rief sie an, sie klang sehr verlegen und entschuldigte sich bei mir. Sie erklärte, es hätte sie im letzten Moment der Mut verlassen, die ganzen fremden Menschen und all das. Da hätte sie auf einmal totale Beklemmungen bekommen.
Na, macht ja nichts.
Ein paar Tage später dann unser zweiter Versuch, ein Spaziergang entlang der Isar. Diesmal klappte es. Der Himmel war grau, doch es blieb trocken.
An einer entlegenen Stelle sagte sie mir: Ich mag die Einsamkeit. Auch die Natur finde ich sehr schön, obwohl sie grausam ist, manchmal. Es sind die Leute, mit denen ich nicht zurechtkomme.
Zwischen unsere wenigen Sätze schoben sich immer wieder lange Pausen, oft auch minutenlanges betretenes Schweigen.
In der Nähe der Großhesseloher Brücke meinte sie dann: Da wollte ich auch mal runterspringen.
Fünf Stunden waren wir an diesem Tag zusammen, Zeit genug für sie, mir ihre ganze traurige Lebensgeschichte zu erzählen.
Schon als Kind hatte sie kaum Anschluß gefunden, sie war nach der Schule oft allein zuhaus, Schlüsselkind, malte viel oder las.
Als Teenager war sie dann vom besten Freund ihres Vaters vergewaltigt worden. Anfangs war er sehr nett zu ihr gewesen, aufmerksam auch, hatte sie ausgeführt, wie eine Erwachsene behandelt. Das fand sie schön, diese Beachtung, das kannte sie vorher nicht.
Nach ein paar Wochen begannen seine ersten Annäherungsversuche. Er fing damit an, sie immer öfter zu bedrängen, wollte sie küssen und mehr. Sie wollte das alles nicht, doch traf sich weiterhin mit ihm. Auf dem Heimweg, nach einem gemeinsam besuchten Orgelkonzert, geschah es dann.
Etwas in ihr zerbrach. Sie konnte sich keinem anvertrauen. Es folgten ein paar halbherzige Selbstmordversuche.
Die erste Diagnose: Depression. Danach hieß es: Borderline-Syndrom. Die Eltern schleppten sie weiter von Arzt zu Arzt, irgendwann stellte einer fest: Soziale Phobie.
Manchmal wüßte sie einfach nicht mehr weiter, das Leben hätte sie so müde gemacht. Unzählige Therapien. Ein abgebrochenes Kunststudium. Und jetzt sie und ich, hier an der Isar.
Eine Woche nach unserem Spaziergang wurde sie in die Psychiatrie eingewiesen, weil sie sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte, nicht zum ersten Mal.
Ich wollte sie besuchen, weil ich mich irgendwie verantwortlich für sie fühlte. Die Ärzte ließen mich nicht zu ihr. Ich sei ja kein Verwandter.

Samstag, 4. August 2007

Terminieren geht über studieren

Die jungen Dinger im Versammlungssaal 2 A waren schon ganz aufgeregt. Man hatte sie busweise angekarrt und ihnen versprochen, daß hier ein Fernsehcasting stattfinden würde. Manche von ihnen waren noch nicht einmal mit der Schule fertig, doch auf jeden Fall wollten sie alle, das ließ sich ihren ehrgeizigen Blicken bereits deutlich entnehmen, früher oder später beruflich mal irgendwas mit Medien machen.
In diesem Augenblick schwang endlich die große Tür am Ende des Saals auf. Mehr als zweitausend Augenpaare richteten sich auf den soeben Eingetretenen. Zur Überraschung aller handelte es sich dabei aber weder um Dieter Bohlen noch Nina Hagen noch Bruce Darnell. Nein, es war der Terminator, der nun leibhaftig vor ihnen stand.
Nun gut, dachten da einige der Mädchen bereits unsicher, vielleicht werden wir ja für eine Stuntschule gecastet, das soll uns auch recht sein. Viel weiter kamen sie in ihren Überlegungen nicht mehr, denn in dieser Sekunde begann das große Blutbad.
Mit der Uzi hielt der Terminator souverän auf all die niedlichen verschmusten blonden Mädchen, die dachten, es sei irgendwie rockig und total crazy unangepaßt, Band-T-Shirts von wimmernden musizierenden Emo-Wichten mit Überohrfrisuren zu tragen und einen hübschen jungen Mann mit unschöner Regelmäßigkeit als Sahneschnitte zu titulieren.
Der sweet sweet Sexismus ist so höllisch schwer aus den Köpfen herauszubekommen, dachte der Terminator einen Moment lang und wurde darüber traurig. Doch dann munterte ihn ruckzuck wieder das schöne, verläßliche Stampfen und Rattern des Maschinengewehrs auf.
Durch Meere von Blut waten wir hin zu einer besseren Welt, das hatte früher schon immer seine hochverehrte Frau Mama gesagt, wenn sie im Badezimmer stand und über der Wanne ein Schwein abstach oder einer Gans den Hals umdrehte. So ein ländlicher Background prägt einfach, und darum würde der Terminator wohl auch auf immer und ewig tief in seinem Metallherzen ein Buam von der Alm bleiben.
Als die jungen Körper zerborsten, das bißchen Gehirn verspritzt und von den adretten Gesichtchen nicht mehr viel Ansehnliches übriggeblieben war, verstarb auch abrupt der Sound des Gewehrfeuers.
Sicherlich, es war eine ziemliche Schweinerei, die er hier angerichtet hatte, aber schließlich gibt es manches auf der Welt, was einfach getan werden muß. Das hatte vor ihm schon Lars von Trier durchexerziert und so sonderlich Unrecht damit auch gar nicht gehabt.
Apropos nervtötende europäische Autorenfilmer: Die waren morgen dran, in Versammlungssaal 3 D.
Darauf freute sich der Terminator schon ganz besonders.

Samstag, 28. Juli 2007

Neidische Leichen

Sommer ist in der Stadt, Leute drehen durch. Erst gestern erzählte mir eine Krankenschwester, Mitte 30, einen Schwank aus ihrer Jugend, ach pardon: gar nicht wahr, doch nur vom letzten Jahr.
Sie meinte so zu mir: Im letzten Winter hatte ich einen Patienten an der Nierenmaschine, einen netten, alten Herrn, der war 92 Jahre alt. Und dieser liebe Mann starb in der Woche vor Weihnachten in meinen Armen, mit seiner Hand in meinem Höschen.
Dabei lächelte sie scheu. Kurzfristig war ich bei dem Gedanken an das Beschriebene etwas neidisch auf den Toten, bis ich begriff, daß das Unsinn ist: die Toten beneiden, wo kommen wir denn da hin?
Ist doch eh allen klar, daß die eigentliche Richtung umgekehrt verlaufen sollte – DIE müßten UNS beneiden, weil wir leben, weil wir im Sommer hübschen Mädchen hinterherkucken können, die kurze Röcke tragen, weil wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, daß unser Verein doch noch mal irgendwann Deutscher Meister wird und daß es mit der einen Frau, denn eine gibt es immer, das ist wissenschaftlich bewiesen, daß mit der doch noch alles ein gutes Ende nimmt, auch wenn es danach echt nicht aussieht momentan.
Auf den Friedhof kommen wir alle miteinander eh früh genug, schlafen, so lautete ein schwer bescheuerter Spruch von Fassbinder, kann man immer noch, wenn man tot ist, was Blöderes hat man selten gehört, mit Ausnahme des anderen unmöglichen Satzes von, ja, genau, schon wieder RWF höchstselbst, der sich ungeniert zur medizinischen Koryphäe verstieg, weil er meinte, den Schlüssel zum Begreifen der weiblichen Migräne erlangt zu haben.
Die Pointe erspare ich mir, die ist an jedem bundesdeutschen Stammtische besser aufgehoben als hier an diesem Ort des Wahren, Guten und Schönen. Des Textes. Der sich in dunklen Gassen mit zwielichtigen Gestalten trifft, die ihn bezahlen oder eben auch nicht. Den Toten eigentlich gar nicht so unähnlich.
Gibt es überhaupt Stammtische im Jenseits?

Samstag, 21. Juli 2007

Rap und ich sind Freunde (nach wie vor)

Es sind schon fürwahr komische Zeiten, in denen unsereiner die Tage seines Lebens verbringen muß.
Rechthaberische „Tagesspiegel“-Feuilletonisten beenden ihre Artikel über den reunierten Freundeskreis mit einem verbalen Säbelhieb: „Der deutsche Hiphop ist in einem jämmerlichen Zustand.“
Das vor den Latz geknallt zu bekommen tut denen, die Rap und seine Kultur wirklich lieben (und dazu zähle ich mich), wohl in etwa so weh wie den Hinterbliebenen eines Verstorbenen, die in einem gehässigen Nachruf in der Zeitung über den Betrauerten das unverschämte Fazit lesen müssen: „Er war kein guter Mensch.“
Überhaupt fällt auf, daß die Berichterstattung über Altvordere wie die Fantastischen Vier oder Dendemann nur noch selten ohne die gleichzeitige Totalabgrenzung von der aggressiven jungen Berliner Szene auskommt.
Anstatt sich auf die Stuttgarter Kolchose selbst zu konzentrieren, nehmen gefrustete Existenzen das Wiederauftauchen und die Comebacks der verdienten 90er-Jahre-Recken immer wieder zum Anlaß, auf alles und jeden zu schießen, der vor der Ergreifung des Mikrofons nicht mindestens fünf Semester Philosophie studiert hat.
Sie trauern dem idealisierten Bild ihres ungelenken Helmut-Kohl-Ära-Reihenhaussiedlungs-Spaßrap hinterher – und somit in Wahrheit eigentlich nicht der Musik selbst, sondern nur ihrer Jugend.
Das Problem, welches Menschen wie ich haben, die mit dieser Kultur groß geworden und noch immer nicht bereit sind, sie einfach so beim spätestens dritten Hahnenschrei zu verleugnen, ist, daß der arme, oft gescholtene HipHop sich nicht mal wehren kann. Jeder darf alles über ihn behaupten.
Ich aber sage Euch, Rap in Deutschland ist still okay, ja, mehr sogar noch: er war nie lebendiger, vielschichtiger und wertvoller als heute.
Der deutsche Rap von heute besitzt alles, was man sich von Subkultur und Pop überhaupt nur wünschen kann: den Drang nach Rebellion und Veränderung, Angriffslust, soziale Wachheit, Spaß und Humor, Härte und Intelligenz. Die Mittelschichts-Monokultur der 90er ist einer wundervollen, facettenreichen Vielfalt gewichen.
Wer den vermeintlich guten alten Zeiten hinterhertrauert, ist nur zu faul, nach den für ihn noch immer relevanten Aspekten (die es weiterhin gibt) zu suchen. Früher lief A-N-N-A bei MTV, heute Frauenarzt, und das ärgert den landläufigen Meinungsgnom, der es nicht ertragen kann, wie bildungsferne Schichten eben die Musik zurückerobern, welche eigentlich von Anfang an genau für sie gedacht war.
Pseudointellektuelle bolzen gegen den Berliner Atzen-Rap, rudern aber gleichzeitig in ihren von schäbigsten Vorurteilen verblendeten Artikeln gleich auch immer wieder verbal ein Stück weit zurück, faseln dann was vom kalten sozialen Klima, welches ja solche verwahrlosten Zustände und sexistischen, gewaltbereiten und homophoben Menschen erst geschaffen habe – nur um ja nicht von abschätzig betrachteten Gestalten wie Massiv, MC Bogy oder MOK bei nächster Gelegenheit was aufs Maul zu kriegen.
Genau die aber wird das differenzierende „Einerseits / Andererseits“ wohl wenig interessieren, die lesen nur die Beleidigungen gegen sich heraus und pfeifen auf den restlichen soziologischen Überbau – wie ja auch die Hells Angels Mitte der 60er Jahre mit blanker Verwunderung auf das reagierten, was Hipster wie Ken Kesey oder Allen Ginsberg in ihre pöbelnde, bierselige No-Future-Bewegung auf Biegen und Brechen hineininterpretieren wollten.
Gerade der mediale und bildungspolitische Zirkus, der noch immer um Arschficksong und Verrohung der Jugend, schwulenfeindliche Texte und Gewaltpropagierung gemacht wird, beweist doch, daß HipHop noch lange nicht tot ist, sondern weiterhin enorme Sprengkraft besitzt – und somit zu Recht die legitime Nachfolge seiner inzwischen mehr als harmlos gewordenen großen Brüder Rock’n’Roll und Punk angetreten hat.
Der Rap von der Straße zeigt dem erschreckten Bürgertum die häßliche (sub-)proletarische Fratze einer Gegenwelt, welche dieses gerne aus seiner Wahrnehmung verbannen würde. Ghettos in Deutschland? Undenkbar, wenn man in der Zehlendorfer Stadtvilla wohnt. Würde man sich jedoch mal die Mühe machen, zwanzig Minuten mit der U-Bahn statt immer nur mit dem Audi zu fahren, rüber nach Neukölln oder in den Wedding, dann bekäme man schnell eine Vorstellung davon, wieso die jungen Leute sich ausgerechnet so artikulieren, wie sie es in ihrer Musik tun.
Es geht mir gar nicht darum, jeden noch so strunzdoofen Vertreter des Genres um jeden Preis zu verteidigen. Ein Machwerk wie „Keine Toleranz“ von Boss A und G-Hot etwa ist in der Tat unter aller Sau (spiegelt aber gerade dadurch die Meinung eines erschreckend großen Teils der heutigen Jugend leider ziemlich genau wieder). Das sind keine edlen Wilden, sondern bloß dumme Menschen mit häßlicher, inakzeptabler Weltanschauung.
Wichtig ist mir nur eins: die Verhältnismäßigkeit der Reportagen und Artikel – und gerade die ist in den sensationsgeilen deutschen Medien, was Rap anbelangt, schon lange nicht mehr gegeben.
Daß der bisher beste und sachlichste Artikel über die Berliner Untergrund-Szene mitnichten in den Hochburgen des vermeintlich anspruchsvollen Journalismus, sondern ausgerechnet in der nicht eben HipHop-affinen Studentenpostille „SPEX“ erscheinen mußte, spricht dabei ebenso Bände.

Samstag, 14. Juli 2007

Erinnerungssplitter

Die letzten Wochen waren nicht leicht, für keinen von uns.
Sarkozy nimmt drei Stufen auf einmal, ist anschließend außer Atem, schwitzt, grinst sich einen vor der Pressemeute und bekommt einen Schluckauf. Nachher heißt es, er sei betrunken gewesen. Dabei ist der gute Mann bloß unsportlich wie die Nacht. Und somit schon wieder schwer sympathisch.
Andere haben deutlich weniger Glück, denen nutzt auch ihr Charme nichts mehr. Die sitzen monatelang im türkischen Knast, wo der Midnight Express grüßen läßt, bloß weil sie mit einem vier Jahre jüngeren Mädchen geschmust haben. Herrgotthimmelarsch, meine letzte Freundin war ganze sieben Jahre jünger als ich, komme ich deshalb jetzt in die Hölle? Nun, wahrscheinlich schon.
Apropos junge Mädchen, da fällt mir glatt folgender Witz ein: Die 13jährige Tochter kommt zu ihrer Mama und will die Pille. Die Mutter darauf völlig entsetzt: Aber, Kind, wieso denn? Antwort der Tochter: Na ja, es ist jetzt zwei Jahre gut gegangen, und man soll sein Glück nicht überstrapazieren...
Doch mal im Ernst: Bevor William Shatner zu Captain Kirk wurde, drehte er einen Film namens Frühreife Generation. Das war vor über 45 Jahren. Schon damals lebten die Eltern hinterm Mond. The times they are a-changin’? Leider manchmal nicht schnell genug. Denn hier geht’s nun mal nicht um Mißbrauch, sondern bloß um einen Urlaubsflirt.
Unzucht mit Minderjährigen? Ja klar, schlimme Sache. Noch schlimmer aber: Eltern, die ihr schlechtes Gewissen bekämpfen, indem sie hinterher zur Polizei rennen, anstatt vorher lieber mal ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen. Stellt ihr euch anschließend scheinheilig vor die Fernsehkameras und heult rum: Sie ist doch noch ein Kind, schluchz schluchz, dann habt ihr aber auch davor gefälligst dementsprechend auf sie zu achten und aufzupassen.
Überhaupt: daß ausgerechnet DIE sich über das sexuelle Erwachen ihrer Kinder echauffieren – was Lächerlicheres gibt es doch gar nicht. Weil, ich sag mal so: Ihr habt selbst alle gefickt – oder wo kommen sonst eure Sprößlinge her? Es ist the same old story: Wasser predigen, Wein saufen, die olle Mumpe seit tausend Jahren.
Die BILD-Fraktion wirft der Türkei unterdessen so einiges vor, barbarische Zustände etc. Dabei will die Türkei doch nur allen beweisen, was für ein guter westlicher Rechtsstaat sie ist, mit ordentlichen Verfahren und allem Pi und Pa und Po. Bei den Fundamentalisten hätte es das alles nicht gegeben, die hätten wohl bereits die Strafanzeige nicht verstanden: 13 Jahre und Sex – ja und, wo ist das Problem? Nicht von ungefähr war die Braut des Propheten bei der Eheschließung erst acht Jahre alt.
Bevor deshalb jetzt aber die ersten Morddrohungen eintrudeln, machen wir uns zum Ausgleich lieber noch schnell ein paar andere Feinde und verkünden: Polen ist der Iran Europas. Nur, daß Ahmadinedschad nicht noch einen durchgeknallten Zwillingsbruder hat, sondern seine ganzen antiwestlichen Drohungen allein ausstoßen muß.
Ansonsten erinnere ich mich noch an dies und das: Beim Poker schlug ich sie alle, bloß weil sie am Spieltisch den Kopf verlieren, keine Geduld haben. All-in? Dein Pech. Mein Blatt ist besser. Drum her mit der Kohle. Sie hängen zwar den ganzen Tag am PC, doch brechen im wahren Leben sofort zusammen. Ts, ts, ts, diese Kinder.
Auch an anderen Orten scheint sich Erfahrung wieder auszuzahlen. Es ist nämlich so, daß die Rentner aktuell in die Kinos zurückkehren. Allerdings nicht als Zuschauer, sondern lieber gleich auf die Leinwand. Stallone, Bruce Willis, demnächst auch wieder Indiana Jones. Kommen und nehmen den jungen Leuten die Arbeitsplätze weg – also Vin Diesel etwa oder Jason Statham. Trotzdem, ich freu mich drüber. Nostalgie und Selbstironie waren schon immer ein süßes Pärchen, findet ihr nicht?
Im Garten saßen zeitgleich ein paar Glatzen. Riefen: Hier säuft der nationale Widerstand. Ich ließ sie.
Oben in Berlin gibt es Zoff wegen eines Musikvideos, das zu Gewalt gegen Polizisten aufruft. Der Rahmen der künstlerischen Freiheit sei hier klar überschritten worden. In einem Land, in dem die Freiheit der Kunst allerdings Grenzen kennt und in einen Rahmen gezwängt wird, will ich nicht leben.
Und dann hab ich noch die Autogrammstunde von Avril Lavigne verpaßt. Schade. Doch was soll’s? Sie ist ja eh schon verheiratet. Kommen wohl auch noch andere. Denn die 13jährigen sterben bekanntlich nie aus.

Samstag, 7. Juli 2007

Erstes Halbjahr 2007

Die Academy Awards. AC Mailand. Algerien. Anja Paerson. Anna Nicole Smith. Avril Lavigne.
Barack Obama. Beyonce Knowles. Blacksburg. Blood Diamond. Blumen. Boris Jelzin. Britney Spears.
Cameron Diaz. Cannes. Carl von Linné. Das chinesische Neujahr.
David Beckham. Dixie Chicks. Drachen. Dreamgirls. Drew Barrymore. DVD.
Earth Day. Emma Watson. Eurovision. Eva Longoria.
Fluch der Karibik. Ford Mustang. Forest Whitaker. Der Frühling.
Gerald Ford. Die globale Erwärmung. Golden Globe. Grand Canyon. Guantanamo.
Halle Berry. Helen Mirren. Henrik Larsson. Hillary Clinton. Hund.
James Brown. Jeep. Johnny Depp.
Kelly Clarkson. Königstiger. Kurt Vonnegut. Kylie Minogue.
LeBron James. Libanon. Lindsay Lohan.
Madonna. Mahmud Abbas. Michael Jackson. Michael Moore. Mr. Bean. Die Mondfinsternis. Morgan Tsvangirai. Muhammad Ali. Muttertag.
Naturwald. Nicolas Sarkozy. Nordirland.
Ocean’s Thirteen. Die Oscar-Nominierungen. Ostereier.
Paris Hilton. Paula Abdul. Peyton Manning. Pingu.
Russell Crowe.
Schimon Peres. Schmetterling. Ségolène Royal. Shrek 3. Simbabwe. Somalia. Sommer. Sonnenuntergang. Spiderman 3. SpongeBob Schwammkopf. Stirb langsam 4.0. Stockholm. Super Bowl.
The Beatles. Tony Blair. Treibhauseffekt.
Valentinstag. Venezuela.
Der Weltfrauentag. Whitney Houston. Der Wii-Controller. Will Ferrell. Winnie Puh.

Samstag, 30. Juni 2007

Ein Mädchen, das weiß, was er will

Gestatten: Loletta. Acht Jahre alt, Tendenz steigend. Grundstimmung: skeptisch, aber süß. Ein echter Schnuckel, kann ich Ihnen versichern, werte Leserschaft. Und nun, nach dieser Exipedition, kann’s auch schon losgehen. Text ab, bitte.
Im Verkaufsraum tummelten sich die abgehalfterten Vorabendseriendarsteller. Der Steinbruch lag mittenmang nebenan.
Loletta, noch ungeübt im Gebrauch ihrer schönen langen Fingernägel, trat aus Versehen eine Sprudelflasche um. Regen prasselte auf das Vordach, pardon, richtig muß es natürlich heißen: Vorhaut. Denn Lolettas Herr Papa lag mal wieder nackig im Garten, FKK, freie Körper für freie Bürger. Braun würde er davon zwar nicht werden, aber immerhin rostig.
Mit ihrer buckligen Verwandtschaft hatte Loletta schon ein gutes Paket zu tragen. So ein kleines Mädchen und so viel Gepäck. Von den Gottschalk-Brüdern fehlte mal wieder jede Spur. Typisch. Auf nichts ist Verlaß, wenn man es mal braucht. Nicht mal auf das Verlassenwerden.
Egal, erst mal rübergemacht in die Küche, die sogenannte gute Stube. Muttern stand am Herd und kochte irgendwas mit Rübenkraut. Dazu Klänge aus dem Volksempfänger.
Dort im Radio dudelte soeben der neueste Foxtrot der amerikanischen Stimmungsmusikerin Rihanna. Ihre Unterhaltungskunst ließ freundliche Bilder von regennassen Straßen, pitschepatsche Füßen und groß genügenden Regenschirmen für Zwei vor dem geistigen, gichtigen Auge entstehen. Ella, ella, e, e. Schubidu.
Jedoch klang der dazugehörige Soundteppich mitnichten nach Swing in Paderborn, sondern mehr nach elektronischer Auslegeware, hart, kalt und zugeknallt. Das sollte die Liebe im 21. Jahrhundert sein? Loletta bekam es faustdick mit dem hartnäckigen Frösteln der frühen E-Milch zu tun. Halbfett, aber voll Emo.
Morgen war schon wieder ein Tag. Das Gewitter konnte kommen.

Freitag, 22. Juni 2007

Sadismus ist nur ein Wort

Kaltes Wasser macht wacher, warmes Wasser macht sauberer. Dazwischen gibt es nichts. Man kann nicht alles haben im Leben.
Und doch soll keiner sagen, man könne in diesem Puff nicht auch noch was lernen: So dürfte ab heute überall unterhalb meiner Leserschaft bekannt sein und als ebenso auch vorausgesetzt werden, daß Frankreich das touristisch am besten erschlossene und ausgelastete Land der Welt ist mit über 50 Millionen Spaten von Ganzweitdraußen und gerne auch mal Fremdher, die da jedes Jahr durch die Lande kreuchen.
Viel besser hat es da doch Südkorea. Das ist nämlich der Staat mit den weltweit meisten Mitgliedern in öffentlichen Bibliotheken. Über zwei komma eins Millionen Schlitzaugen lesen gerne Bücher, ohne sich diese dafür gleich kaufen zu müssen. Da kann man richtig was an Asche sparen. Schlaues Volk, yes indeed.
Und die Deutschen? Bleiben hinter all dem zurück. Machen langweilige rothaarige Mathematikstudentinnen aus Bayern zu ihren Aushängeschildern. Glauben jeden Scheiß. Selbst, wenn man, sich das Lachen nur mühsam verkneifend, salbadert: Modeln ist wirklich ein anstrengender Beruf. Knallhart ist das und total heavy, sag ich dir. Aber wem sag ich das? Teilweise kriegt man da als Model am Tag wirklich nur zehn Stunden Schlaf... Hihi. Aber lustig ist das alles nicht, denn wo die Frau zum Bundeswehroffizier geht, läßt der Rotarmist das letzte Fünkchen Hoffnung fahren.
Sadismus ist nur ein Wort. Und doch brauchen wir mehr Schmerz. Und diesen eimerweise. Tag für Tag. Immer her damit. Mehr, gib mir mehr. Gesegnet sei der, welcher uns den Schmerz gibt. Der uns erniedrigt durch und durch.
Nur die Hölle ist für unsereins gut. An allen anderen Orten ist nicht zu leben. Ohne das lodernde Feuer werden wir zu zart, werden womöglich gar noch zu Steinen.
Der Schmerz aber ist unsere Seele, unser Wesen, unser Blut, unser Geist, unser Gott.
Ja, der Schmerz selbst ist zu Gott geworden. Und das träge Fleisch wurde zur Liebe.
Da ist nichts mehr zu verstehen, man muß es schon glauben.

Freitag, 15. Juni 2007

Kein Mann für eine Nacht

Heute morgen stand etwas über mich in der Zeitung. Die Überschrift lautete: Deutsche Männer interessieren sich immer weniger für Sex. Yessir, so sieht’s mal aus.
Wer genau hinsieht, erkennt heutzutage an den Herren der Schöpfung deutlich einen neuen, aufregenden Trend: den hin zu einer neuen Prüderie. John Cassavetes wußte es schon immer, der war bereits in den 1960ern zu dem Schluß gekommen, daß jede Frau besser aussieht, wenn sie Klamotten anhat, als wenn sie nackig vor einem steht. Langsam sickert dieses Wissen nun auch in unsere Gesellschaft ein.
Die Frauen jedoch sehen gar nicht ein, warum sie sich plötzlich bedecken sollten. Sie haben schließlich jahrzehntelang verbissen dafür gekämpft, auch mal blank ziehen zu dürfen. Schlechte Manieren an den Tag legen, das erscheint ihnen heute als höchste Form der Emanzipation.
Eine Umfrage des Kondomherstellers Durex ergab: Jeder dritte Mann würde für Geld auf Sex verzichten – und das lebenslänglich. Ich reihe mich da gern ein, denn auch mir ist schon seit langem die Lust vergangen.
Drei Viertel aller Männer finden es in Ordnung, wenn im Bett mal weniger läuft. Bei den Damen sehen das hingegen nur 58 Prozent so. Gar jeder zweite Mann freut sich sogar mehr auf das Vorspiel als auf den Vollzug an sich. Und jeder Vierte knipst, wie zu Großmutters Zeiten, das Licht aus, wenn es zur Sache geht. Mann, übermüdet von der tagtäglichen medialen Bilderflut, will die Frauen auch gar nicht mehr sehen. Schließlich kennt er doch schon alles. Die holde Weiblichkeit aber will dies nicht auf sich sitzen lassen: Schon fordern 43 Prozent der Frauen energisch, daß er sie gefälligst nackt ansehen soll, so wie sie sind.
Und jeder fünfte Herr befürchtet gar, daß seine Partnerin öfter Sex haben will als er. Und womit? Mit Recht. Denn mit dem Rückzug der Männer geht zugleich ein Prozeß der gesteigerten Unverschämtheiten auf Seiten der Frauen einher, die immer aggressiver ihre sexuellen Wünsche artikulieren und regelrecht mit Schaum vor dem Mund auf ihren anvisierten Adonis losgehen, der es ihnen doch gefälligst besorgen soll. So zur Brust genommen, wundert es nicht, daß dem Knaben dann auch noch der letzte Rest der Libido schlagartig schwindet.
Die Frauen von heute beklagen sich darüber, noch nie von einem fremden, sympathisch wirkenden Mann angesprochen worden zu sein. Ihre Verwunderung darüber würde sich in Grenzen halten, wenn sie ab und an mal kritisch in den Spiegel schauen würden.
Gerade die jungen Dinger sind es, die sich nach den überkommenen Männlichkeitsbildern sehnen, welche ihre Mütter vor über dreißig Jahren endgültig in die emanzipatorische Tonne gekloppt haben. Am liebsten würden sie mal wie die Tiere rammeln wollen und von einer fleischgewordenen Naturgewalt, die sie erobert wie eine Großmacht einen Zwergstaat, vernascht werden.
Darauf können sie allerdings lange warten, denn Testosteronhengste gibt es nicht mehr. Die Männer sind jetzt einfühlsam und gelassen, sie können kochen und putzen und sind somit letzten Endes feminin.
Der gefühlsbetonte Bruce Darnell ist das Vorzeigemodell unserer Zeit und nicht mehr Arnold Schwarzenegger als grunzender Barbar Conan. Harter und dreckiger Analsex ist nicht mehr, die Dampframme hat ausgedient.
Männer machen nun das, was früher nur die Frauen taten: Sie lassen die Damen zappeln, lächeln scheu und locken sie erst an, um sie dann doch abzuweisen.
Mann sitzt bei der Madame daheim auf der Bettkante, sie hält es vor Erregung kaum noch aus und ist bereit, sich ihm hier und jetzt hinzugeben – da fällt ihm auf einmal ein, daß er sie jetzt, beim zweiten Date, vielleicht doch noch nicht ausziehen will, sondern erst mal in Ruhe kennenlernen, als Mensch.
Wer die jungen, modernen Herren von heute erobern will, dem muß klar sein: Ohne Gefühl geht es dabei nicht. Ihre Körper bekommt nur, wer auch ihr Herz will. Die Frauen werden sich darauf einstellen müssen.

Samstag, 9. Juni 2007

Im Vertrauen

Nach der Werbepause kamen welche zu mir, die wollten einen Artikel zur Weltlage. Ich machte mir keinen Reim drauf. Sondern tanzte lieber ein Gedicht.
Obacht, Titel folgt: Blauer Bock statt Schwarzer Block. Nun noch dazu Text: Putin doof, attac doof, Krieg böse, Bob Geldof geh weg. Gutmensch stinkt, Schlechtmensch trinkt. Das Letzte, was die Welt braucht, ist noch ein Konzert für Afrika. Wir sind Helden und ihr nicht. Hallo G8: Keiner will mit dir spielen. Hallo Demonstrant: Kein 18jähriger sollte sich einbilden, zu wissen, wie die Welt organisiert sein muß. Gedicht aus.
Danach plauderte ich mich in die Beliebigkeit.
Wo wir schon mal so gemütlich beisammensitzen, will ich euch eins verraten: Wir müssen uns Casanova als glücklichen Menschen denken. Ja wieso eigentlich? Nur wegen des Gesichtsausdrucks beim Nageln? Zugegeben, Jesus hatte dabei deutlich weniger Fun. Aber der war schließlich auch nicht zum Aktivurlaub nach Golgatha gepilgert. Trotzdem, trotz allem: ein alter Hut. Doch woher die neuen nehmen und nicht stehlen?
Selbst der olle Sgt. Pepper ist nun schon stramme 40 geworden. War damals schon eine ausgemachte Scheißplatte und ist es heute natürlich immer noch, wieso auch nicht? Und doch sitzt sie breitbeinig, selbstverliebt und dickärschig im verkommenen Pop-Kanon herum, haha, Pop-Kanon, ich lach mich tot, ein Widerspruch in sich, so wie schwarzer Schimmel oder politische Korrektheit oder ehrlicher Vorstandsvorsitzender.
Die Arriviertheit kommt und legt sich über alles, als wäre ihr Name Mehltau. Daß diese alte Brunze, Frau A., mit den Jahren unweigerlich über allem entsteht, und alle Leute sich deshalb daran zu gewöhnen versuchen, weil sie sich halt daran gewöhnen müssen, macht die Sache ja bloß noch trauriger und elender. Aktuell betreibt Paulchen aus Liverpool unsaubere Geschäfte mit Ahabs Kaffeerösterei. DJ Ötzi hätte das nicht nötig, ebenso wenig wie Scooter.
Mein Leben ruinieren, das kann ich inzwischen ganz gut selbst, und doch besitzt es einen gewissen Reiz, die Häscher vom Erschießungskommando vor den Büros der Musikzeitschrift aufmarschieren zu sehen.
Hat das jemand mitgeschrieben? Gut. Wenn nicht: noch besser.
Ein Mensch, der mich mag, kommt rüber und rät mir: Ach, liebes Schreiberlein, hör mir doch auf mit deinem Argumentationsspasmus.
Okay, das kickt, und ich will auch nicht so sein, meinetwegen, deinetwegen. Dann eben heute abend kein Text mehr. Und dafür doch Ping Pong.

Samstag, 2. Juni 2007

Sturm

Die Boshaftigkeit des Lebens greift mich an und spiegelt dabei doch nur meine eigene. Ich fühle mich verschaukelt und nehme allgemeine Naturereignisse als persönliche Beleidigung entgegen.
Gestern war ich fuchsteufelswild, früh am Nachmittag verfinsterte sich der Himmel, Regen brach herab, als wollte er die ganze Welt zerschlagen, uns alle miteinander ertränken für Dinge und Verfehlungen, an die wir uns längst nicht mehr erinnern können. Ein Sturm zog auf, die Bäume rauschten, doch bogen sich vernünftigerweise lieber im Wind, für den sie nichts konnten, anstatt halsstarrig zu bleiben und in ihm zu zerbrechen. Blitze zuckten, fernes Grollen, dann nahes Zerreißen, Bersten der Luft, Schreckmomente, Herzstillstand, fast.
Erst am Wochenende hatte uns der Satan der Lüfte, von vielen euphemistisch als Wettergott in ihren Annalen geführt, mit kirschgroßen Hagelkörnern eingedeckt, gestern gab er uns dann des nahenden Weltuntergangs zweiten Akt.
Und doch blieb alles bestehen, und wie eine alte abgewrackte Hure, die sich mit dem Tuschkasten das verzerrte Maul bepinselt, um wie hinter einer Maske ihr wahres Gesicht zu verbergen, so setzte auch die Natur kurz darauf wieder ihr bestes und falschestes Sonntagslächeln auf.
Der Regen setzte aus, die grauschwarzen Wolken schlüpften fort und hinterließen an ihrer statt einen schwachblauen Himmel, Vögel zwitscherten, als sei das Leben etwas Begrüßenswertes.
Ich aber konnte in diesem Moment diese beiden derartig voneinander abgetrennten Entwürfe nicht gemeinsam denken und geriet völlig außer mir über die friedliche stille Welt nach dem Tosen. Der sicher geglaubte Untergang, die Peitschenhiebe des Windes, das nahende, drohende Sterben, das metrologische Amoklaufen erschien mir als die wahre, unverstellte Fratze der Welt, die anschließende Ruhe verdammte ich als falschen Budenzauber, nur dazu da, die Törichten unter uns noch ein Weilchen in falsche Sicherheit zu wiegen.
Ich kann die Gegensätze nicht verbinden, für mich gibt es jetzt nur noch Schmerz, Leid, Tod und Vernichtung. Erneutes Glück nach erlebter Enttäuschung ist Illusion, Leben auf diesem Planeten außerhalb meines Zimmers gibt es nicht.
Schönes und Schlimmes gehören nicht zusammen, ich verdamme Euren freundlichen Buddhismus in Grund und Boden, kann ihn nicht für mich als Gedankenmodell annehmen, will lieber mit Eisen ins Holz geschlagen werden, aufgespießt, gepfählt, gekreuzigt für meinen Starrsinn.
Wie kann die Natur nur so grausam sein, leben und sterben gleichermaßen zuzulassen? Daran zerbrach ich an diesem Nachmittag und hörte auf zu fühlen. Nun bin ich der letzte Schnappatmer und schreibe auf einem verglühenden Stern meine finalen, bald verlöschenden Notizen. Das ist der Wahrheit.

Samstag, 26. Mai 2007

Vier Frauen

Zuerst war da Anni. Blond, süß, aber total anstrengend. Ich fragte mich, ob sie wohl jemals aufhören würde zu reden. An einem lauen Sommerabend saßen wir in einem überfüllten Café. Die studentische Hilfskraft, die hier vor sich hinkellnerte, war eindeutig mit der Situation überfordert, und ich war es auch. Daß sie mir auf die Nerven ging, merkte Anni wohl gar nicht. Sie redete und redete, davon, daß Brad Pitt doch wohl ein echter Traummann sei und sie eifersüchtig auf Angelina Jolie, daß Rot ihr gut stehe, darum auch der Nagellack, daß sie fünf Katzen habe und überhaupt sehr verschmust sei. Ihr Zukünftiger müsse nicht nur sie, sondern auch ihre kleinen Tigerchen lieb haben. Ich bestellte einen Espresso nach dem andern und lag später, vom Koffein, lange wach. Allein.
Danach kam Barbara. Hätte sie behauptet, sie wäre Moderatorin auf MTV, ich hätte es ihr sofort geglaubt. Rote Haare, tolle Figur, kristallklare Augen. Unübersehbar hübsch, und das mitten im Oktober in einer Pizzeria. Du mußt dich natürlich anders anziehen, sagte sie zu mir und deutete dabei auf meine Jeans und mein dunkles T-Shirt. Und dein Rasierwasser riecht zu stark, das muß auch weg, forderte sie weiter. Die Lasagne stand noch nicht auf dem Tisch, da machte sie mir schon deutlich, daß Fußball gucken gar nicht in Frage käme. Und, stellte sie mindestens ebenso unmißverständlich klar, während sie in ihrem Salat stocherte, ich bräuchte dringend eine andere Frisur. Ich stellte mir vor, wie sie wohl nackt aussieht und hörte einfach nicht mehr zu.
Fiona wiederum hatte auf dem Weg zu unserer Verabredung ihren Seidenschal verloren und fluchte wie ein Rohrspatz vor sich hin. Es war Februar, der Schnee lag ungewöhnlich hoch. Noch bevor wir bestellten, sagte sie schon, daß sie dieses Leben satt habe. Ihre erste Frage war: Kannst du dir eigentlich einen Porsche leisten? Nun, ich konnte es nicht. Da stand sie gleich wieder auf. Das muß dann wohl ein Versehen sein, meinte sie. Die Partneragentur hat da wohl etwas durcheinandergebracht. Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und lief mitten hinein in das vollbeladene Tablett des Kellners. Rotwein- und Kaffeeflecken auf ihrem Mantel, in ihre Locken hatte sich eine einsame Nudel verirrt. Mach doch was, schrie Fiona mich an. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich zog meine Jacke über, zahlte und ging.
Zuletzt Hana. Mit der war es eigentlich ganz schön. Juni oder Juli. Wir saßen im Englischen Garten, es war die Stunde der Abenddämmerung, der Mond spiegelte sich schon im Kleinhesseloher See, Glühwürmchen und Mücken wuselten um uns in der Luft herum. Als plötzlich eine große schwarze Dogge näher kam, kuschelte sich Hana auf einmal an mich. Ein Spaziergänger pfiff das Tier zurück, doch Hana blieb auch danach noch in meinen Armen. Ich strich ihr durch die seidigen braunen Haare, über die Wange, dann ein erster zaghafter Kuß auf ihren großen schönen warmen Schmollmund. Sie sagte, sie hätte es gleich gewußt, daß ich der Richtige sei. Der Vater ihrer Kinder. Weitere romantische Treffen folgten, ein Picknick, ein gemeinsamer Theaterbesuch, Händchenhalten im Freilichtkino, Wandern in den Bergen. Zwei Wochen vergingen auf diese Weise, unsere Küsse wurden intensiver, dann meldete sich Hana nicht mehr. Warum, habe ich nie erfahren.

Samstag, 19. Mai 2007

Buttermilch mit Paul Watzlawick

Ich traf Paul Watzlawick zum letzten Mal wenige Wochen vor seinem Tod. Er sah, ausgezehrt von seiner langen Krankheit, schlecht aus, aber gut, Krebs kommt in den besten Familien vor.
Wie wir so nebeneinander in den Korbstühlen auf seiner Veranda saßen und dem Sonnenuntergang entgegenblinzelten, erzählte er mir mal wieder seinen Lieblingswitz, den von dem Mann, der alle zehn Sekunden in die Hände klatscht, und wenn man ihn fragt, warum er das tut, antwortet: Um die Elefanten zu verscheuchen. Aber welche Elefanten denn bitte? Darauf der Irre: Na also! Sehen Sie!
Das war natürlich kein Brüller im klassischen Sinne, aber für ein Schmunzeln meinerseits reichte es jedesmal wieder aufs Neue. Paul und ich, wir verstanden uns einfach, was unsere Didaktik anging.
Diesmal war ich mit einem zwischenmenschlichen Problem zu ihm gekommen, ich schilderte ihm meine unglückliche Liebe zu dem jungen blitzgescheiten Mädchen, das alle seine Bücher gelesen hatte.
Schade, daß ich nie solche Mädchen kennenlerne, meinte Paul, lächelte dabei in sich hinein und nippte an seiner Buttermilch.
Was soll ich denn nun mit ihr machen? fragte ich ihn und riß ihn damit augenblicklich wieder zurück ins Hier und Jetzt.
Vielleicht willst du ja gar nicht, daß sie dich liebt, gab er mir zu denken, sondern bist zufrieden mit den ständigen Demütigungen und Abweisungen. Erinner dich nur mal an Martha und George bei Edward Albee.
Nun, Paul, sagte ich, nachdem ich allen Ernstes ein Weilchen darüber nachgedacht hatte, das kann ich diesmal, glaube ich, ausschließen.
Mein lieber Freund, setzte Paul von neuem an, du mußt zusehen, daß du einen Verständigungsprozeß zu ihr herstellst. Das ist der Rat, den ich dir geben kann. Und vergiß nicht: Nimm es leicht, das Leben ist schon hart genug. Laß dich von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen. Es wäre nicht das erste Mal, daß das sanfte Wasser eines Flusses einen massiven und unbezwingbar wirkenden Berg aushöhlt. Laß dir und ihr Zeit. Solange ihr zwei am Leben seid, besteht Hoffnung. Und vor allem: Bleib bei dir selbst, denn dann kannst du sie gar nicht enttäuschen, du Teufelskerl.
Er verpaßte mir einen Knuff in die Seite. Ich lächelte.
Zum Abendessen wollte ich schon nicht mehr bleiben. Wir gaben uns die Hand, und ich ging die Auffahrt hinunter.

Samstag, 12. Mai 2007

Herr Köhler und Herr Klar

Ein wenig mulmig war Horst Köhler schon zumute, als er die Zelle von Christian Klar in Bruchsal betrat.
Gemütlich haben Sie es hier, Herr Klar, sagte Herr Köhler beim Anblick der vor ihm liegenden spartanischen zwölf Quadratmeter, was aber mehr der Höflichkeit als der Wahrheit geschuldet war.
No jo, sagte der ehemalige Terrorist, man gewöhnt sich an alles, selbst an die faschistischen Haftbedingungen im Schweinesystem. Und dann, gleich viel freundlicher: Mögen Sie ein Stück Kuchen, Herr Bundespräsident?
Ach ja, bitte gern. Vielen Dank, Herr Klar.
Der Inhaftierte war, wie er da dem Präsidenten ein besonders saftiges Stück Erdbeerkuchen auf den Teller bugsierte und ihm eine Tasse bolivianischen Hochlandkaffee einschenkte, wirklich ein aufmerksamer Gastgeber. Aber Kunststück, hatte er sich doch, einem von der Sehnsucht gepeinigten, unglücklich Liebenden nicht unähnlich, jahrelang gewissenhaft auf diesen einen Nachmittag vorbereitet.
Um die nun eintretende, leicht peinliche Stille auszufüllen, fragte Herr Köhler zwischen zwei Bissen Erdbeerkuchen: Haben Sie eigentlich auch diesen furchtbaren, vor Verachtung triefenden Scheißartikel von Franz Josef Wagner über unser Meeting hier gelesen, Herr Klar?
Ja, aber natürlich, Herr Bundespräsident, die BILD gehört schließlich zu meiner Leib- und Magenlektüre. Man muß doch seinen Feind kennen, also: die Schweine von der Springerpresse.
Ich fand das einfach nur widerlich, sagte Herr Köhler. Was dieser Wagner sich überhaupt herausnimmt...
Ich könnte ihm ja mal, nach meiner Freilassung, versteht sich, mit dem Motorrad hinterherfahren, wenn Sie mögen, schlug Herr Klar freudig erregt vor.
Das ist wirklich ein nettes Angebot, fand Herr Köhler, der einen Moment ernsthaft darüber nachzudenken schien, aber lassen Sie mal.
Er aß in Ruhe seinen Kuchen auf und rieb sich anschließend die Hände.
Also meinetwegen würde ich Sie jederzeit begnadigen, Herr Klar, sagte Herr Köhler dann und zog bei diesen Worten bereits das vorbereitete Schriftstück aus der mitgebrachten Aktentasche. Ich muß nur noch eben schnell unterschreiben...
Halt, halt, Herr Präsident, nicht so schnell, insistierte Klar.
Herr Köhler sah ihn verwundert an.
Ich habe, Herr Präsident, in den letzten Wochen viel ferngesehen, erklärte sich Herr Klar. Alice Schwarzer, der kleine Eisbär Knut, Deutschland sucht den Superstar und Heidi Klum ein neues Mannequin... also ich muß sagen, dieses Land macht mir Angst. Das ist nicht mehr meine Bundesrepublik. Da bleibe ich doch lieber noch ein wenig hier in meiner kuscheligen Zelle. Meine vier Wände beschützen mich ja auch schließlich so ein bißchen vor all dem da draußen. Und außerdem habe ich unheimlichen Schiß davor, bei Peymann ein Praktikum ablegen zu müssen. Ich finde den nämlich, Hand aufs Herz, total doof.
Das kann ich gut verstehen, sagte Herr Köhler und nickte dabei, der Würde seines Amtes entsprechend, andächtig. Und weiter: Geht klar, Klar.
Mit diesen Worten zerriß er den Vordruck der Gnadenentscheidung und warf die Fetzen wie Konfetti am Rosenmontag hoch in die Zellenluft.
Dann verabschiedete man sich voneinander.
Köhler flog zurück nach Berlin, und Klar las noch ein bißchen in Erich Fromms Haben oder Sein.

Samstag, 5. Mai 2007

Dörtes vaginaler Technoinzest

In der Zeitung las sie zum Frühstück, daß noch nie ein Mann die Weltmeisterschaft im Topflappenhäkeln gewonnen hat. Danach hatte Dörte Densing sofort wieder gute Laune. Die meisten Typen konnte man doch sowieso in der Pfeife rauchen.
Bevor sie ins Büro ging, genehmigte sie sich noch einen Lapacho-Tee, aus der inneren Rinde der Pao-Darco-Bäume, mit hohem Anteil wichtiger Mineralstoffe und Spurenelemente. Und schmecken tat er auch noch. Um es auf den Punkt zu bringen: die Dörte war mal wieder echt supidupi drauf.
Überhaupt war sie, obwohl zugezogen, mittlerweile eine waschechte Berlinerin, wie sie im Buche steht. Wo sie hinlächelt, grünt der Grunewald.
Trotzdem ließ sie sich, bei aller Beschwingtheit, kein X für ein U vormachen. Denn, wenn sie auch sonst nicht viel wußte im Leben, so wußte sie doch zumindest eins: Mit den meisten Versprechungen ist es ein bißchen so wie mit der Musikgruppe Vaginal Techno Incest. Als Verheißung klingt das zunächst mal irre toll und spannend, aber nachher ist man dann doch enttäuscht, wenn man erst mal reinhört und merkt, daß das eine ziemlich schnarchige Akustik ist. Und nicht anders war es doch auch mit den ganzen Märchenprinzen. Am Ende des Tages gibt der Mann der vermeintlichen Träume meist doch nichts her.
Auf ihrem Anrufbeantworter, der ja bei genauer Betrachtung bloß ein Entgegennehmer ist, fand sie abends nach der Arbeit eine Nachricht vom Berliner Zoo.
Liebe Besucher, hieß es dort, denken Sie dran, es gibt so viele schöne Tiere bei uns. Schauen Sie sich die doch auch mal an. Den kleinen Malaienbär Ernst zum Beispiel. Gerade vier Monate ist er alt. Es muß nicht immer Knut sein.
Die unbekannte Stimme hatte so verdammt noch mal recht, daß Dörte plötzlich ganz blümerant zumute ward. Sie brach in Freudentränen aus. Aber vom Feinsten.