Montag, 17. September 2007

Die heilige Britney der Schlachthöfe

Der ehemalige Musiksender MTV hatte geladen, und alle, alle kamen sie. Selbst Britney Spears, seit drei Jahren bühnenabstinent und zuletzt eher durch postnatale Depressionen, Aufenthalte in der Reha, den Verzicht auf Unterwäsche und radikale Lösungen für Frisurprobleme, denn durch ihre Musik aufgefallen. Ein Abend bei den Video Music Awards. Das also sollte das große, strahlende Comeback werden. Es kam jedoch ganz anders.
Britneys nervöser Auftritt gehörte wahrlich nicht zu den Sternstunden in der Geschichte des Musikfernsehens – was aber letzten Endes eigentlich auch schon wieder egal sein kann, zumal MTV selbst sich schon lange nicht mehr der Videoclip-Kultur widmet, sondern lieber den ganzen lieben langen Tag hindurch dritt- und viertklassige US-Formate abspult, in denen abgehalfterte Promis und ihre Familien vorgeführt werden oder aber man die amerikanischen Dating-Gepflogenheiten zelebriert. Wenn man beim Zappen Glück hat, läuft gerade eine Wiederholung von South Park oder Xzibit motzt mal wieder eine alte Rostlaube auf. Mit Musik hat das alles indes wenig zu tun.
Und so verwundert es auch nicht weiter, daß die Hauspostille namens MTV News sich schon vor Jahren auf die reine Verbreitung von Klatsch, Tratsch und anderem Gossip verlegt hat. Eigentliche Musikberichterstattung ginge jedenfalls anders – aber Musik kommt bei MTV, home of the Klingeltöne, sowieso nicht mehr vor.
Im Falle der sichtlich verunsicherten Spears bot sich dem Sender nun, als alles vorbei war, ein wahrlich schmackhaftes gefundenes Fressen. Das Nachtreten begann bereits im unmittelbaren Anschluß an Britneys Performance, als die amerikanische C-Komikerin Sarah Silverman, vor deren Fäkal- und Vaginahumor selbst Ingo Appelt in seinen besten Zeiten entsetzt zurückgewichen wäre, genüßlich über das gefallene Pop-Sternchen herzog. Der Saal johlte, und mit ihm Millionen von gehässigen Fernsehzuschauern in aller Welt.
Wie bösartig sogenannter Fernsehjournalismus wirklich sein kann, zeigte sich dann in den nachfolgenden Tagen, in denen die Spears beinahe im Alleingang die „Nachrichten“-Sendungen bei MTV füllte. Jeden Tag tauchten neue haarsträubende Gerüchte auf, Verschwörungstheorien darüber, warum dieser Drei-Minuten-Auftritt so dermaßen in die Hose ging. Britney habe sich nicht vernünftig vorbereitet, sondern lieber Margaritas geschlürft, nein, halt, noch besser, sie hätte unter Medikamenteneinfluß gestanden und sich vorher dermaßen zugedröhnt, daß es selbst einen ausgewachsenen Elefantenbullen umgehauen hätte. Hoho. Gröl. Was für ein Haufen armseliger sensationslüsterner Wichser.
Die Böhsen Onkelz, sonst ja eher keine Bank in Sachen Vorbildfunktion, scheinen also zumindest ein Mal in ihrer Karriere doch Recht behalten zu haben, als sie einst forderten: Keine Amnestie für MTV. Wenn Britney in diesem Geschäft in Zukunft weiter überleben will, sollte sie jedenfalls schleunigst lernen, die Hand zu beißen, die sie früher mal gefüttert hat.
Im Lande Pop bleibt somit alles beim Alten: Erst bauen sie dich auf, nur um dich hinterher richtig schön fertigmachen zu können. Bereits im antiken Theater jedoch lernten wir, daß dabei die Fallhöhe stimmen muß. Im Falle der völlig neben der Spur laufenden Frau Spears ist diese aber schon seit Jahren nicht mehr gegeben.
Als junges Mädchen wurde sie von MTV hochgejubelt und zelebriert – nun, mit Mitte zwanzig, ist sie, gemessen an den Standards des verlogenen Pop-Geschäfts, alt und reif für die Schlachtbank. Kuck mal, wie dick die geworden ist, raunen sich die schwabbeligen Fettis vor der Glotze gegenseitig zu, bloß weil Britney nach zwei Geburten, wen wundert’s, nicht mehr so bulimisch daherkommt wie etwa Keira Knightley. Achtundneunzig Prozent derer, die nichts Besseres zu tun hatten, als hämisch über das Gewicht und Aussehen der Spears abzulästern, würden in Wahrheit für einen solchen Look töten.
Vielleicht braucht die gefallene Prinzessin vom Lande Pop wirklich Hilfe. Bei MTV jedoch, diesem sendergewordenen Haufen Scheiße mit einem Niveau irgendwo zwischen schlechtem Stil und absolut den Arsch offen haben, bekommt sie diese mit Sicherheit nicht.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

MTV ist für mich mittlerweile ebenfalls zu einer großen Enttäuschung geworden. Früher habe ich mich über VIVA lustig gemacht und mich geärgert, dass die wenigstens teilweise Sinn gebenden VIVA-Spartenkanäle abgewürgt wurden. Gibt ja MTV.
Mittlerweile weiß ich nicht mehr, wofür das M in MTV eigentlich stehen soll (Müll TV?). Überflüssigen Schrott mit Hintergrundmusik gibt's schließlich auch auf 9live.

Anonym hat gesagt…

Äh, 9live. Ich meinte natürlich: DMAX, auch wenn 9live noch viel, viel schlimmer ist.