Dienstag, 24. März 2009

Elektrisches Geheul V

Dem langen harten Ritt folgte ein beklemmendes Ausgeliefertsein an die Wäscheklammern der guten Hoffnung.
Schmutz stellte schon längst keine Verführung, keine Herausforderung mehr dar.
In einem ranzigen gelben Straßencafé nahmen wir den frühen Speck einer glorreichen Vergewisserung zu uns.
Ertranken beinahe auf dem harten Pflaster und legten uns in der Kaffeekanne schlafen.
Du träumtest unruhig.
Von Molekülen und Lavaausbrüchen.
Während deine Augenbrauen langsam zusammenwuchsen, sah ich dir von der Seite zu.
Ich vergaß für einen Moment, wie vergeblich das alles hier war.
Im Grunde sehntest du dich nach Bewunderung.
Doch wir beide wußten, daß du sie bei mir niemals kriegen würdest.
Das Befolgen der Sicherheitsvorschriften hatte mich nicht ein einziges Mal vor der aufdringlichen Werbeunterbrechung retten können.
Grausames Katzenfutter und das natürliche Wohlbefinden hatten sich frisch geduscht.
Sie erschienen rasiert und hatten ihren besten Anzug angezogen.
Bloß die Intimtücher ließen noch auf sich warten.
Wahrscheinlich standen sie im Stau.
Oder schmierten eben jetzt unleserliche Anzüglichkeiten an Hauswände.
Die roten Turnschuhe bündelten ihre launigen Energien.
Mit dem Fernglas besahen sie sich angestrengt die Spuren einer ersten zaghaften Liebe.
Die verfallenen Ruinen der Zärtlichkeit.
Wahrscheinlich war sie mittlerweile längst beschäftigt mit dem ewigen Abwasch.
Kostenlos würde hier heute jedenfalls niemand mehr zur Prinzessin werden.
So viel stand mal fest.

Montag, 16. März 2009

Elektrisches Geheul IV

Niemand weiß, wie ich wirklich bin.
Ich habe mir auch nie die Mühe gemacht, irgend jemanden einzuweihen.
Da braucht man sich am Ende über Einsamkeit nicht zu beklagen.
Noch immer liefen die Trüffel aus.
Davon ließen sie sich auch durch gutes Zureden nicht mehr abbringen.
Zähe kleine Bastarde.
Das Korallenriff war defekt.
Und den Zuschlag für den Meerblick konnten wir nicht aufbringen.
Bitte verlassen Sie unser Etablissement.
Das stand dem Kellner dort drüben mitten ins Gesicht geschrieben.
Unnötig, es auszusprechen.
Wir hatten uns schon zuvor ausgestoßen gefühlt.
Der Notausgang war versperrt durch einen sizilianischen Schnellkocher.
Hier hin hatte er sich auf sein Altenteil zurückgezogen.
Er küßte geduldig die weiß gekachelte Tasse im Auffangbecken des Schreckens.
Ich stand daneben und wußte nicht, wohin mit mir.
Also atmete ich rasselnd ein.
Und wartete auf ein Zeichen, das sich weiter aus dem Fenster lehnte, als meine Hoffnung reichte.
Maria voll der Gnade wünschte den Menschen auf Erden eine zünftige Gänsehaut auf den trägen Pelz und die Pest an den ungewaschenen Hals.
Doch mehr als der fromme Wunsch der gefalteten Poesie würde wohl auch davon nicht übrigbleiben.

Dienstag, 10. März 2009

Elektrisches Geheul III

Auf einmal das elektrische Geheul und Zähneklappern der Paragraphenhengste.
Die fahlen Ergebnisse unserer empirischen Untersuchungen standen wie ein Mann vor uns.
Gelb umrahmte Informationszentralen stachen wie Äpfel aus der Dunkelheit heraus.
Uns konnten sie weder Trost sein noch ein verlogenes Versprechen abringen.
Es gelang ihnen nicht, uns über die tiefe Trauer hinwegzutäuschen, die wohl noch lange unser Begleiter bleiben würde.
Naja, wenigstens etwas Gesellschaft.
Verzagte Frauen wie du kauen immer auf ihren Fingernägeln herum.
Der Calciummangel machte sich deutlich bemerkbar.
Wie wir uns sowieso gut mit Mangel und nichts anderem auskannten.
Für Heldentaten hatten sie uns nicht erschaffen.
Schließlich war das hier nicht Hollywood.
Hier gab es noch echte Verletzungen.
Wirkliche Gefahren und abgerissenes Klebeband.
Mit etwas Spucke, Schokolade und gutem Willen sammelten wir die Fünf-Cent-Münzen ein.
Nur den vergammelten linken Cowboystiefel ließen wir zurück.
Er hatte dir sowieso nie gefallen.
Unrasiert und aufgekratzt vom vielen Koffein putzten wir uns die Nasen an der ganzrationalen Funktion des dritten Grades ab.
Ich wollte die Verletzung nicht an mich heranlassen.
Doch davor, dich zu überhöhen, konnte ich mich nicht schützen.
Es schien mir so natürlich wie das zu laute Ticken der Uhr in den stillen Stunden vor der Dämmerung.
Jetzt aber ist alles anders.
Und ein Teil von mir ist kein Teil mehr.
Er ist das Ganze geworden.
Und gehört nun, bei aller Unschlüssigkeit, zu dir.
Wo er noch bis gerade eben war, ist nun ein leerer Fleck.
Sieht man hin, so kann man ihn nicht erkennen.
Doch sieht man vorbei, dann bemerkt man das Flimmern aus den Augenwinkeln.

Montag, 2. März 2009

Elektrisches Geheul II

Der Seelsorger des Hotels drohte uns mit Beugehaft.
Da wußte er noch nicht, daß er diese Prüfung allein würde ablegen müssen.
Wir aber waren da schon wieder auf unserem Weg.
Zuversichtlich, immer mitten hinein in eine neue Trostlosigkeit.
Zu eben jener Zeit muß es gewesen sein, daß ich den Sinn des alten Liedes begriff.
Es erzählte mit leisen Tönen und großen Gesten von dem Sturm auf der wilden See.
Nach Perlen hatte ich dort getaucht.
Und doch nichts gefunden als verschlossene Miesmuscheln.
Die Unschuld vom Lande entwickelte sich langsam zur alten Jungfer.
Geblieben war ihr nicht mehr viel.
Ein bißchen Nächstenliebe.
Etwas Gebirgsblütenhonig.
Und ein schmaler Rest Bossa Nova.
Sanftes Zupfen auf den Seiten meiner Abhängigkeit von dir trat als Zeuge deiner Meisterschaft auf.
Deine Seele wie altes Vinyl war zerkratzt und hatte an deiner Lieblingsstelle einen Sprung.
Als Probandin hattest du nicht viel hergegeben.
Als weiße Leinwand aber konntest du durchaus von einigem Nutzen sein.
Ich hatte dich, wie es so meine Art ist, ausschließlich für meine Zwecke benutzt.
Die Schweinerei dahinter erkannte ich erst später.
Auch Ungerechtigkeit ist bloß ein Name, den man beizeiten vor sich hin sagen kann.
Man spricht ihn in die Stille hinein und kann sich darum vormachen, man besäße eine Heimat.