Samstag, 1. Dezember 2007

Pop Life II

Die Jugend von heute hört Tokio Hotel, das sei ihr vergönnt, oder aber HipHop. Wer von letzterem jedoch eine wie auch immer geartete gesellschaftliche Sprengkraft erwartet, wie noch zu Zeiten der letzten übel verleumdeten Musik, Punk war das damals, dürfte enttäuscht werden.
Die Berliner Szene rappt vor allem für ihr eigenes Konto, woran ich nichts Schlimmes erkennen kann, denn jede Vertriebsstruktur, die fernab der vier, fünf großen Konzerne, welche die Musikindustrie beherrschen, entsteht, ist erst mal per se begrüßenswert.
Gibt man sich dabei noch dermaßen ehrlich, humorvoll und unverkrampft wie die Radikalkapitalisten King Orgasmus One oder Frauenarzt, dann ist das intellektuell zwar auch nicht gerade abendfüllend, aber doch immerhin schwer sympathisch.
Rap sei das schwarze CNN, orakelten die Antisemiten von Public Enemy vor zwanzig Jahren, eingelöst haben das ihre Nachkommen wie 50 Cent oder Eminem nicht einen Augenblick lang, und auch von den deutschen Sprechgesangsgeistesgröße wird, obwohl in linksalternativen Studentenzirkeln gern gehört, wohl keine Revolution ausgehen.
Jan Delay, nicht gerade ein intellektueller Überflieger, findet Autos anzünden eine super Aktion, was aber nicht weiter verwundert: Auch 1968 hatten viele die Mao-Bibel gelesen, ohne sie zu verstehen. So ein bißchen unverbindliche Protesthaltung ist doch auch ganz chic, solange man nicht über die Konsequenzen nachdenken muß.
Und Prinz Pi, eine von vielen warum auch immer vergötterte Vollpfeife aus Zehlendorf, ist sich nicht zu schade dafür, grenzdebile Bush- und Paris-Hilton-Disses vom Stapel zu lassen, also 1:1 die Grundbefindlichkeiten seines gefährlich halbgebildeten Publikums zu bedienen. Im Interview gibt er dann auch unverblümt zu, daß er gar nicht anders als seine Hörer sei, bloß einer von ihnen, der einfach nur auf den Punkt bringt, was seine Anhänger denken.
Das ist aber gerade das Allerdümmste, was man auf einer Bühne machen kann, denn wenn Otto Normal in der Vorstellung sitzt und sich denkt: Endlich sagt’s mal einer, genau so isses doch, dann macht man als Künstler etwas grundverkehrt falsch. Der Spießer lehnt sich zurück und ist’s zufrieden. Sein tutti Weltbild bleibt bestehen, ohne Risse, ohne Zweifel, doch dafür randvoll mit supersexy Vorurteilen.
Das ist gut, denn so kann er auch noch morgen kraftvoll weiterkonsumieren. Bis dahin: Warum Geiz geil ist, Männer nicht einparken, Frauen keine Socken stopfen und Newcomerbands bei YouTube nicht zuhören können.
Bleibt alles anders? Ja, leider.

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