Samstag, 25. August 2007

Nichts als die Wahrheit

Die Wahrheit schreitet über die ganze Welt. Das heißt im Klartext, daß sie von Ort zu Ort verstoßen wird, daß die Menschen in allen Ländern, in allen Ecken, in allen Bunkern sie vom Hof jagen. Die Wahrheit muß ewig weiterwandern. Sie kennt keine Heimat, kein Ziel, keinen Ort des Verweilens. Keine Mutter, die in der Nacht um sie weint. Zu Atem kommt sie niemals. Durch die Finsternis, durch den Tag, durch die Sonne, durch den Regen. Immerfort, immerfort. Weiter, weiter. Sie geht und geht. Kommt niemals an.
Jene wiederum, die Lüge, wer denn auch sonst, führt ein Leben im Stand-by-Modus. Das sieht zwar von außen süß aus und spart auch irre viel Energie, was den Herrn Minister Gabriel bestimmt supidupi freut, aber es ist doch auch ein wenig, wollen mal sagen, eintönig. Zu viel von allem ist immer noch zu viel. Zu wenig aber, darauf können sich die wenigsten katholischen Schulmädchen in Not einigen, ist eigentlich gar nichts.
Abfinden ist gut, Rebellion ist besser. So stand es schon damals, mit Edding geschrieben, an der Tür der öffentlichen Bedürfnisanstalt. Mancher ist eben zuallererst und in wirklich jeder erdenklichen Lebenslage lange nichts und dann doch irgendwann Künstler. So mit in die Tiefe gehen. Schlaue Ideen beim Kacken fassen. Das Letzte aus sich herausholen. Darmspülung, beizeiten.
Und wo wir schon bei Körpersäften sind: Ich habe meine geheimnisvolle Prinzencreme bisher noch jedem Mädchen vorenthalten. So lebt es sich gar lyrisch in meinem Elfenbeinturm. Sollen doch die anderen stöpseln. Ich denke mir lieber pfiffige Werbesprüche aus.
Wie zum Beispiel diese hier: Durst ist alles. Bockwurstwasser hilft bei Potenzstörungen. Enlarge your penis up to three inches. Antworten Sie nicht auf diese E-Mail. Wir tun es selbst. Wir lieben Liebe zu dritt. Und das ist wiederum nichts als die Wahrheit. Gelogen wie gehüpft, alles im Dreivierteltakt.
Gut, ne?

Samstag, 18. August 2007

Aufzeichnungen aus der Künstlerkemenate

Die Volksverdummung ist ein Vogel mit bunten Federn. Stetige Analyse ergab: Jeder Künstler ist ein Mensch.
Es arbeitet, es brodelt, es donnert, es spratzt, es sprotzt. Da ist noch vieles in mir, und das muß raus, und ich rede jetzt nicht von Kacken. Es tut, es macht, es werkelt, es klöppelt, und die Welt wird Zeuge sein, auch Modell stehen müssen.
Die Querverweise seht Ihr nicht, und doch sind sie da. Ich spinne mich wie Tegler ein in mein eigenes Netzwerk, die Kunst. Sehet, erlebet und staunet. Seid Zeuge der größten Show seit dem Comeback von Lazarus. Vieles kommt auf Euch zu, nur wenig liegt bereits hinter Euch.
Ein Künstler darf nicht nach Hause gehen, denn daheim wird er so verstanden, wie er verstanden werden will. Und das ist ganz, ganz schlecht für die Kunst, die doch eigentlich die große Unerreichbare, Unverständliche sein sollte. Je weniger auf einem Bild zu erkennen ist, desto besser.
Es geht darum, auch mal was zu machen, was den Kopf anregt, nicht immer nur angibt. Wer still vor sich hinblödelt, bleibt zeitlebens Alleinunterhalter. Man muß den Menschen die Kunst an den Kopf knallen, abknallen, flachlegen. Ich habe keine Zeit, bis nach meinem Tod zu warten, die gängigen Rezeptionswege funktionieren nicht mehr, nach van Gogh und Kafka wurde die Straße ins posthume Glück unterspült, also gebt mir besser schon jetzt, was des Kaisers ist: eine Besenkammer auf Lebenszeit und die Weihnachtsfeier vom FC Bayern.
Es ist doch klar, worum es hier geht, denn bekanntlich ist Geld noch immer das Schmiermittel Nummer eins für Schmierenkomödianten aller Art. Und freilich, auch ich kann es gut gebrauchen, für Miete Strom Gas.
Ich gebe der Welt, Euch, etwas und erwarte dafür auch retour. Und da wird was kommen, ganz sicher. Womöglich Anerkennung, noch wahrscheinlicher jedoch auf die Fresse. Egal, Hauptsache Feedback, Reaktion, reaktionärer Katzendreck.
Bis dahin: Große Reden schwingen. Im Vorbeigehen mal eben Jimi Hendrix, Kurt Cobain und all die anderen Säulenheiligen dissen. Indem man verkündet: Musik ist eine höhere Gabe der Götter. Damit spielt man nicht. Und wer es doch tut, der stirbt jung.
Und dann ganz trocken wie Fela Kuti nur in einer Badehose auftreten.

Samstag, 11. August 2007

Mandy

Sie sah ein bißchen aus wie Avril Lavigne, nur nicht so stolz, sondern vielmehr angenehm schüchtern. Am Anfang mochte ich ihre wohltuende Ruhe. Sie war nicht so hysterisch und aufgedreht wie die anderen Mädels, mit denen ich mich zu dieser Zeit sonst so verabredete.
Ihr Therapeut, so eröffnete sie mir, hatte ihr gesagt, es wäre jetzt langsam an der Zeit, endlich Männer zu treffen. Ich war einer der ersten, der auf ihre leicht kryptische Kontaktanzeige reagiert hatte.
Es war im September. Wir hatten verabredet, auf das Oktoberfest zu gehen. Ich war da. Nur Mandy kam nicht.
Zwei Tage später rief sie an, sie klang sehr verlegen und entschuldigte sich bei mir. Sie erklärte, es hätte sie im letzten Moment der Mut verlassen, die ganzen fremden Menschen und all das. Da hätte sie auf einmal totale Beklemmungen bekommen.
Na, macht ja nichts.
Ein paar Tage später dann unser zweiter Versuch, ein Spaziergang entlang der Isar. Diesmal klappte es. Der Himmel war grau, doch es blieb trocken.
An einer entlegenen Stelle sagte sie mir: Ich mag die Einsamkeit. Auch die Natur finde ich sehr schön, obwohl sie grausam ist, manchmal. Es sind die Leute, mit denen ich nicht zurechtkomme.
Zwischen unsere wenigen Sätze schoben sich immer wieder lange Pausen, oft auch minutenlanges betretenes Schweigen.
In der Nähe der Großhesseloher Brücke meinte sie dann: Da wollte ich auch mal runterspringen.
Fünf Stunden waren wir an diesem Tag zusammen, Zeit genug für sie, mir ihre ganze traurige Lebensgeschichte zu erzählen.
Schon als Kind hatte sie kaum Anschluß gefunden, sie war nach der Schule oft allein zuhaus, Schlüsselkind, malte viel oder las.
Als Teenager war sie dann vom besten Freund ihres Vaters vergewaltigt worden. Anfangs war er sehr nett zu ihr gewesen, aufmerksam auch, hatte sie ausgeführt, wie eine Erwachsene behandelt. Das fand sie schön, diese Beachtung, das kannte sie vorher nicht.
Nach ein paar Wochen begannen seine ersten Annäherungsversuche. Er fing damit an, sie immer öfter zu bedrängen, wollte sie küssen und mehr. Sie wollte das alles nicht, doch traf sich weiterhin mit ihm. Auf dem Heimweg, nach einem gemeinsam besuchten Orgelkonzert, geschah es dann.
Etwas in ihr zerbrach. Sie konnte sich keinem anvertrauen. Es folgten ein paar halbherzige Selbstmordversuche.
Die erste Diagnose: Depression. Danach hieß es: Borderline-Syndrom. Die Eltern schleppten sie weiter von Arzt zu Arzt, irgendwann stellte einer fest: Soziale Phobie.
Manchmal wüßte sie einfach nicht mehr weiter, das Leben hätte sie so müde gemacht. Unzählige Therapien. Ein abgebrochenes Kunststudium. Und jetzt sie und ich, hier an der Isar.
Eine Woche nach unserem Spaziergang wurde sie in die Psychiatrie eingewiesen, weil sie sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte, nicht zum ersten Mal.
Ich wollte sie besuchen, weil ich mich irgendwie verantwortlich für sie fühlte. Die Ärzte ließen mich nicht zu ihr. Ich sei ja kein Verwandter.

Samstag, 4. August 2007

Terminieren geht über studieren

Die jungen Dinger im Versammlungssaal 2 A waren schon ganz aufgeregt. Man hatte sie busweise angekarrt und ihnen versprochen, daß hier ein Fernsehcasting stattfinden würde. Manche von ihnen waren noch nicht einmal mit der Schule fertig, doch auf jeden Fall wollten sie alle, das ließ sich ihren ehrgeizigen Blicken bereits deutlich entnehmen, früher oder später beruflich mal irgendwas mit Medien machen.
In diesem Augenblick schwang endlich die große Tür am Ende des Saals auf. Mehr als zweitausend Augenpaare richteten sich auf den soeben Eingetretenen. Zur Überraschung aller handelte es sich dabei aber weder um Dieter Bohlen noch Nina Hagen noch Bruce Darnell. Nein, es war der Terminator, der nun leibhaftig vor ihnen stand.
Nun gut, dachten da einige der Mädchen bereits unsicher, vielleicht werden wir ja für eine Stuntschule gecastet, das soll uns auch recht sein. Viel weiter kamen sie in ihren Überlegungen nicht mehr, denn in dieser Sekunde begann das große Blutbad.
Mit der Uzi hielt der Terminator souverän auf all die niedlichen verschmusten blonden Mädchen, die dachten, es sei irgendwie rockig und total crazy unangepaßt, Band-T-Shirts von wimmernden musizierenden Emo-Wichten mit Überohrfrisuren zu tragen und einen hübschen jungen Mann mit unschöner Regelmäßigkeit als Sahneschnitte zu titulieren.
Der sweet sweet Sexismus ist so höllisch schwer aus den Köpfen herauszubekommen, dachte der Terminator einen Moment lang und wurde darüber traurig. Doch dann munterte ihn ruckzuck wieder das schöne, verläßliche Stampfen und Rattern des Maschinengewehrs auf.
Durch Meere von Blut waten wir hin zu einer besseren Welt, das hatte früher schon immer seine hochverehrte Frau Mama gesagt, wenn sie im Badezimmer stand und über der Wanne ein Schwein abstach oder einer Gans den Hals umdrehte. So ein ländlicher Background prägt einfach, und darum würde der Terminator wohl auch auf immer und ewig tief in seinem Metallherzen ein Buam von der Alm bleiben.
Als die jungen Körper zerborsten, das bißchen Gehirn verspritzt und von den adretten Gesichtchen nicht mehr viel Ansehnliches übriggeblieben war, verstarb auch abrupt der Sound des Gewehrfeuers.
Sicherlich, es war eine ziemliche Schweinerei, die er hier angerichtet hatte, aber schließlich gibt es manches auf der Welt, was einfach getan werden muß. Das hatte vor ihm schon Lars von Trier durchexerziert und so sonderlich Unrecht damit auch gar nicht gehabt.
Apropos nervtötende europäische Autorenfilmer: Die waren morgen dran, in Versammlungssaal 3 D.
Darauf freute sich der Terminator schon ganz besonders.