Sonntag, 24. Februar 2008

Mein Obama fährt im Hühnerstall Motorrad

In Amerika entdeckt momentan eine ganze Nation den Charme der Demokratie für sich neu. Während unter George W. Bush die Wahlbeteiligung noch fröhlich vor sich hindümpelte, ist das Interesse an den kommenden Präsidentschaftswahlen und den möglichen Kandidaten unerhört hoch.
Die Politisierung der Amerikaner verblüfft insofern, als es dabei eigentlich um kaum etwas geht. Originelle Konzepte oder scharfe ideologische Konturen hat keiner der Kandidaten zu bieten – weder McCain auf der einen noch Obama und Clinton auf der anderen Seite. Ein neuer Kapitän wird gesucht, wohin er (oder sie) den Dampfer anschließend lenkt, erscheint erst einmal nebensächlich.
Das Zauberwort vom „Wandel“ führen inzwischen alle im Mund. In seiner Unbestimmtheit ist es so verführerisch wie banal, denn der entscheidende Wandel vollzieht sich ohnehin. Ganz egal, wie der nächste US-Präsident heißt, es ist nicht mehr Bush. Das ist in seiner Gewißheit schon jetzt befreiend für das Land und den Rest der Welt, für den George W. die ideale Projektionsfläche für alles Negative darstellt (Irak, Guantanamo, Abu Ghraib, anti Kyoto, missionarisch, ölgierig und so weiter und so fort). Was sich Millionen von Salondemokraten weltweit momentan in einem Anflug von heiterer Gelassenheit denken: Egal, wer es wird, schlimmer wird’s nimmer.
Entsprechend groß dürfte auch der Vertrauensvorschuß ausfallen, mit dem Bushs Nachfolger ins Weiße Haus einziehen wird. Das ist bereits jetzt zu spüren. Ob Obama, Clinton oder McCain: Jedem von ihnen wird fast alles verziehen. Obama die hohle frömmelnde Metaphorik, Clinton der dynastische Gestus in all seiner Selbstverständlichkeit (auf Bush folgt Clinton folgt Bush folgt – zwangsläufig? – wieder Clinton), McCain die außenpolitische Härte, die nicht nur radikal klingt, sondern auch exakt so gemeint ist.
So will der republikanische Vietnamkriegsveteran neben den Vereinten Nationen eine Koalition der willigen Demokraten etablieren, ohne die Schmuddelkinder Rußland und China natürlich, die immer dann handelt, wenn die UN versagen, von Darfur bis zum Iran, zur Not gerne auch mal militärisch. Ist McCain wirklich zu liberal, wie amerikanische Konservative beklagen? Sie könnten sich noch wundern – und viele Europäer mit ihnen.
McCains Aura indes ist bestechend. Er strahlt Entschlußkraft, Kompetenz und einen überparteilichen Willen zur Zusammenarbeit aus. Dieser Mann ist die personifizierte große Koalition (welche jedoch, anders als hierzulande, eine freiwillige der Tat und keine unfreiwillige der Tatenlosigkeit ist). Dabei transportiert er vor allem eine Botschaft: Schluß mit dem Parteiengezänk, rauft euch endlich zusammen, blockiert euch nicht ständig, sondern beschließt! Er ist ein Zupacker, ein Macher. Und weil er immer weiß, was er will, wählen ihn im Zweifelsfall auch die, die nicht immer wissen, was sie wollen. Da deren Zahl groß ist, könnte dies letztendlich den entscheidenden Ausschlag zu seinen Gunsten geben.
Gerade in der europäischen Berichterstattung wirkt es oft schon so, als wäre der demokratische Hoffnungsträger Obama absolut unbesiegbar. Was man dabei jedoch nicht vergessen darf: Er ist noch längst nicht Präsident, sondern es wird zur Zeit immer noch nur darüber abgestimmt, ob er es vielleicht einmal werden darf. Im Fall der Fälle besitzt er natürlich die besseren Erfolgschancen, da er weniger schwarz ist als Clinton Frau. Der als geringer empfundene Makel könnte die Wahl dann für ihn entscheiden. Dies allerdings natürlich nur, wenn es nicht doch wieder die Republikaner machen.
Am Tag seiner möglichen Wahl zum Präsidenten wäre McCain bereits 72 Jahre alt. Ein Alter, in dem man in Deutschland allenfalls noch zum Opfer jugendlicher U-Bahn-Schläger mit Migrationshintergrund taugt. Womöglich wird sich jedoch im Herbst ein Großteil der Amerikaner im entscheidenden Moment genau darauf besinnen, daß ein weißer angelsächsischer protestantischer Rentner exakt die Art von „Wandel“ verkörpert, die ihnen insgeheim als ausreichend vorschwebt.

Sonntag, 17. Februar 2008

Hunger

Berlin strahlt, glänzt und funkelt. Bei der Berlinale auf dem Roten Teppich tummeln sich überlebensgroße Figuren, Titanen und Halbgötter, die von ihren Bewunderern angehimmelt werden wie die Sterne selbst. Diese stehen im Licht.
Im Dunkeln hingegen bleiben jene, die nicht das große Glück haben, nach ihren Promoauftritten gleich wieder wegzukönnen. Die, die das Pech haben, hier bleiben und von der Politik des Berliner Senats abhängig sein zu müssen.
Finanzsenator Thilo Sarrazin, der in der Vergangenheit schon dafür verantwortlich zeichnete, Kindertagesstätten zu schließen und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Universitäten kaputtzusparen, hat nun allen Bedürftigen der Stadt vorgerechnet, daß sie doch eigentlich gar keinen Grund hätten, sich zu beklagen. Die vorhandenen Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger seien schließlich durchaus ausreichend: drei Scheiben Brot am Tag, ein Klecks Butter und Marmelade, zwei Scheiben Käse, ein Apfel, zwei Tassen Kaffee, 200 Gramm Kartoffelsalat, ein Joghurt und eine halbe Gurke. Na also, geht doch, denkt sich Sarrazin, der selbst 10.000 Euro Monatsgehalt bezieht.
Berechnet man dieses Sparmenü großzügig nach dem klassischen Kalorienkompaß landet man am Ende irgendwo bei durchschnittlich 1550 kcal täglich. Mit dieser Kalorienmenge werden jedoch selbst die untätigsten Arbeitslosen spätestens nach vier Wochen an Unterernährung leiden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt als Referenzwert für die notwendige Energiezufuhr für Männer zwischen 25 und 50 Jahren bei ausschließlich sitzender Tätigkeit schon 2400 kcal an; läuft der betreffende Mensch dann allerdings noch in der Gegend herum, beispielsweise zur Jobagentur, so benötigt er leicht über 3000 kcal.
Was Herr Sarrazin ebenfalls verschweigt: Familien erhalten für ihre Kinder sogar nur einen geringeren Tagessatz von 2,80 Euro. Das Deutsche Forschungsinstitut für Kinderernährung hingegen hat vorgerechnet, daß für einen Jugendlichen 4,70 Euro täglich das absolute Minimum sind, um für ihn etwas Gescheites zum Essen zu bekommen.
Der Berliner Finanzsenator sollte vielleicht einmal selbst einen Monat lang versuchen, einem Kind für unter drei Euro am Tag eine ausgewogene Ernährung auf den Eßtisch zu zaubern.
Sicherlich, ein Leben in Armut läßt sich schon irgendwie zähneknirschend durchplanen und halbwegs gescheit organisieren. Was aber tun, wenn die großen Unglücksfälle des Alltags eintreten, die jemanden wie den Herrn Sarrazin bloß ein müdes Lächeln kosten, wenn etwa eine Brille kaputt geht, die Kinder neue Schuhe brauchen oder überraschend die Waschmaschine den Geist aufgibt? All diese Anschaffungen sind in den Bemessungssätzen nur mit wenigen Prozent berücksichtigt.
Sarrazin, der Transporteur der sozialen Kälte, hat mit seinem verquer durchgerechneten Speiseplan im Grunde nur eins erreicht: In der sowieso schon gebeutelten Hauptstadt des Prekariats verstärkt er damit das allgemein um sich greifende Verlierergefühl nur noch mehr und macht das real existierende Wohlstandsgefälle zwischen denen da oben und uns hier unten im Armutskiez bloß noch schmerzhaft spürbarer.
Was von Sarrazins Rechenkünsten bei den angesprochenen Arbeitslosen und Bedürftigen ankommt: Ihr seid arm? Selbst schuld. Ihr müßt doch nur mal vernünftig rechnen, dann kommt Ihr schon hin.
Sarrazins Chef, der Herr Wowereit, hat mal davon gesprochen, Berlin sei arm, aber sexy. Das ist so nicht richtig. Im Hinblick auf die im Licht und jene im Schatten, diese auf dem Roten Teppich und jene in den Elendsquartieren, müßte es eigentlich heißen: Die einen sind sexy, die anderen bleiben arm.

Samstag, 9. Februar 2008

Verliebt in Benzin

Liebe ist:
Wie das Ozonloch, man bemerkt sie erst, wenn sie nicht mehr da ist.
Verglichen mit Haß, ein farbloses Gefühl.
Wie ein Omnibus, auf den man immer warten muß und kommt er endlich angeflitzt, dann ruft der Schaffner: schon besetzt!
Auf die Ewigkeit hin angelegt.
Die Selbstüberschreitung des Ich auf ein Du hin.
Das Geschenk der eigenen Person an eine andere – ein Geschenk, das nicht zum Verlust führt, sondern zur Erfüllung.
Beim Aufwachen festzustellen, daß es kein Traum war.
Nervensache.
Eine riesen Nummer von Nena.
Die Sehnsucht nach der Ganzheit.
Daher für Honneth neben dem Recht und der Solidarität eines der drei Muster intersubjektiver Anerkennung.
Im Grunde genommen etwas Egoistisches.
Wenn man den anderen so akzeptiert, wie er ist.
Ein Granatapfel.
Relativ.
Cool.
Die beste Religion.
Die beste Medizin.
Eigentlich eine Krankheit.
Nicht einfach nur eine Bindung und auch nicht nur Sympathie.
Eher ein Versuch, aber sie verändert einen.
Ein gemeinsam geschaffenes Kunstwerk.
Eine Reise.
Nicht nur ein Wort.
Wie ein Gedicht.
Wichtig für das emotionale und körperliche Gleichgewicht, deshalb ist das Gehirn so programmiert, daß Alleinsein schmerzt.
Nichts für Amateure.
Nicht für alle das Gleiche.
Kälter als der Tod.
Der Kern.
Eine Begegnung der ganz besonderen Art, der dritten oder vierten???
Ein Haus.
So schön und so schwer zu verstehen.
Nur eine Möglichkeit.
Eine Frage der Persönlichkeit.
Wenn Papa kocht.
Das Gefühl mit der ausgeprägtesten Resistenz gegenüber Vernunftargumenten.
Eigentlich nur eine kleine Steigerung von Freundschaft.
Eigentlich Sexualität.
Wenn es Spaß macht, treu zu sein.
Das wundervollste Gefühl, das ein Mensch zu spüren bekommen kann.
Schon schwierig zu verstehen und vor allen Dingen schwierig nachzuvollziehen, aber hauptsächlich verbinde ich mit diesem Gefühl etwas Schönes.
Die Antwort.
Wenn er sich immer schützend vor sie stellt.
Sie mit einer Wochenend-Spritztour zu überraschen.
Wie der Morgentau: sie legt sich auf Nesseln und auf Rosen.
Schwer zu finden, aber wunderschön, wenn man sie hat.
Eine Naturgewalt!?
Wenn sich mein Freund eine Erkältung fängt, weil ich nachts im Bett meine Eisfüße an seinen Füßen wärmen darf, ohne daß er sich beschwert.
Für jeden Menschen etwas anderes, für alle eigentlich etwas Mysteriöses, Unbeschreibliches und irgendwie trotzdem das Schönste auf der Welt.
Im engeren Sinne die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen zu empfinden fähig ist.
Alles.
Kein Wettkampf.
Das Geheimnis göttlicher Offenbarung!
Mit Arbeit verbunden.
Kein Zufall.
Ein Schwindel.
Eine große Lehrmeisterin: sie bildet uns zu einem Wesen, das wir nie waren.
Nicht genug.
Nur ein Ford.
Sich bei PARSHIP anzumelden und aktiv nach dem Traumpartner zu suchen!
Ein Handy-Vertrag.

Sonntag, 3. Februar 2008

Ich sehe eine Finsternis

Heute mittag war es so dunkel, daß man fast schon keine Lust mehr dazu hatte, überhaupt noch aufzustehen. Zu mehr als Zwielicht konnte und wollte sich der Himmel anscheinend nicht hinreißen lassen. Die ewige Nacht in der Diaspora, hier im Exil könnt Ihr sie erleben.
Ein plötzlicher, melancholisch machender Gedanke: Warum nur ziehen alle Frauen, die ich so ein bißchen gern habe, entweder weg in scheußliche deutsche Großstädte, in die ich freiwillig nie einen Fuß setzen werde, gehen ins Kloster oder werden lesbisch oder alles zusammen?
Raus auf die Straße will man auch schon gar nicht mehr gehen, denn die Hunde scheißen immer noch überall hin, wo ihre gleichgültigen Halter das zulassen. Es gibt dazu zwar jetzt ein paar warme Worte des Ordnungsamtes, aber die verpuffen ungehört irgendwo zwischen Friedenau und Moabit.
Man könnte an alle Nichthundebesitzer der Stadt kleine Elektroschocker ausgeben, mit denen man im Falle frisch abgelegter Tretminen das verantwortliche Herrchen oder Frauchen traktieren darf. Statistiken zeigen uns: Lernerfolge sind bei solchem Vorgehen nicht ausgeschlossen. Schmerz macht schlau. Ja, genau.
Wie akadisches Treibholz schaukle ich mich durch meine tristen Tage, doch habe ich dabei nicht so eine eingespielte Begleitband im Rücken wie damals Bob Dylan. Na ja, muß es eben ohne gehen. Kriegt halt nicht jeder alles in den Arsch geblasen wie der Zimmerman, das Ei. Ich sage es immer wieder gerne: Kinder müssen auch Stille aushalten können. Wußte schon Bruder Johannes.
Was ich in dieser Woche gelernt habe: Normalerweise werden die Leute bei uns in Ost-West-Richtung beerdigt, Vampire hingegen richtet man nach Süd-West aus. Doch was genau soll uns das bitteschön bedeuten?