Samstag, 10. November 2007

Vollidioten

In der Zeitung ein Artikel über Amy Winehouse. Schon wieder. Wenn man als Musiker erst mal die Seiten des Feuilletons einer verschlafenen überregionalen Tageszeitung erreicht hat, für die der Tellerrand der Kunstwelt sonst bei egalem Autorenkino aus der Mottenkiste und spackig-uninteressantem Indiepoprock endet, dann weiß man: Das war’s. Jetzt kommt nichts mehr. Von wegen, man hätte es geschafft. Nichts hat man. Man ist einfach nur dahingestreckt, gemetzelt und erledigt.
Andererseits fängt es gerade da erst an, sich finanziell überhaupt zu lohnen. Im Untergrund ist Kummermund, mit schlechten Zähnen und Loch im Bauch.
Bin Künstler, habe Hunger, nehme Geld. Schreibt man auf ein Pappschild und stellt sich damit in die eigene Ausstellung. Das Großbürgertum scharwenzelt, mit Prosecco in der einen, der Zahnarztgattin in der anderen Hand vorbei und lacht sich ins Fäustchen. Ja ja, diese Künstler, hi hi.
Daß Ironie jedoch OVER AND OUT und dies hier nur noch blutiger Ernst ist, ein letzter Aufschrei eines verzweifelt Ertrinkenden, das begreifen diese satten Pfeffersäcke schon längst nicht mehr, hätten es womöglich auch nie gekonnt. Bei solchen Menschen kann man nämlich nie wissen, ob sie überhaupt jemals jung waren oder nicht doch schon selbst mit fünfzehn mental vergreist und somit voll auf der FDP-Einheitslinie. Sie haben nichts, sie besitzen nur.
Die Winehouse jedoch hatte tatsächlich etwas. Ihr ward ein unbezahlbares Geschenk zuteil, und sie hat es einfach leichtfertig drangegeben. So jemand braucht nicht unser Mitleid. Der Gesang ist eine Gabe Gottes, wer Schindluder damit treibt, kommt aus der ganzen Nummer nicht raus unter einer Dreiviertelewigkeit Fegefeuer.
Für die schmerzbefreite Amy, die saisonale Stilikone des Fremdschämens, gilt jedenfalls dasselbe wie für Pete Doherty wie auch für alle anderen Junkbrüder und -schwestern im Geiste. Merle Haggard kondolierte in den Siebzigern recht ungerührt über ein kurz zuvor verschiedenes Sweetheart vom Rodeo wie folgt: Gram Parsons war ein Waschlappen. Und weiter: Ich finde nicht, daß Junkies coole Burschen sind. Doch wohl eher Vollidioten, wenn Sie mich fragen.
Liebe Kinder, so und nicht anders isses doch. Der Onkel aus Muskogee hat absolut Recht. Drogen sind nicht cool. Koks macht nachgewiesenermaßen dumm. Und der Rest aus der Apotheke ist auch nicht besser. Kocht euch lieber mal einen schönen Kamillentee oder so.
Und wenn schon unbedingt Musik von Junkies, dann legt doch beim nächsten Mal einfach ein Album von Judee Sill auf. Was euch dort erwartet: Ray Charles und Johann Sebastian Bach, klar wie das Quellwasser aus dem französischen Werbefernsehen. Intensität und Intimität, Reinheit und aufrichtige Gefühle, Erlösungsphantasien und pure Spiritualität. Und die Erkenntnis, daß man Unschuld nicht verlieren kann, sondern sie sich erst einmal verdienen muß.

Keine Kommentare: