Samstag, 3. Oktober 2009

Das Internet ist

Alles.
(Noch) nicht alles.
Unsere Zukunft.
Zum Leitmedium der modernen Informations- und Wissensgesellschaft geworden.
Ein wesentlicher Katalysator der Digitalen Revolution.
Die größte Revolution.
Das Nervensystem des kollektiven Organismus des menschlichen Denkens.
Kein Ponyhof.
Für uns alle gefährlich.
Kaputt – bei South Park.
Ein rechtsfreier Raum.
Kein rechtsfreier Raum.
So etwas wunderschönes.
Nicht meine Welt.
Ein Ort der Jagd, der Ablichtung, der Durchleuchtung. Im schlimmsten Fall: ein Ort von Hinrichtungen, sexuellem Missbrauch, ein Ort für Fahnder und Datenschützer. Im harmloseren Fall: eine eskapistische Quatschwelt.
Die grösste Gefahr für die nationale Sicherheit.
Für die Reformer sehr wichtig.
Deshalb kein Massenmedium, weil es zu einer bestimmten Zeit unterschiedliche Kommunikationen zulässt.
Das Revier der Markenpiraten.
Auf den Hund gekommen.
Einfach ein Schritt in die Richtung, unsere wahre Verbindung mit jedem zu erlangen.
Ein Erfolgsfaktor.
Böse.
Nicht böse.
Der wahre Klimakiller.
Meiner Meinung nach nicht die schlimmste Ursache des Klimawandels.
Inzwischen das wichtigste Informationsmedium beim Kauf von Consumer Electronics.
Ein zentraler Ratgeber in Gesundheitsfragen.
Ein Dschungel.
Ein Elefant.
Ein Spiegel der Gesellschaft.
Eine große Kommune.
Ein Misthaufen.
An allem schuld.
Heute so etwas wie die universelle Plattform des heiligen Krieges gegen die westliche Welt. Es ist Kommunikationsmedium, Werbeträger, Fernuniversität, Trainingscamp und Think Tank der Islamisten zugleich.
Das A und O.
Billig, schnell und sauber. Wir lieben es.
(Fast) überall.
Nicht mehr die Kür eines Wahlkampfes, es ist die Pflicht!
Nicht menschlich.
Durchgeschmort.
Voll!
Entertainer.
Wichtiger als Zeitschriften, TV & Co.
Die beste Erfindung überhaupt. Ohne ein verstümmelndes „seit“.
Für den Menschen da und nicht umgekehrt.
Einfach eine schöne Möglichkeit für uns, Präsenz zu zeigen.
Urlaubsreif.
Grün.
Unser Zukunftsmarkt.
Nur ein neuer Vertriebskanal.
Ein Pornoparadies.
Eine Gefahrenquelle und bedroht nicht nur die Seelen deutscher Kinder, sondern auch den Qualitätsjournalismus.
Ein noch junges Medium.
Geschichte.

Montag, 21. September 2009

Sexy Humanismus

Das einzig gescheite Ziel im Leben kann es sein, sich zur Liebe hinzubewegen, immer sanfter, immer verständnisvoller, immer mitfühlender zu werden.
Wir müssen wegkommen vom Warenfetischismus, vom Huldigen des Materiellen, vom blanken Narzißmus.
Es ist einfach grundlegend verkehrt, andere Menschen nur dazu zu (ge-)brauchen, um sich an ihnen abzureagieren. Viele Leute suchen sich ja gerade deshalb einen Partner, um sich irgendwie an ihm hochzuziehen, sich selbst oder der Welt dadurch etwas zu beweisen.
Sie sehen dabei aber nicht den anderen, wie er ist, sondern immer nur das, was sie selbst in ihn hineinlegen. Es geht für sie darum, Unterhaltung und Abwechslung im Alltag zu haben, einen Partner gegen die Langeweile, für kostenlosen Sex oder das Aufpolieren des eigenen Egos.
Um aber wahre Liebe erleben zu können, muß man vor allem das Voneinandergetrenntsein erleben und gerade nicht das Verbindende. Also nicht das Gleiche suchen, sondern das Fremde zulassen, das eben Nicht-Ich ist, das Andere voll und ganz akzeptieren und sich dessen bewußt werden.
Es reicht nie aus, nur deinen Nächsten zu lieben, man muß auch und gerade die Liebe und die Nähe zu den Fremden und den Feinden suchen. Nur so kann man diese vermaledeite Selbstsucht überwinden, die überall in unserer Gesellschaft wirkt und Schlimmstes anrichtet.
Wir müssen bereit sein, ein anderes menschliches Wesen in seinem So-Sein und seinem Anders-als-ich-Sein anzunehmen, ganz und gar. Wenn jemand so ist wie ich, dann ist das uninteressant.
Den Meisten erscheint bloß das als vernünftig und gut, was sie immer schon gedacht haben. Sie wollen bloß ihre Vorurteile bestätigt wissen. Das ist es aber nicht, kann es niemals sein.
Nein, eine bessere Welt ist nur so möglich: Ich und du, wir müssen alle miteinander losgehen, aufeinander zu, der Fremde (ich für dich und du für mich) muß uns ganz Mensch werden, denn erst dann kann man sagen: Ich bin du. Und von dort ausgehend anfangen, zu lieben und zu verstehen.

Samstag, 12. September 2009

Schreibe von Amanda, denke an den Krieg

Wenn der große Zampano neben dem chronischen Zeitmangel eines satthatte, dann waren es die ständigen Niederlagen und Mißerfolge. Seinen größten Unsinn, in fünf Minuten beim Kacken hingekleckst, feierten die Leute als zeitlosen Klassiker; die guten Sachen hingegen fanden so gar kein Publikum.
Zampano hungerte nach Sieg. Dabei schwebte ihm nicht so ein lausiges 2:1 vor, sondern ein regelrechtes Massaker der guten Laune, ein Triumph, mit großer Parade, Orchester und schulfrei für alle.
Das Problem war nur: Er war jetzt fünfundvierzig, und es waren absolut keine Siege mehr in Sicht, nicht einmal mehr ein ordentlicher Kampf. Die Gegner von einst waren alle so lasch geworden. Früher waren sie noch hungrig und verbohrt, heute genossen sie gute Weine und saßen abends mit der Kanzlerin beisammen.
Langsam kam Zampano an einen Punkt, wo er das alles so dermaßen zum Kotzen fand, daß er am liebsten den Kurt Cobain gemacht hätte, wenn das nur nicht so abgeschmackt wäre. Auch da hatte er wieder den Absprung zur rechten Zeit verpaßt. Mit 27, klar, da geht das – aber jetzt mit Mitte 40 nahm ihm den an der Welt verzweifelnden Künstler doch keiner mehr ab.
Und so blieb ihm als Ausweg nur noch das Stupide. Mit schnellen Autos im Kreis rumfahren und es Formel 1 nennen. Mit dem Privatjet an exotische Orte fliegen, wo es auch nicht besser war als daheim in Sprockhövel. Sich limitierte Singles-Boxen von den Smiths kaufen, im Endeffekt aber doch immer nur die alten CDs auflegen. Zeit mit Büchern verplempern, die es gar nicht wert waren, geschrieben, geschweige denn: gelesen zu werden, aber irgendwie mußte man die Abende ja rumkriegen. Mit den schärfsten Frauen Deutschlands poppen und sich als Jurymitglied der Heidi-Klum-Show ausgeben. Sich an seiner alten Universität ehren lassen, obwohl man früher in den Vorlesungen immer nur geschlafen hat.
An diesem Abend schmiedete Zampano den Plan, eine Hosenfabrik in Bangladesch zu eröffnen und anschließend mit den Produkten von dort KiK Konkurrenz zu machen. Ein Mann braucht schließlich Abwechslung.
Nach dem Zähneputzen, vor dem Betthupferl drosch er auf sein Spiegelbild ein, bis Blut floß. Er saute das halbe Bad voll, aber wischte es nicht weg. Schließlich hatte er der Welt noch so viel zu geben, und wenn die Welt es schon nicht wollte, so mußte doch wenigstens die bulgarische Putzfrau angemessen beschäftigt werden.

Sonntag, 6. September 2009

Jungs namens Bernd haben grundsätzlich Unrecht

Arroganz muß man sich leisten können, fand der große Zampano. Demut ist aber auch nicht grade ein Schnäppchen.
In der Kunst, und da kannte er sich aus, denn die war sein Metier, gelten andere moralische Werte und Normen als in der wahren Welt. Also kann, darf und sollte man Frauen beleidigen, Negerchen schmähen, Behinderte nachäffen, Pädophilie und Nekrophilie bejahen, kleine Hunde und Katzen quälen, Krieg, Terror und Leichenfledderei als ästhetische Mittel anerkennen und sich über politische Aktivisten lustigmachen. Sich nach außen hin konsequent dekadent geben, kann wohl nur der wahre Moralist. Greenpeace ist doof, deswegen geh ich jetzt schön Pelze kaufen.
Sich etwas Teures leisten können, war aber nicht alles. Man brauchte auch die nötige Muße, um es hinterher, nach dem Erwerb, gepflegt abzunutzen und kaputtzumachen. Keine Zeit, keine Kleinigkeit.
Man kommt einfach zu nichts, in diesen läppischen 24 Stunden. Kaum aufgestanden, wird es auch schon wieder Zeit fürs Bettchen. Dieser Jack Bauer hat uns alle belogen.
Unser Zampano fand, es wurde langsam echt Zeit für seine Heiligsprechung. Doch der Vatikan stellte sich (noch) quer. Dabei hatte Zampi schon als kleiner Schulbub das Konzept des Heiligseins wahrlich knorke gefunden. Am liebsten mochte er immer die ganz alten Heiligen, die kaum noch einer kannte und die darum nie etwas zu tun hatten. Die würden sich bestimmt richtig drüber freuen, wenn plötzlich nach fünfhundert Jahren mal wieder ein liebes Menschlein wie er zu ihnen betet. Und der vergessene Heilige, arg gebauchpinselt durch das neuerliche Interesse an seiner bespinnwebten Person, würde natürlich Himmel und, hoho, Hölle in Bewegung setzen, um dem irdischen Hilfsgesuch vom kleinen Zampi nachzukommen. Allein schon wegen der Rührung, daß da unten doch noch jemand an ihn glaubte. Klassische Win-Win-Situation also.
Die Heiligen hingegen, die jeder kennt, zu denen konnte ja jeder kommen. Die waren, durch Tausende von Wünschen überlastet, sicherlich auf Jahre ausgebucht. Dann braucht man sich auch nicht wundern, wenn nach dem Beten nichts passiert. Nein, die wirklich Obskuren müßt Ihr suchen.
Also: Ein Heiliger sein, das wäre doch was. Warmherzig und großzügig. Jemand, der sich danach sehnt, den leidenden Seelen auf der Erde zu helfen.
Keine Schlußpointe diesmal.

Sonntag, 30. August 2009

Die beste Musik der Welt

Manche Menschen hinterlassen Spuren im Herzen, die man nie wieder wegbekommt und auch gar nicht wegkriegen will. Bei manchen Alben verhält es sich ebenso. Und manchmal fällt beides sogar zusammen.
Die ersten beiden Alben („Chega de Saudade“ und „O Amor, o Sorriso e a Flor“) von João Gilberto haben nicht nur 1959/60 so ziemlich im Alleingang die Bossa Nova aus der Taufe gehoben, sondern auch mir, über vierzig Jahre später, einiges an Empfindungen über das Leben, die Liebe und den ganzen Rest mitgegeben, um nicht zu sagen: zuvor ungeahnte Gedanken und Gefühle in mir hervorgerufen. Was vergraben war, wurde ans Licht gebracht, was schlummerte, geweckt. Eichendorff mag es mir nachsehen, aber: Die Welt hob an, zu singen, weil João das Zauberwort getroffen hatte. Diese Alben sind pure heart food, no less.
Alles Weitere ging dann ziemlich flott: Wenige Monate nach meiner Initiation durch die sanfte Welle traf ich ein ganz besonderes Mädchen, und ich erkannte durch sie, was mir die Bossa zuvor bereits eingeflüstert hatte. Daß wahres Glück nicht in der kurzfristigen Begeisterung, der Leidenschaft des Moments und der Euphorie der Überwältigung besteht, sondern in einem fortwährenden Gefühl des Geborgenseins, des Sich-mit-der-Welt-einverstanden-Erklärens. Ein tiefer Friede, ein Vertrauen und Sich-zuhause-Fühlen.
Die Zen-ähnliche Simplizität von Gilbertos Musik spricht zum geneigten Hörer und erzählt ihm genauso viel von der Welt wie der Wind in den Bäumen an einem Nachmittag im Juni. Man muß es nur begreifen können. Elegante Schlichtheit statt Lärm und Spektakel. Süße Melancholie, ein schöner Schmerz und zugleich, im selben Moment, auch hoffnungsfroher Aufbruch und jugendliche Frische.
João behandelt die Gitarre wie eine Geliebte und flüstert dazu mehr, als daß er singt. Er führt uns Manifestationen der Liebe vor: Verlangen und Freude, Zärtlichkeit, aber auch Schmerz und Trauer.
Eine spielerische, sommerliche Musik, die immer schon auch um den baldigen Verlust des augenblicklichen Glücks weiß. Liebe, dieses ewige Rätsel, hier begegnet es uns, in wundervolle Poesie und Töne verwandelt.
Harter Schnitt, in das Knistern der Auslaufrille hinein: Der Sommer ging vorbei und mit ihm auch mein Mädchen. Das Glück kam zu mir wie ein Traum. Es währte nicht lange. So wie fast alle guten Bossa Nova-Songs bleibt es in der Regel unter zwei Minuten, auf wenige kurze Augenblicke im Leben beschränkt. Die man zudem meist auch erst im Nachhinein, wenn alles schon wieder vorbei ist, als wahre Glücksmomente erkennt.
Das portugiesische Saudade wird auf den ersten Alben Gilbertos zu reinster Schönheit, zu einem vom Hörer tief empfundenen Lebensgefühl und -entwurf: Frisches Verlangen und zugleich auch schon das Wissen um dessen Verlust und Vergänglichkeit.
Und doch ist da, bei allem Schmerz, immer auch Zuversicht. Denn etwas, das einmal war, kann irgendwann auch wieder sein. So lange man lebt, besteht Hoffnung. Schließlich haben wir (und Leonard Cohen möge mir diesen letzten Kniff verzeihen) immer noch die Musik.

Samstag, 22. August 2009

Anne Heche kann zaubern

Als ich am Sonntag mit meinen Hunden Gassi ging, kam ich an der Christlichen Gemeinde in unserem Dorf vorbei. Für diese Freikirche Schrägstrich Sekte habe ich nie viel übrig gehabt, doch jetzt, im strömenden nachmittäglichen Regen, taten sie mir fast ein bißchen leid. Das hier sollte ihr Sommerfest sein, und sie kauerten sich hilfesuchend unter Regenschirme und Vordächer. Das Volleyballturnier ward ersatzlos gestrichen, die Würstchen schmeckten auch niemandem so recht. Im Vorbeigehen dachte ich so bei mir: Petrus muß ein Katholik sein. Für Freibeuter des Glaubens hat er wenig übrig.
Wenig übrig hat der geneigte Leser für abrupte Themenwechsel. Doch sei’s drum: Mein Leben ist ein bißchen wie Bossa Nova. Da geht es auch nicht um die gespielten, sondern einzig und allein um die ausgelassenen Noten. Das Gegenteil von Virtuosität also.
Abends kam dann noch Atze Oscar Wilde auf ein Bierchen vorbei. Der gab mir völlig recht und meinte: Mein Genie habe ich auch immer bloß auf mein Leben verwandt; in meinen Büchern steckt nur mein Talent. Darauf noch ein Iserlohner. Prost.
Als der britische Besuch wieder weg war, wankte ich noch auf eine Runde Spaß und Spielerei völlig betrunken ins Internet. Dort wurde mir schlagartig ganz anders. Die Leute von dieser Zornzeit hatten es auch nicht mehr drauf. Ihr Blog ist inzwischen viel zu fiktiv geworden, die Maskeraden der Ironie zu läppisch und privat, um noch Weltgehalte, Erfahrungen oder Gedanken erkennbar werden zu lassen. Pfui Deibel. Wer liest denn so was?
Deshalb hier mal, zum Ausschlagen schön, endlich wieder das nackte, pure, pochende und rohe Leben höchstselbst: Letzte Nacht, lange vor dem verplästerten Sommerfest und Wildes Besuch, fühlte ich mich unheimlich allein. Ich wurde wach und hatte auf einmal das Gefühl, der letzte Mensch auf Erden zu sein. Doch dann entdeckte ich zum Glück, daß da doch jemand war, denn in diesem Moment erblickte ich die wunderschöne nackte Frau, die neben mir auf dem Bett lag und mich irgendwie total unternehmungslustig anlächelte. Ihre unwiderstehliche Kleiderlosigkeit, ihre ungezügelte Leidenschaft sprang mir regelrecht entgegen – aus dem aufgeklappten Mittelteil eines am Vortag von mir gekauften Herrenmagazins.

Samstag, 15. August 2009

Schokoladenjesus

Jahesius Krüst shuffelte sich gemächlich an den Schreibtisch und machte mal wieder was:
Kriegte ich es bezahlt, würde ich mehr schreiben. Würde ich es bezahlt kriegen, wäre es ein Beruf. Wäre es mein Beruf, müßte ich es jeden Tag machen. Täte ich es jeden Tag, würde mir der Spaß daran abhandenkommen. Ohne Spaß, müßte ich mich aber quälen, mir Wörter und Sätze aus der Nase ziehen, Formulierungen abringen. Ich würde zur Worthure. So aber schreibe ich, wie viele junge Männer ficken: zum reinen Vergnügen und nicht für Geld. Cash ist nicht alles im Leben. Sorry Johnny.
Später zog sich Krüst in die Garage zurück, wo er letzte Woche seinen Hund überfahren hatte. Doktor House hatte gemeint, es wäre ein Unfall gewesen, und wer wollte Hugh Laurie schon widersprechen?
Wieder sprechen wir davon, wie des Künstlers Position in unserer Welt ausschaut. Daß ein eigener Stil beim Publikum gut ankommt, muß eigentlich für den Künstler bedeuten, ihn hinter sich zu lassen, den Stil, nicht den Publikum, denn der heißt das.
Auf jeden Fall muß ein Künstler in solch Situation die schrillenden Alarmglocken abschalten, beim lokalen Sicherheitsdienst anrufen, um denen mitzuteilen, daß nichts passiert ist, sich vielleicht noch fix einen Kaffee trinken, aber spätestens dann gleich, sofort und auf der Stelle was anderes als bisher machen. Nicht mehr die typische Scheiße, sondern ganz neue Scheiße abliefern. Nicht mehr oben blau und unten rosa, sondern links schwarz und rechts Zimt. Das gilt natürlich nicht nur für die Malerei, sondern für den Rest auch.
Restlich bedient war unser Krüst, als er abends in den Flimmerkasten schaute, und mein lieber Scholli, was er da für schröckliche Gestalten erblickte, potzblitz, er dachte erst, es wäre ein neuer Zombiefilm von George A. Romero, doch nein, es war dann doch nur Zeit für den beliebtesten Privatsender der Republik.
Früher, also in seinen Jugendjahren, das war gegen Ende des Kaiserreichs, mußte man noch etwas können oder geleistet haben, um ins Fernsehen zu kommen. Heute reicht es schon aus, wenn daheim ein verhaltensauffälliges Kind sitzt, man ein bißchen kochen kann oder aber den ganzen Arsch voll Schulden hat.
Derart angepißt, ging Krüst nach oben ins Schlafzimmer, löschte das Licht und legte Watertown von Frank Sinatra auf. Tolle Platte. Kennt nur keiner.

Donnerstag, 6. August 2009

Rechts am Wald

Das Leben schlägt gelegentlich seltsame Pfade ein.
Erst letztens mußte ich beispielsweise, obwohl es so gar nicht meinem Temperament entspricht, einer jungen Dame bei ihrer Scheidung helfen. Irgendwo hatten wir uns wohl gründlich mißverstanden.
Wir kamen, als wir uns begegneten, einfach so miteinander ins Gespräch, und irgendwann erkundigte sie sich dann danach, was ich denn eigentlich so mache, und ich sagte: Rechts am Wald...
Oh, das ist ja toll, unterbrach sie mich daraufhin mit geradezu ansteckender Euphorie in der Stimme und einem vielsagenden Glänzen in den Augen.
Das Tolle daran war mir zwar noch nicht so ganz aufgegangen, zumal sie mich ja auch nicht aussprechen ließ, aber um ihr nicht den Tag zu verhageln, machte ich das Gesellschaftsspielchen einfach mal mit und nickte, wenn auch vielleicht eine Spur zu eifrig.
Sie breitete im folgenden die Trümmer ihrer Ehe vor mir aus und ließ auch ansonsten kein gutes Haar an ihrem Noch-Ehemann.
Erst da ging mir auf, daß sie wohl dachte, ich sei Rechtsanwalt, also Jurist und somit in Scheidungsfragen bewandert. Dabei wollte ich ihr doch eigentlich bloß von meiner Köhlerhütte erzählen, die ich rechts am Wald betreibe.
Damit wir beide in dieser mißlichen Situation das Gesicht wahren konnten, verschwieg ich lieber alles weitere, tat ihr einige Wochen später den Gefallen und vertrat sie vor Gericht. Sie wäre ansonsten doch wohl sehr arg enttäuscht gewesen, und das hätte ich bei dieser reizenden Person einfach nicht übers Herz gebracht. Die Wahrheit ist manchmal schon ein arger Schinder.
Die Verhandlung lief dann auch ganz gut. Ihrem Mann wurden sein alter Mädchenname, der Nagellack und die beiden Meerschweinchen zugesprochen, wofür meine Mandantin zum Ausgleich aber immerhin den Porsche, den Schokoladenspringbrunnen und die handgeklöppelten Orientteppiche behalten durfte. Das Sorgerecht für die 15-Zimmer-Villa am Stadtrand teilten sie sich.
Damit konnten alle Beteiligten gut leben, auch die Meerschweinchen.
Es scheint sich bei mir um ein wahres juristisches Naturtalent zu handeln.
Vielleicht sollte ich das Metier wechseln.

Donnerstag, 30. Juli 2009

Dawkins, du Opfer

Man täuscht sich ja auch oft in den Menschen. Viele halten beispielsweise Albert Einstein noch immer für ein Genie. Dabei war er, von der Atombombe ganz zu schweigen, auch nur ein weiterer Trottel aus Ulm. Nirgends erkennt man das besser als in einem Brief, den Einstein 1954 an den Philosophen Erich Gutkind richtete.
Dort schreibt Albert: Das Wort Gottes ist für mich nichts als Ausdruck und Produkt menschlicher Schwächen, die Bibel eine Sammlung ehrwürdiger, aber doch reichlich primitiver Legenden. Keine noch so feinsinnige Auslegung kann etwas daran ändern. Diese verfeinerten Auslegungen sind höchst mannigfaltig und haben so gut wie nichts mit dem Urtext zu schaffen. Zitat Ende.
Wir lernen daraus, daß es auf der ganzen Welt nur eine Sache gibt, die noch schlimmer ist als Religion: Atheismus.
Doch auch das vielgescholtene Christentum kann keinen wahren Trost mehr darstellen. Selbst in der katholischen Theologie wird mittlerweile angenommen, daß der Tod für den ganzen Menschen ein Ende setzt.
Nur Lieschen Müller mit ihrem ins Erwachsenenalter rübergeretteten Kinderglauben geht davon aus, daß es ein individuelles Leben nach dem Tode gibt. Sie tut dies, weil sie unfähig ist, eine Welt ohne sich zu denken. Wenn überhaupt, gehen wir einfach mal mit Aristoteles und Thomas von Aquin von der Tatsächlichkeit so einer unglaublichen Sache wie der Seele aus, dann existiert diese bloß in einer unerkennbaren Form fort.
Sie ist sich selbst und ihrem früheren Leben unbekannt, ohne Erinnerung, ohne Identität. Womöglich zwar bei Gott, aber eben nicht mehr als Lieschen Müller höchstselbst. Von daher dürfte uns das Jenseits eigentlich herzlich egal sein. Wir haben damit nichts zu schaffen. Wir sind hier.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Anhedonie

Ich bin einsam und fühle mich schlecht. Die Welt um mich herum interessiert sich nicht für mich, und sie braucht mich auch nicht.
Interessen habe ich keine mehr. Ich komme gut ohne Musik aus. Ich höre gerne nichts, Stille. Und da, wo schwarzer Regen fällt, hat jemand Gülle abgestellt.
Alt werden. Anfangen zu stinken. Merken, daß man ein bißchen so wie Maxim Biller geworden ist: Immer schlecht gelaunt, jeden Tag und heute.
Aus dem Fenster schauen. Die Nachbarin sehen. Sie kam vom Einkauf wieder, behängt mit den 36 Tragetaschen der Shaolin. Keiner hilft. Ich natürlich auch nicht. Statt dessen greife ich lieber zum Strick, steige auf den Drehstuhl und mache an der Deckenlampe herum.
Ganz traurig bin ich, der ich noch nicht gelebt habe, mich nun vom Leben zu verabschieden.
Da ruft die sanfte Stimme der Vernunft mir zu: Ertrage, man kann alles überleben.
Ich frage die Vernunft, ob ich ihre Handynummer haben kann, dann können wir uns mal auf einen Kaffee oder so treffen. Die Vernunft lehnt aber dankend ab. Das war zu erwarten.
Früher sagte ich mir immer: Auch dicke Mädchen brauchen Liebe. Aber nicht von mir. Heute wäre ich wohl nicht mehr so herablassend. Doch selbst die Dicken kommen nicht mehr.
Ich bleibe allein. Denke an ein tolles Girl von früher. Im Winter unseres Mißvergnügens trugen wir fünf Schichten Kleidung übereinander. Sie sah trotzdem noch verdammt sexy aus. Gelaufen ist nichts. Nur ich, durch den strömenden Regen.
Memories are made of Schulmädchenreport. Deutschland, nach Pille, vor Palle. Keine tödlichen Bumsviren, nirgends. Dafür ganze Hecken von Schamhaar. Das waren die Siebziger. Peter Frankenfeld führt durchs Programm. Es muß eine unfaßbar besockte Zeit gewesen sein.
Unterm Strich bleibt: Ein schöner Tag im Treckermuseum mit alten Erinnerungen.
Der Stuhl kippt.

Donnerstag, 16. Juli 2009

Tristesse in Butternudeln

Fred, der Gymnasiast, hatte es mal wieder kommen sehen. Das Licht am Ende des Tunnels war gar kein Licht, sondern nur eine Fata morgana. Die Spiegelung von etwas, was gar nicht da ist. Hochphilosophisch, aber zugleich auch sterbenslangweilig.
Es hätte ein schöner Abend werden können. Wurde es dann aber doch nicht. Fred konnte nicht aus seiner Haut. Die war übersät mit Pickeln und Frustakne. Von den zornigen Mitessern der Selbstgerechtigkeit ganz zu schweigen.
Er versuchte, sich selbst einen Witz zu erzählen. Das klappte nicht, weil er mal wieder, wie so oft, die Pointe versemmelte.
Wird wohl mal wieder Zeit, Handcreme zu kaufen. Die von den skandinavischen Fischern. Die wissen, wie der Barsch läuft. Und solange man bloß sein Geld aus dem Fenster wirft und nicht sich selbst noch gleich hinterher, ist eigentlich alles in Ordnung.
Yuppidu. Schwing schwing.
Fred wechselte hinüber ins Wohnzimmer. Seine Freundin war immer noch da. Ach so, war ja ihre Wohnung, klar, warum auch nicht. Er nahm einen Sitzplatz in würdigem Abstand zu ihrer Wenigkeit in temporären Besitz und glotzte in die Richtung, in die auch sie kuckte. Der Fernseher lief, mal wieder. Heidi Klum suchte Nachwuchs. Ihr Sangesneger reichte ihr wohl nicht mehr.
Die Rothaarige finde ich irre gut, meldete sich die Freundin vom Fred unaufgefordert zu Wort. Das wollte Fred gar nicht wissen. Höflichkeitshalber sah er aber trotzdem mal kurz auf den Bildschirm.
Die Rothaarige, aha, na ja, zur Not, also, da würde er die wohl auch noch stöpseln. Ob seine Freundin und die Rote vielleicht mal Lust auf einen flotten Dreier...? Aber bestimmt nicht, denn die eine war sterbenslangweilig und die andere würde bald Topmodel sein.
Zurückgeholt auf den harten Boden der Tatsachen, wechselte Fred noch mal rüber Richtung Küche.
Aus der anderen Räumlichkeit grunzte die Freundin irgendwas nur halb Verständliches von wegen morgen abend essen gehen herüber. Fred sagte nichts dazu und dachte bloß bei sich: Püppi, laß mal gut sein. Keep it loose und so.
Er griff beherzt zur halbvollen Wodkaflasche und eliminierte durch gezieltes Schlucken guten Gewissens einen Großteil des dort noch vorrätigen Flüssigkeitspegels.
Schnaps, das war sein letztes Wort. In diesem Sinne: Schnaps.

Donnerstag, 9. Juli 2009

Beziehungen

Beziehungen sind doch nichts. Die geben doch nichts her. Im Gegenteil: nehmen einem sogar noch was weg. Weil: Man verändert sich dadurch. Wird zu einem Menschen, der man nie sein wollte.
Klar, man muß Kompromisse eingehen. Und Rom wurde auch nicht an einem Tag niedergebrannt. Aber alles hat seine Grenzen. Es gibt schließlich auch noch so etwas wie Stolz. Den gibt man in einer Beziehung aber besser gleich mal von vornherein beim Pförtner ab.
Am Anfang ist alles, klar, was auch sonst, supidupi. Küssen und Kennenlernen und Tralalürchen.
Dieses Kribbeln im Bauch, kennst du das auch? Ja, natürlich, ich hatte ebenfalls schon mal Durchfall. Läßt der nach, dann hat auch meist das erste Verliebtsein bereits abgedankt.
Und dann läuft man irgendwann gleichgültig nebeneinander durch den Alltag, nervt sich gegenseitig an, hat aber immerhin noch Sex, für den man nicht bezahlen muß, und ehe man sich versieht, hört man sich selbst am Sonntagnachmittag so Sätze sagen wie: Schatz, ich stelle noch eben das kleine Fahrrad runter in den Keller.
Das interessiert Schatz dann aber auch schon nicht mehr. Sie sagt zwar noch Ja und Amen, denkt aber doch lieber an Brad Pitt. Nur ist sie eben nicht Angelina Jolie, sondern Katrin Paschunke. Und sieht auch dementsprechend aus. Naja, für den Fahrrad-in-den-Keller-Bringer reicht’s noch.
Solche traurigen, tranigen Existenzen trifft man überall, wo sich Menschen wider besseres Wissen zusammentun, ja: regelrecht zu einer Zweisamkeit zusammenrotten.
Da hilft nur eins: Isolation und Einzelhaft. Guantanamo, bahia guantanamera.
Logo, man findet sich selbst ja auch nicht so sonderlich geil, aber immerhin kann man sich so allein, wenn sonst keiner da ist, noch halbwegs ertragen. Da heißt es dann achselzuckend: Zwei Wochen nicht geduscht, nicht rasiert, das Haus nicht verlassen, na und? Stört doch keinen. Immerhin drei Bücher gelesen, ein paar alte Filme im Spätprogramm gesehen, Fertigmenüs in der Mikrowelle aufgewärmt und volle Pulle Motörhead gehört.
Machen Sie das mal in einer Beziehung.

Mittwoch, 1. Juli 2009

Erstes Halbjahr 2009

Die Academy Awards. Afghanistan. Air France. Android Smartphone. Avril Lavigne.
Bangkok. Barack Obama. Benjamin Netanjahu. Bruce Willis.
Charles Darwin. Das chinesische Neujahr. Cristiano Ronaldo.
Dalai Lama. Darfur.
Earth Day. Edgar Allan Poe. Erdbeben. Europäische Union. Eurovision Song Contest.
FC Barcelona. Freitag der 13.
Gasstreit. Gaza-Streifen. Gazprom. Die globale Erwärmung. Guinea-Bissau.
Hillary Clinton. HTC Magic. Hubble. Hugo Chavez.
Indien. Internationale Filmfestspiele von Cannes. Iran. Island.
Jay Leno. Jennifer Hudson. John Travolta.
Kate Hudson. Kate Winslet. Königstiger.
Lindsay Lohan.
Madagaskar. Madonna. Malawi. Michael Jackson. Moldawien. Morgan Tsvangirai.
NASA. NATO. Nintendo DSi. Nordkorea.
Ostern. Österreich.
Papst Benedikt XVI. Pinguin. Pirat. Platz des himmlischen Friedens.
Rafael Nadal.
Satellit. Schmetterling. Schneesturm. Schweinegrippe. Shuttle. Slumdog Millionär. Somalia. Somalische Piraten. Sonnenuntergang. Sri Lanka. Susan Boyle.
Teheran. Terminator: Die Erlösung. The Pirate Bay.
Valentinstag. Vulkanausbruch in Alaska.
Waldbrände in Australien. Watchmen. Wimbledon. Winnenden. Winter. Wolverine.

Donnerstag, 25. Juni 2009

Das Leben, ein Freispiel

Ich stand morgens auf und hatte schon keine Lust mehr auf den Rest des Tages. Im Briefkasten fand sich nichts als Reklame. Ein Herrenausstatter wollte mir tuntige Klamotten aufschwatzen, in Ätzfarben wie Violett und Rosa.
Später mußte ich in die Stadt. Auf allen Wegen ward mir dabei so, als lebe der metrosexuelle Mann von heute extreme close to Homo und das nicht nur in der U-Bahn. Apropos öffentlicher Nahverkehr in Köln: Nicht der Zug wird größer, sondern bloß der Tunnel. Blick ins Nichts, Erkenntnis von Allem.
So schwerfällig kam ich mir schon seit Jahren nicht mehr vor. Hatte ich den rechten Zeitpunkt zum stilvollen Abtreten etwa schon um einige Wochen verpaßt? Das wäre schade. Aber nicht zu ändern. Schließlich sagt dir nie einer, daß du aufhören sollst, solange noch die Kohle stimmt. Mick Jagger kann dir ein Lied davon röcheln. Und nur die wenigsten tun es aus reiner Liebe zum Spiel, wie damals noch Andre The Giant. Der stand halt einfach gern im Ring. Auch, als er sich vor Schmerzen kaum noch bewegen konnte. Ruhe in Frieden, sanfter Riese.
Wie dem auch sei, neben meiner Wenigkeit sind in dieser Woche außerdem noch vom Artensterben bedroht: die Meeresschildkröte, der Sumatra-Orang-Utan, der afrikanische Elefant, das indische Panzernashorn und der deutsche Mittelstand.
Bevor es abends zu dunkel wurde, um noch irgendetwas erkennen zu können, legte ich im Schimmer vom letzten Tageslicht noch schnell eine Liste mit Dingen an, die ich in den Sommerferien unbedingt erledigen möchte. Ganz oben dabei: Einen Sarg bauen, in dessen Innerem sich ein Flipper befindet, mit vielen Leuchtdioden und Rampen und Blinklichtern. Das Leben, ein Freispiel.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Inkassobüro Sivkovic

Ach, du hast also gehört, ich sei ein richtig harter Kerl? Na ja, laß es mich mal so sagen: Um den Käse zum Bahnhof zu rollen, reicht’s.
Aber du hast schon Recht: Ich bin wirklich ein ganz ein schlimmer Finger. O ja. Mir begegnet man besser nicht in einer dunklen Gasse. Hihi.
Mein zweiter Vorname ist übrigens Fubak. Das ist Serbisch oder so und steht für: Furchtbar bös den Arsch vollkriegen. Und genau das kannst du haben, wenn du mir noch mehr unverschämte Fragen stellst.
Jahrelang bin ich nun schon in diesem wunderschönen Inkassobüro tätig. Wer nicht zahlen will, muß fühlen, das war schon immer so. Und was die Auftragslage angeht, können wir uns echt nicht beklagen.
Mein Chef, Keule Eminenz, der wo da drüben am Mahagonischreibtisch sitzt, jener mit dem Goldzahn im Gebälk, der lächelt eigentlich den ganzen Tag vor sich hin, auch wenn er total mies drauf ist. Diese Grinserei kann einem auf die Nerven gehen, muß aber nicht. Das ist eben seine Vorstellung von einem Pokerface. Und vielleicht hat der Chef ja auch einen an der Knolle, weil er immer lächelt, kann schon sein. Das sagst du aber besser nicht zu laut, wenn er in der Nähe ist, denn sonst gibt es mächtig Ärger. Plus Knochenbrüche, und die nicht zu knapp.
Ansonsten laufen die Geschäfte wirklich gut. Sieht man doch schon an Chefchens Porsche, oder? Klar, mag mancher nun vorwitzig einwenden, das ham wir schon gerne: Sieht aus wie ein abgelutschter Hundekuchen und fährt so ne große Kalesche. Aber auch das behältst du besser für dich, du Schmalspur-Rambo, wenn dir dein lausiges Leben lieb ist.
Kommen wir nun zur Hauptattraktion des Abends – zu mir! Der Frauenschwarm, wo ich bin, sieht unheimlich gut aus und weiß auch um seine Wirkung beim weiblichen Teil des Publikums. Wo zwei, drei junge Damen in Miniröcken beisammensitzen, und ich gehe da lässig vorbei, kann der Kellner aber hinterher erst mal den Aufnehmer drunterlegen, sag ich euch.
Häh? Was sagst du da? Ich und ordinär? Paß mal auf, Bursche, sonst war das dein letztes Lebenszeichen vor der Eintütung in die Urne. Ich hab nämlich schon ganz andere Kaliber als dich umgenietet.
Erst letztens meinte mein Chef, es gäbe Ärger mit den Kroaten. Die haben da so einen Treff im Hinterzimmer ihres Reisebüros, illegales Spielcasino, Poker und so Zeugs, mehr mußt du nicht wissen, glaub mir, ist gesünder, je weniger du weißt, desto besser für dich. Na jedenfalls fragte Chef mich, ob ich für den Job Hilfe bräuchte, es seien wohl ungefähr fünfzehn Mann in der Zockerhöhle. Darauf nur ich so mit einem abschätzigen Lächeln: Was? Fünfzehn Figuren? Die mach ich im Stehen auf der Treppe. Und so war es dann auch.
Noch Fragen, du Flitzpiepe?

Mittwoch, 10. Juni 2009

Besuch, ein Fluch, ein rotes Tuch

Eine Frau hatte sich bei mir angemeldet. Früher hatte ich sie einmal ganz gern gehabt, aber dieses gemeinsame Wochenende gab mir und uns vollends den Rest.
Anstatt bis zu mir durchzufahren, mußte ich sie unbedingt vom Hauptbahnhof abholen. Ich hasse aber diesen verschissenen Hauptbahnhof, der keiner ist, weil er in der Einöde liegt und den gemeinsamen, Glas und Stahl gewordenen feuchten Traum der Herren Schröder, Mehdorn und Albert Speer darstellt. Tempelhof ist ein Dreck dagegen, und selbst der ekelerregende Potsdamer Platz war nur die Vorstufe zu dieser totalen Scheußlichkeit. Ein Stahlträger fällt auf Knut. Leider. Nicht. Germania 2000, wir kommen, heim ins Reich. Reich ins Heim wäre mir lieber, aber auf die Pflegestufe kann ich noch lange warten.
Abends schleifte sie mich auf ein Konzert. Ich hasse Konzerte. Überhaupt, Musik. Ich hatte ihr hundertmal gesagt, daß ich gerne nichts höre, Stille. Hier aber nun: die Abwesenheit von allem Schönen. Verrockte Kunststudenten, ungewaschen, überohrfrisiert und ohne Groove, sowohl vor als auch auf der Bühne. Nicht zu unterscheiden, wer sein Geld dafür ausgibt und welcher es sich einsackt. Die totale Gleichförmigkeit innerhalb der angestrebten, angestrengten Individuation. Hitlerjugend, here I come!
Dann wollte sie kochen. Bei mir! Bei mir wird aber nicht gekocht. Meine Küche ist ein Ausstellungsstück, für ein nicht mehr fertig gewordenes Projekt von Martin Kippenberger. Töpfe und Pfannen, zentimeterdick wie mit vorweihnachtlichem Puderzucker von mütterlich sanftem Hausstaub überzogen, stehen nur zum reinen Spaß in den Schränken. Sie versaute mir die ganze Bude, die Laune sowieso. Den Gestank des angerührten, nicht genossenen Fraßes werde ich wohl noch auf Wochen ertragen müssen, trotz Dauerlüftens in die Berliner Sommerluft hinein.
Nachts lag sie neben mir im Bett, schwitzte sehr stark und röchelte mir unordentlich die Ohren voll. Nicht mal für ein ausgewachsenes Schnarchen reichte es bei dieser lauwarmen Person. Ich fühlte mich wie eine Mailänder Salami, die in einen kalten, zugigen Hausflur geworfen wurde.
Als sie endlich wieder verschwand, war ich erleichtert und trat ihr zum Dank für die Abreise auf der Feuertreppe von hinten mit Schmackes ins Kreuz. Auf die Idee, ihr auch noch das Paket mit ihrem vermaledeiten Rotbuschtee an den Kopf zu pfeffern, kam ich leider erst, als sie bereits wieder tief im Westen versunken war.

Mittwoch, 3. Juni 2009

Eichelheimer, verliebt in eine Bombe, redet sich um Kopf und Kragen

In der Kneipe an der Ecke sprach mich unaufgefordert so ein besoffenes Arschloch von der Seite an.
Ohne, daß es mich sonderlich interessiert hätte, stellte er sich als Hans Martin Eichelheimer vor. Um gleich darauf ungefragt seine politischen Überzeugungen vor mir auszubreiten.
Deutschland, so hob er an, braucht unbedingt die Atombombe. Das ist einfach Fakt! Ich meine, Peter Scholl-Latour sagt das auch. Und der hat bekanntermaßen immer recht. Außerdem würde ich mich dann wieder viel sicherer fühlen, wenn ich in Zukunft bei Rot über die Ampel gehe oder abends betrunken mit meinem Auto nach Hause fahre. Wir sind hier schließlich nicht bei der Wohlfahrt.
Dann stierte er für einen Moment trübe in sein Bierglas, bevor ihm doch noch was Schlaues einzufallen schien. Sein Geistesblitz lautete wie folgt: Und irgendwie müssen wir uns doch schließlich vor diesen ganzen Kaffern weltweit schützen. Dieser Achmadingsda im Iran, der tanzt uns doch schon jetzt auf dem Kopf rum, wie es ihm paßt. Oder der Bekloppte aus Korea. Solchen Brüdern kommt man nur mit Härte bei. Man muß die schocken, nicht tätscheln. Die Welt zu Gast bei Freunden? Daß ich nicht lache!
Nachdem er hinter vorgehaltener Hand kurz aufgestoßen hatte, zauberte Eichelheimer mit einer umständlichen Geste eine Art Formular aus der Innentasche seiner speckigen Jacke.
Er erklärte mir: Ich habe da auch schon was vorbereitet. Das ist so eine Art Petition für den Bundestag. Ich sammle Unterschriften, damit die feinen Herren Volkstreter, hähä, das sag ich immer, statt Volksvertreter, verstehste? Damit die mal umdenken. Denn wir brauchen die Bombe doch.
Also, und mit diesen Worten kramte er auch noch einen Kugelschreiber hervor, am Besten einfach hier mal schnell unterschrieben und unser gemeinsames Anliegen unterstützt. Ihre Kinder und Kindeskinder werden es Ihnen später danken.
Entschuldigung, sagte ich da zu Eichelheimer, das klingt interessant, aber ich muß mal kurz aufs Klo. Bin gleich wieder da.
Das Toilettenfenster war ziemlich eng, aber irgendwie ging es dann doch. Schnell durchgezwängt und ab über den Hinterhof. Das nächste Mal trinke ich wieder daheim.

Donnerstag, 28. Mai 2009

Ein offenes Wort unter Freunden

Guten Tag. Mein Name ist Angela Merkel. Ihr seht mich nie lächeln, doch ich habe große Brüste.
Du würdest nicht eine Meile in meinen Mokassins laufen wollen. Mein Leben wäre zu hart für dich, du Stiefelputzer.
Ich wurde in der DDR geboren. Die große Stadt lockt mit ihrem Glanz, mit schönen Frauen, mit Musik und Tanz. Doch der Schein, der trügt. Deshalb blieb ich in der Provinz und studierte Physik.
Dann lernte ich meinen Mann kennen. Er gewann mein Herz, als er mir folgenden Rat mit auf den Weg gab: Angela, sagte er, schlage nie deine angehende Schwiegermutter mit einer Schaufel nieder. Es könnte einen Schatten auf die zukünftige Ehe werfen. Sowieso ist, den eigenen Leidenschaften nachzugeben, die größte Form der Sklaverei.
Beim Millennium hatte ich richtig Angst um meine Daten. Ich hatte eine 20-Megabyte-Festplatte, da paßte eine Menge drauf. Zum Glück ist dann doch alles gutgegangen.
Auch ist nicht jeder Mensch ein Ferkel. Die kruden Andeutungen im Neuen Testament, daß da vielleicht was mit Maria Magdalena hätte gewesen sein können, kann man nämlich auch so verstehen, daß da überhaupt nichts gewesen ist. Kumpel Jesus war schon tippitoppi.
Und nun wird es noch buddhistisch, denn zwei Menschen lesen niemals dasselbe Buch. So, wie man auch niemals zweimal in den selben Fluß steigen kann.
Jetzt möchte ich noch kurz menscheln, wenn ich darf und sagen, daß mein Häschen und ich abends gern einmal essen gehen im Chinarestaurant Mykonos.
Und auch heute könnt Ihr wieder etwas lernen, liebe Bundesbürger. Diesmal, was es mit der Abkürzung „RAF“ auf sich hat. Das steht für: Richtig Aufmerksame Fußgänger. Das war eine Gruppe, die vor dreißig Jahren für Furore sorgte, und die neigten auch immer so ein bißchen zum Fanatismus. Wer zum Beispiel Faxen machte, kam in den Kofferraum.
Danke für die ungeteilte Aufmerksamkeit. Es grüßt Sie Ihre Kanzlerin.

Donnerstag, 21. Mai 2009

Wortpest

Adorno. Aids. Anbetung. Anne von den Preluders. Arbeitslosenzahlen. Aristoteles. Asthma. Ausbeutung. Bandwurm. Bergpredigt. Berührungen. Bewegungsmangel. Bierschinken. Blumen im Haar. Bossa Nova. Bruder. Calypso. Caren Miosga. Das Hausboot der Kelly Family. Demokratie. Denken, aber abstrakt. Deutschland. Diktatur. Drogenkonsum. Duelle. Einsamkeit. Eisbären. Endspiele. Enterbung. Ernst. Erpressung. Ficken. Flachbildröhren. Freibier. Gefangene. Gefühle. Geschichte. Gespenster. Gewalt. Glaube. Global Player. Grilltomaten. Gründonnerstag. Handentspannt. Heavy Metal. Integration. Jesus. Karies. Katechismus. Kautabak. Keilereien. Kindersex. Kippenberger. Kleptomanie. Knut. Kopflastigkeit. Kopfläuse. Kreativität. Kreuzberg. Lack und Leder. Lisa Plenske. Lohnsteuer. Lügen. Mädchen. Management. Manipulation. Marketing. Masochismus. MC Hammer. Menschenleben. Menschenverachtung. Mobilität. Mobbing. Moers. Mord. Motorraddiebstahl. Naturmaterialien. Neuss. Ökosteuer. Onan der Zerstörer. Oralsex. Petting. Pferdeäpfel. Popeye. Prinzessin. Programmieren. Projektion. Prostitution. Qualität. Randexistenzen. Rock ’n’ Roll. Satanismus. Scheißinternet. Schizophrenie. Schwester. Selbstmord. Singlereisen. Soziale Kompetenz. Spaß. Sperma. Spinat. Sportsgeist. Strom sparen. Suff. Taktik. Tango. Tao. Tarifabschlüsse. Tierpornos mit Handlung. Tierschutz. Truppenabzug. Unterdrückung. Verarmung. Verdummung. Verführung. Verhütung. Vitamin B. Webdesign. Wissenschaft. Wurstfest. Zahnspange. Zivilcourage. Zornige Zebras mit Zysten an den Zedern. Zulassen. Zusammenarbeit.

Dienstag, 12. Mai 2009

Elektrisches Geheul XII

Epilog.
Nekrolog.
Nepomuk.
Sinn und Leben stehen in Büchern.
Und doch kann ihnen keiner beikommen.
Es war eben gerade erst vor einem Augenblick.
Es ist lange her.
Es wird Jahre dauern, um diesen Verlust zu überleben.
Sinnlos lasse ich mich, angetrieben von der Kälte, über die Gänge treiben.
Am Ende war ihre Reinheit doch wertlos.
Was ist nun besser?
Stille sein oder toben?
Die Ameisen unter uns, ihrer eigenen Intelligenz gehorchend, würden sich eine solche Frage nie stellen.
Und doch ist sie da und wird es immer bleiben.
Was einmal gesagt wurde, kann nicht mehr aus der Welt genommen werden.
Es ist absurd, sich in ein Mädchen wie dich zu verlieben.
Und doch hatte ich damals, am silbrigen Forellenbach, nichts Besseres zu tun als genau das.
Ich malte mir aus, wie es wohl wäre, wenn du und ich sich selbst genügende Früchte sein könnten.
Du werkelst an mir herum.
Ich dringe in dich ein.
Gemeinsam wäre uns die gebärende Nacht als absoluter Ausweg erschienen.
Es hätte doch auch klappen können.
Sogar den Namen unserer eingeborenen Tochter hatte ich mir schon zurechtgelegt.
Anjuscha.
Immerdar wird mir deine Reinheit vor Augen stehen.
Wie der Balken, den Jesus nicht herausbekam.
Der immer wieder neue Splitter trieb.
Keine Früchte brachte.
Und selbst die Götter bleiben fern.
Karwoche.
Halleluja.

Dienstag, 5. Mai 2009

Elektrisches Geheul XI

Mein aufgekratzter Hüftspeck füllte die gesamte Umgebung aus.
Ich wartete auf den Schnee, der mich unsichtbar werden läßt.
Der mich verbirgt.
Wie eine abgenagte, von zu vielen morschen Tränen zerfressene Decke, die ein alter Freund höhnisch mit dir teilen würde.
Die Wege und Umwege der Liebe sind manchmal schwer zu beschreiben.
Und doch scheinen sie uns die einzigen Pfade zu sein, auf denen es sich noch lohnt, zu wandeln.
Auch das Mitgefühl ist so schnell nicht klein zu kriegen.
Selbst Einbahnstraßen führen doch irgendwo hin.
Als ich endlich losließ, klapperte die Vogelscheuche auf dem Feld bloß kurz mit den Zähnen.
Es war recht kalt für diese Jahreszeit.
Ungewohnt schnell hatten wir zwei zu unseren Gewohnheiten zurückgefunden.
Deine guten Vorsätze fürs nächste Jahr hakten sich bei dir unter.
Sie begleiteten dich bis zur Haustür.
Dort setzten sie dich ab.
Ich hatte die ganze Zeit versucht, aufrecht zu bleiben.
Doch konnte am Ende letztlich bloß noch kriechen.
Matt, kühl, gelassen und nüchtern begab nun auch ich mich auf den einzigen Weg, den ich jetzt noch ungestraft beschreiten konnte.
Als sich von der Schnellstraße das erste motorisierte Rauschen der frühen Pendler zu mir herüberschlängelte, erreichte ich die Schwelle.
Ich war zurück in der Klinik.

Montag, 27. April 2009

Elektrisches Geheul X

Nachdenklich kratze ich die fettigen Tofuwürstchen zusammen.
Gedanken schießen aus dem Eisenbahntunnel, der vormals meine Stirn gewesen ist.
Der Herr der Stäbe kehrte aus der Bibliothek zurück.
Und weinte sich darüber aus, daß er unterwegs seinen Personalausweis verlor.
Auf die Idee, einen neuen zu beantragen oder einfach in Zukunft der Polizei aus dem Weg zu gehen, kam er nicht.
Beschwerlich war unser Abschied von ihm, der keiner war.
Und doch entsprach dieser menschliche Makel eher unserem emotionalen Wunschgewicht als es die halbherzigen Rettungsversuche, in Gedanken bereits längst durchgespielt, je hätten können.
Das erste Morgengrauen zerstörte all unsere Träume.
Allein deine Hoffnungen waren dir geblieben, denn du hattest sie niemals in mich gesetzt.
Ich weckte dich und improvisierte ein Frühstück.
Das Popcorn mit Tabasco reichte nicht lang.
Und sich bis zur Besinnungslosigkeit mit dem Rest vom vegetarischen Festtagsbraten vollzustopfen, wurde uns auf Dauer auch zu langweilig.
So würgtest du ein finales Gewölle hoch.
Und ich machte den ersten Schritt hinein in eine neue Ahnungslosigkeit.
Die Leere am Lagerfeuer löste sich in Rauch auf.
Nebelschwaden aus Ungläubigkeit stiegen empor zum Himmel unseres Mißvergnügens.
Die Nachlässigkeit, der wir uns immer ausgesetzt hatten, forderte an diesem jähzornigen Morgen ihr erstes Opfer.
Mit Bestechungsgeldern war es nicht getan.
Der zu zollende Tribut sollte deutlich höher ausfallen.
Mein Fleisch und mein Blut werde ich wohl behalten.
Der Rest jedoch, auf den es eigentlich ankommt:
Meine Seele.
Meine Gedanken.
Den Zettel vom Großeinkauf.
Und meine Liebe.
All das wirst auf ewig nun du mit dir herumtragen.

Dienstag, 21. April 2009

Elektrisches Geheul IX

Das Chlor schlug mir auf die Augen und benetzte meine seligen Erinnerungen.
Ausgelöscht werden würde gar nichts.
Alles blieb, wie es war.
Nichts hatte sich geändert.
Du warst noch immer schön und ich noch immer verliebt.
Zum Tanz aber würdest du nun jemand anderen auffordern müssen.
Du wirst nicht lange allein bleiben.
Dafür bist du nicht der Typ.
Der Wind umspielte noch ein Mal widerwillig die Glut des verlöschenden Lagerfeuers.
Dabei dachte ich wehmütig an die Stelle oben am Bach.
Wo ich dir einen Piratenhut geschnitzt hatte.
Ein ander Mal wolltest du mich freisetzen.
Doch ziemlich schnell erkannte ich, daß auch du nur eine Mieze unter vielen warst.
Auf deren vergletschertem Herz man prima eiskunstlaufen konnte.
Die perspektivlosen Haare standen mir zu Berge.
Im Tal knisterte es forsch drahtlos.
Die Geschichte ist immer alt.
Und doch immer wieder neu.
Das erfreut den Leser, doch ermüdet auf Dauer den Chronisten.
Palindrome nehmen keine Rücksicht.
Und schlauer ist man immer hinterher.
Spätestens nach der Einlieferung ins Lazarett.
Wenn sie dich auf Diät und unter Drogen setzen.
Dann erscheint vieles nicht mehr so schmerzhaft wie es war.
Und du vergißt das Gefühl, das du hattest.
Als du tatsächlich an die Reihe kamst und wirklich den Ball abgeben mußtest.

Dienstag, 14. April 2009

Elektrisches Geheul VIII

Kurz hinter der Kläranlage trickste sie mich ein weiteres Mal aus.
Der fliederfarbene Regen benetzte meine Augenlider und reinigte unentgeltlich unsere verschwitzten Handtücher.
Da schwor ich mir, niemals wieder Witze über Rüschenblusen zu reißen.
Und du sahst aus wie ein zerzauster Autoreifen.
Und ich fühlte mich wie ein frischer Pfannkuchen.
Das gelbe Trikot der Hoffnungslosigkeit aber war zerrissen.
Einzig die feurigen Fetzen des Norwegerpullovers hielten uns noch warm.
Die dunklen Stunden erschienen mir länger als es ausgemachte Tage je hätten sein können.
Verrat.
Betrug.
Migräne.
Zahnschmerzen.
Und gewechselte Windeln.
Gemeinsam standen sie stumm am Wegesrand.
Und gedachten beiläufig unserer Gleichgültigkeit.
Die energische Ruhe bedrängte den Sturm.
Auch er war nicht bereit, sich ihr zu öffnen.
In diesem Augenblick fühlte ich, daß noch viele Männer in dein Leben treten würden.
Doch nicht einer von ihnen könnte je wieder dein Herz aus dem Mülleimer hervorholen.
Was nicht zerbrochen ist, ist noch gut, so sagt man.
Und ein hautenger roter Badeanzug kann so manche Narbe verbergen.
An all das wird von jenen immer feste geglaubt, die auch ansonsten immer falsch liegen.
Mit ihren Vermutungen und kleinen durchtriebenen Geheimnissen.

Dienstag, 7. April 2009

Elektrisches Geheul VII

Fordernd blinkt das Licht des Anrufbeantworters vor sich hin.
Und ich spüre bereits, daß es keinen Unterschied macht, ob man sich jetzt mit Nägeln oder gleich mit Worten verletzt.
Zaghaft streife ich deinen Seidenschal.
Und trommle mit meinen Fäusten gegen die alte Tapete, der das nichts ausmacht.
Durch den Regen zu laufen ist ab sofort keine romantische Herausforderung mehr.
Es stellt allein eine offene Herausforderung zum Bronchialkrebs dar.
Der fleißige Konjunktiv mag da bekochen, wen er will.
Hier aber wird er bloß noch erkaltete Tatsachen vorfinden.
Vergreiste griechische Wandteppiche kratzen sich dabei die altklugen Flusen aus dem Pelz.
Lange Haare von dir finden sich keine darin.
In der Biegung vom wilden Fluß hatten damals Paparazzi versucht, uns abzuschießen.
Sie verfehlten ihr Ziel nur knapp.
Diesem Schrecken entronnen, stießen wir an der alten Blockhütte auf einen verblendeten Stamm militanter Amazonen.
In ihren Lockenfrisuren verfingen sich bereits die Motten.
Mit solchen Komplikationen hatten zuvor nicht einmal die Forscher gerechnet.
Wir schwiegen uns aus und dachten an Brusthaare, die sich wie läufige Hündinnen im Wind kräuseln.
Immer noch besser als blondierte Sirenen, die nicht aufhören können, zu heulen.
Die Revolution würde noch ein wenig auf uns warten müssen.
Auch sieben Tage Regenwetter hatten das kleine Mädchen in mir da nicht besänftigen können.
Mein Oberteil mußte dringend mal wieder gebügelt werden.

Mittwoch, 1. April 2009

Elektrisches Geheul VI

Ich erwachte.
Die Bäume würden bleiben, wo sie sind.
Und nicht einer von ihnen würde Lust verspüren, in unserem gemeinsamen Tagebuch zu blättern.
Auch die Lämmer würden sehen müssen, wo sie bleiben.
Wir konnten uns nicht um alles kümmern.
In diesen blauen Stunden schmolz der stolze Schneemann dahin.
Als Letztes waren noch seine blondgefärbten Haare zu erkennen.
Zwei eifrige Bulldoggen besudelten ausgelassen seine Überreste.
Und ein findiger Geschäftsmann verkaufte diese Reliquien später als Zitroneneis.
Kapitalismus ist alles.
Und bedeutet doch nichts.
Denn die wahren Rätsel kann ausschließlich unsere Unwissenheit auflösen.
Ich erinnerte mich.
Ich vergaß gleich wieder.
Reife Melonen und schwarze Bademäntel lachten deinen seidenen Ohrringen entgegen.
Ein Tag am Strand der Gemeinsamkeiten.
Gefangen im Fegefeuer der Apathie.
Dann wieder leidenschaftliche Blicke in der Halbzeitpause.
Aversionen und Gladiatoren, eingeölt für den Ringkampf.
Alte Socken auf der Feuertreppe.
Streifenhörnchen und höhnisches Gelächter.
Unschuldige Blicke und ungläubige Mädchen.
Schiefe Zähne und strähnige Haare, die mal wieder gewaschen werden mußten.
All das warst du für mich.

Dienstag, 24. März 2009

Elektrisches Geheul V

Dem langen harten Ritt folgte ein beklemmendes Ausgeliefertsein an die Wäscheklammern der guten Hoffnung.
Schmutz stellte schon längst keine Verführung, keine Herausforderung mehr dar.
In einem ranzigen gelben Straßencafé nahmen wir den frühen Speck einer glorreichen Vergewisserung zu uns.
Ertranken beinahe auf dem harten Pflaster und legten uns in der Kaffeekanne schlafen.
Du träumtest unruhig.
Von Molekülen und Lavaausbrüchen.
Während deine Augenbrauen langsam zusammenwuchsen, sah ich dir von der Seite zu.
Ich vergaß für einen Moment, wie vergeblich das alles hier war.
Im Grunde sehntest du dich nach Bewunderung.
Doch wir beide wußten, daß du sie bei mir niemals kriegen würdest.
Das Befolgen der Sicherheitsvorschriften hatte mich nicht ein einziges Mal vor der aufdringlichen Werbeunterbrechung retten können.
Grausames Katzenfutter und das natürliche Wohlbefinden hatten sich frisch geduscht.
Sie erschienen rasiert und hatten ihren besten Anzug angezogen.
Bloß die Intimtücher ließen noch auf sich warten.
Wahrscheinlich standen sie im Stau.
Oder schmierten eben jetzt unleserliche Anzüglichkeiten an Hauswände.
Die roten Turnschuhe bündelten ihre launigen Energien.
Mit dem Fernglas besahen sie sich angestrengt die Spuren einer ersten zaghaften Liebe.
Die verfallenen Ruinen der Zärtlichkeit.
Wahrscheinlich war sie mittlerweile längst beschäftigt mit dem ewigen Abwasch.
Kostenlos würde hier heute jedenfalls niemand mehr zur Prinzessin werden.
So viel stand mal fest.

Montag, 16. März 2009

Elektrisches Geheul IV

Niemand weiß, wie ich wirklich bin.
Ich habe mir auch nie die Mühe gemacht, irgend jemanden einzuweihen.
Da braucht man sich am Ende über Einsamkeit nicht zu beklagen.
Noch immer liefen die Trüffel aus.
Davon ließen sie sich auch durch gutes Zureden nicht mehr abbringen.
Zähe kleine Bastarde.
Das Korallenriff war defekt.
Und den Zuschlag für den Meerblick konnten wir nicht aufbringen.
Bitte verlassen Sie unser Etablissement.
Das stand dem Kellner dort drüben mitten ins Gesicht geschrieben.
Unnötig, es auszusprechen.
Wir hatten uns schon zuvor ausgestoßen gefühlt.
Der Notausgang war versperrt durch einen sizilianischen Schnellkocher.
Hier hin hatte er sich auf sein Altenteil zurückgezogen.
Er küßte geduldig die weiß gekachelte Tasse im Auffangbecken des Schreckens.
Ich stand daneben und wußte nicht, wohin mit mir.
Also atmete ich rasselnd ein.
Und wartete auf ein Zeichen, das sich weiter aus dem Fenster lehnte, als meine Hoffnung reichte.
Maria voll der Gnade wünschte den Menschen auf Erden eine zünftige Gänsehaut auf den trägen Pelz und die Pest an den ungewaschenen Hals.
Doch mehr als der fromme Wunsch der gefalteten Poesie würde wohl auch davon nicht übrigbleiben.

Dienstag, 10. März 2009

Elektrisches Geheul III

Auf einmal das elektrische Geheul und Zähneklappern der Paragraphenhengste.
Die fahlen Ergebnisse unserer empirischen Untersuchungen standen wie ein Mann vor uns.
Gelb umrahmte Informationszentralen stachen wie Äpfel aus der Dunkelheit heraus.
Uns konnten sie weder Trost sein noch ein verlogenes Versprechen abringen.
Es gelang ihnen nicht, uns über die tiefe Trauer hinwegzutäuschen, die wohl noch lange unser Begleiter bleiben würde.
Naja, wenigstens etwas Gesellschaft.
Verzagte Frauen wie du kauen immer auf ihren Fingernägeln herum.
Der Calciummangel machte sich deutlich bemerkbar.
Wie wir uns sowieso gut mit Mangel und nichts anderem auskannten.
Für Heldentaten hatten sie uns nicht erschaffen.
Schließlich war das hier nicht Hollywood.
Hier gab es noch echte Verletzungen.
Wirkliche Gefahren und abgerissenes Klebeband.
Mit etwas Spucke, Schokolade und gutem Willen sammelten wir die Fünf-Cent-Münzen ein.
Nur den vergammelten linken Cowboystiefel ließen wir zurück.
Er hatte dir sowieso nie gefallen.
Unrasiert und aufgekratzt vom vielen Koffein putzten wir uns die Nasen an der ganzrationalen Funktion des dritten Grades ab.
Ich wollte die Verletzung nicht an mich heranlassen.
Doch davor, dich zu überhöhen, konnte ich mich nicht schützen.
Es schien mir so natürlich wie das zu laute Ticken der Uhr in den stillen Stunden vor der Dämmerung.
Jetzt aber ist alles anders.
Und ein Teil von mir ist kein Teil mehr.
Er ist das Ganze geworden.
Und gehört nun, bei aller Unschlüssigkeit, zu dir.
Wo er noch bis gerade eben war, ist nun ein leerer Fleck.
Sieht man hin, so kann man ihn nicht erkennen.
Doch sieht man vorbei, dann bemerkt man das Flimmern aus den Augenwinkeln.

Montag, 2. März 2009

Elektrisches Geheul II

Der Seelsorger des Hotels drohte uns mit Beugehaft.
Da wußte er noch nicht, daß er diese Prüfung allein würde ablegen müssen.
Wir aber waren da schon wieder auf unserem Weg.
Zuversichtlich, immer mitten hinein in eine neue Trostlosigkeit.
Zu eben jener Zeit muß es gewesen sein, daß ich den Sinn des alten Liedes begriff.
Es erzählte mit leisen Tönen und großen Gesten von dem Sturm auf der wilden See.
Nach Perlen hatte ich dort getaucht.
Und doch nichts gefunden als verschlossene Miesmuscheln.
Die Unschuld vom Lande entwickelte sich langsam zur alten Jungfer.
Geblieben war ihr nicht mehr viel.
Ein bißchen Nächstenliebe.
Etwas Gebirgsblütenhonig.
Und ein schmaler Rest Bossa Nova.
Sanftes Zupfen auf den Seiten meiner Abhängigkeit von dir trat als Zeuge deiner Meisterschaft auf.
Deine Seele wie altes Vinyl war zerkratzt und hatte an deiner Lieblingsstelle einen Sprung.
Als Probandin hattest du nicht viel hergegeben.
Als weiße Leinwand aber konntest du durchaus von einigem Nutzen sein.
Ich hatte dich, wie es so meine Art ist, ausschließlich für meine Zwecke benutzt.
Die Schweinerei dahinter erkannte ich erst später.
Auch Ungerechtigkeit ist bloß ein Name, den man beizeiten vor sich hin sagen kann.
Man spricht ihn in die Stille hinein und kann sich darum vormachen, man besäße eine Heimat.

Dienstag, 24. Februar 2009

Elektrisches Geheul I

Ein Schmerz in der Brust, der nicht nachläßt.
Der hartherzig ist und nicht nachgeben kann.
Der mich bezwingt und dich beeindruckt.
Ein ungeladener Gast, der die Party sprengt und sich auch von der drohenden Polizei nicht abschrecken läßt.
Ihn kann doch keiner.
Und nach ihm der Gerichtsvollzieher.
Als es dämmerte, war uns noch vieles unklar.
Um Zeit zu sparen, verlas sich die Anklageschrift selbst.
Es war so völlig offensichtlich, daß uns bloß noch die Abwesenheit von allem als letzter großer Verbündeter geblieben war.
Unser heimliches Werben wurde über Nacht zu einem Vergehen und Verglühen.
Deine gierige schwarze Seele hatte mit der Zeit meine salzigen Eingeweide ausgeplündert.
Ich wußte es nicht besser und hatte es darum geschehen lassen.
Ihre gierigen Blicke hatten mich bis auf die Knochen ausgezogen.
Nur einmal jung zu sein kann eine unerhörte Gnade darstellen.
Schulterblätter wehten im glorreichen Hauch unseren fauligen Atems.
Wohlige Wärme durchströmte mich bei der aufkommenden Erinnerung an die silbernen Tragflächen.
Auf denen war einst der große edle Wolf mit seinen blanken Zähnen zu uns herabgestiegen.
Die Wunden der Anderen waren uns egal.
Melodramatisch waren wir selbst.

Montag, 16. Februar 2009

Gib Nazi eine Chance

Die süße kleine Nazi. Ein liebes Mädchen. Nur beim Vornamen haben sich ihre Eltern einen groben Scherz erlaubt. Der Mann vom Amt, auch sonst kein Quell von Traurigkeit, war darauf glatt eingestiegen. Und Nazi hatte den Salat, ein Leben lang.
Doch sie nahm es mit Humor. Gemutsmäßig war sie ein totales Sonnenscheinchen. Das half ihr über vieles hinweg, wo mancher schon eingebrochen wäre wie auf zu dünnem Eis. Sie aber nicht. Nein, Sir. Ein role model war sie durch und durch.
Ihr bester Freund war ein Junge namens Susi. Seine Eltern hatten in ihrer Prägephase einfach zu viel Mike Krüger gehört.
Als es nun also bei Susi an der Türe klingelte, wußte dieser gleich, daß es sich bei der Einlaß wünschenden Person nur um die süße kleine Nazi handeln konnte. Diese hatte sich bereits im Vorfeld weiträumig telefonisch angekündigt. Susi drückte also den Türöffner und ließ gewähren.
Hallo Nazi! flötete der gut gelaunte Susi bereits im Hausflur. Schön, daß du da bist. Hätte ich dich heute erwartet, hätte ich Kaffee gekocht und Kuchen da.
Als Nazi die Küche im Jugendstil betrat, standen da brühwarmer Kaffee und ein riesiger selbstgebackener Schokoladenkuchen. Das war so ungefähr Susis Witzniveau.
Am Anfang, als sie sich kennengelernt hatten, hatte sie Susi, zugegeben, ein bißchen genervt, weil er immer so scherzhaft von Fickificki und Heiraten sprach. Das hatte sie ihm aber mit der Zeit abgewöhnt. Sie wollten jetzt einfach nur Freunde sein. Also Nazi wollte das. Und da sie eine Prinzessin war, bekam sie immer, was sie wollte.
Davon, daß Susi beim Onanieren manchmal noch immer an sie dachte, hatte Nazi keine Ahnung. Das war wohl auch im Endeffekt echt besser so. Denn hätte sie davon Wind bekommen, dann hätte sie sich sowieso nur wieder total und tierisch aufgeregt.
Während die zwei nun genüßlich mit klebrigen Pfoten den Kuchen verspeisten, unterhielten sie sich über die akuten Luxusprobleme unserer Tage: Immer, wenn ich ins Internet gehe, gewinne ich einen Audi A3. Das mußt du dir mal vorstellen, Nazi. Ich weiß schon gar nicht mehr, wohin mit den Dingern. Entweder ich muß bald anbauen oder ich verkaufe sie bei eBay.
Du kannst mir ja einen zum Geburtstag schenken, kicherte Nazi. Der fiel dann auch noch was ein, um das launige Gespräch in Gang zu halten: Weißt du was, Susi? Ich schreibe seit neuestem Kurzgeschichten für einen Internetblog. Aber eigentlich nur für mich selbst.
Echt? meinte daraufhin Susi und zeigte sich eine Spur zu begeistert. Er grinste und sagte: Mir gefällt deine Zielgruppe.
Manchmal war sich die süße kleine Nazi gar nicht sicher, wie sie seine Scherze aufzufassen habe.
Aber sein Schokoladenkuchen war echt lecker. Dafür nahm man auch hier und da mal einen unerwünschten verliebten Blick von der Seite in Kauf.

Dienstag, 10. Februar 2009

Die Connection steht

Der feine Freiherr Dragomir Ingomar von Hodenstein sprach mal wieder ebenso weltabgewandt wie von sich selbst angetan in sein desinteressiertes Gegenüber rein. Hier nun, was wir von seinen Auswürfen auf die Schnelle notieren konnten. MAZ ab.
Die Mitte kann nerven. Die Abseitsstellung aber auch. Aus Hingeworfenem mache ich Dazugelegtes, aus Liebe ein leckeres Sorbet. Ich weiß nur noch nicht, wie man das schreibt. L I E H B E.
Als Disziplinarstrafe empfiehlt sich da, vorzüglich bei Legasthenie, doch auch sonst so, die Niederhockung neben einen handelsüblichen Anrufbeantworter, der ständig befeuert, aber nie besprochen wird. Idioten ohne Mund lassen es durchklingeln, aber legen gleich wieder auf, ohne zu sprechen. Das bitte fein säuberlich durchprotokollieren mit Datum, Uhrzeit, Form und Farbe des konstitutionellen Ablaßhandels.
Technik begeistert schon lange nicht mehr. Sie verarscht uns doch eher, als daß sie den Alltag gemütlicher macht. Klappbox, klappt vor und zurück, klappt aber gar nicht. Darum mein Vorschlag zur Güte: Wir tun jetzt mal so, als würden wir uns füreinander interessieren. Anschließend haben wir dann Sex, und ich mache den Abwasch. Na, bin ich nicht ein gutes Hundilein? Jetzt will ich aber auch einen Knochen. Kann auch ruhig von einer Leiche stammen.
Apropöchen, talking of the dead: Es stand heute morgen in der Zeitung, also muß es stimmen – Tote Flüchtlinge entführen Ausländer auf US-Kosten. Ich habe immer schon gesagt, daß mit diesen Zombies nicht zu spaßen ist. Nur muß man denen halt auch mal verklickern, daß sie umzufallen haben, wenn man ihnen in den Kopf schießt. Denn sonst, so völlig ohne Spielregeln, macht auch die Apokalypse keinen Spaß. Daran ist nicht zu rütteln, komme, wer da wolle, meinetwegen Milla Jovovich in einem hochgezüchteten Ego-Shooter oder der Papst beim Sparring im Kettenhemd gegen Regina Halmich.
Mittagspause schon vorbei? Okay, dann halt wieder Tagesgeschäft: Wir, also die Leute, die sich erdreisten, von Freundschaft zu sprechen, klöppeln Folgendes hinter vorgehaltener Hand in den Himmel voller Geigen und Gehässigkeiten – Frollein Blut ist eine zierliche Nervensäge auf der Suche nach Hämoglobin. Streberleichen wie sie haben wir früher aus dem Fenster geworfen und dabei gehofft, daß sie niemals unten ankommen. Heute aber machen wir geliftete Miene zum abgekupferten Spiel, denn schließlich gibt sie uns das Geld. Ja, Chef, danke, Chef. Wir lieben Sie auch.

Dienstag, 3. Februar 2009

Blöd zu sein bedarf es wenig

Der kalte Brei schmeckte Dörte Densing nicht mehr. Überhaupt war sie über ihrer Stelle als Chefsekretärin eines großen Verlagsunternehmens nicht nur leicht nervös, sondern auch übelst abgestreßt und liederlich geworden.
An manchen Wochenenden kam sie gar nicht mehr raus aus dem Bett und wenn doch, dann lief sie achtundvierzig Stunden lang orientierungslos im Winnie-Puh-Schlafanzug durch ihre abgedunkelte Wohnung.
Frei vor sich hin zu denken, das wußte Dörte immerhin, dazu bedarf es einer großen geistigen Kühnheit. Man könnte allerdings auch sagen, daß man dafür einfach nur ein bißchen unvorsichtig, doof und naiv sein muß. Am Ende läuft das wohl auf das selbe hinaus.
Der große Intellektuelle und der große Tölpel unterscheiden sich nur in Nuancen voneinander. Der eine trägt Anzug, der andere läuft durch den Tag wie der letzte Kartoffelbauer. Ansonsten sind sie jedoch Zwillinge, bei der Geburt getrennt.
Unterdessen machte sich in Dörtes Schuhschrank mal wieder die Eintönigkeit breit. Das Furnier lag auf der faulen Haut und verpraßte die letzten Reste vom Begrüßungsgeld. Sparsam war es nie gewesen.
So bei sich dachte es einen Moment lang: Morrissey ist eine Muschi. Franz Josef Strauß, das war noch ein richtiger Mann.
Da kam aber auch schon Tommy Lee Jones um die Ecke und klärte das Furnier über seine Rechte auf. Das Recht, furchtbar bös aufs Maul zu kriegen stand dabei ganz oben auf dem Wunschzettel.
Denn Tommy Lee Jones, Land auf und Land ab als Mann der Tat bekannt, verhandelte nun mal nicht mit wurmstichigen Psychopathen. In der Hinsicht waren sie alle gleich, diese vor ihrer Zeit hartgewordenen Einzelkinder.

Dienstag, 27. Januar 2009

Die Feuchtgebiete der Wanderhure

Es waren einmal ein Junge und ein Mädchen. Nennen wir sie der Einfachheit halber Tip und Ex, denn Boris und Sandy gab es schon. Diese beiden zogen nun durch die Lande. Sie wollten es damit ihrem großen Idol gleichtun, Hape Kerkeling.
Kennengelernt hatten sie sich wie folgt, Achtung, ich zitiere wörtlich: Mann, wenn das mit uns beiden was werden soll, brauchst du unbedingt ein Sixpack. Frau, da ist die Tür. Damit war das Eis schon gebrochen.
Wenn sie auf ihrer Wanderschaft unterwegs auf andere Pilger trafen, hüteten sie demütig ihr Geheimnis. Keiner von denen kriegte mit, was die zwei eigentlich vorhatten. Doch da war einiges in Planung, das könnt Ihr mir glauben.
Abends, wenn sie allein in ihrem Zweimannschlafsack lagen, der Reiner Calmund früher mal als Jogginghose gedient hatte, deutete Ex manchmal auf Tips kaum wahrnehmbares Bäuchlein und raunte: Du hast dir über die Jahre aber auch einen ganz schönen Schnitzelfriedhof zugelegt.
Er sagte dann nichts, obwohl ihm diese Sticheleien eigentlich doch ganz gehörig gegen den Strich gingen.
Vor dem Einschlafen malte er sich manchmal in Gedanken aus, was er wohl täte, wenn es ihm mit ihr eines Tages endgültig zu bunt werden würde.
Er sehnte sich nach früher. Er wollte wieder allein sein, denn nur das kam ihm noch irgendwie natürlich vor. In seinen kühnsten Träumen griff er beherzt zur Axt und betrieb Ehegattensplitting.
Zwei Wochen später, kurz vor Lourdes, wurde Tip die ganze frische Luft plötzlich zu viel. Er sehnte sich zurück nach Smog und Verkehrslärm. Diese ganzen Wiesen und Pilgerpfade waren doch nicht zum Aushalten.
Überhaupt ist das ja gerade das Allerschönste an der Zivilisation, wenn man in der Einflugschneise des Flughafens wohnt: Man darf dann seine Ehefrau wegen des Lärms anschreien, ohne daß man vorher erst mühsam einen Streit mit ihr anzetteln muß. Das vermißte er schon so ein bißchen.
Am Namenstag der Heiligen Alrun erreichten sie endlich ihr Ziel. Der Aufstieg war beschwerlich. Oben sahen sie: Sie waren nicht die Einzigen hier. Viele waren schon vor ihnen da, und noch weit mehr würden erst noch viel später kommen. Doch sie alle hatten dabei etwas gemein: Alle haben ihr Geld und ihre irdischen Reichtümer auf dem Heiligen Berg verbrannt.
Alles, was sie je besessen hatten, warfen sie in den lavaspuckenden Krater. Nur Kumpel Jesus, seit Saint Lizier der schweigsame Dritte im Bunde, nicht. Der hat sich ein paar Bündel eingesteckt und vor den anderen verborgen. Man kann schließlich nie wissen.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Schräglage

Jonathan hatte heute keine Zeit. Trotzdem mußte er mal wieder die Deadline einhalten. Ohne ihn ging hier doch gar nichts, das war allen Beteiligten so was von klar.
Der Chefredakteur, aufgeputscht von zu viel Red Bull und Mafiafilmen, hatte ihn bereits heute morgen um sechs Uhr aus dem Bett geschmissen, dank einer unmißverständlichen Drohung, mit der er Jonathans Anrufbeantworter besprach. Gleich daneben Zorns Bett, daher hatte dieser auch jedes Wörtchen sofort stantepede mitbekommen. Entweder, so der Vorgesetzte, kommst du heute mit dem Text rüber oder aber ich schicke dir die Jungs vom Inkassobüro Sivkovic vorbei.
Das war alles andere als ein fairer Deal. Ein fairer Deal sieht nämlich eher so aus: Schubst du mich vor den einfahrenden Zug, so zieh ich dich mit runter und vergewaltige dich im Gleisbett.
Aber mit den Gebrüdern Sivkovic, aus dem Kosovo stammenden lokalen Kiezgrößen, war nicht gut Kirschen essen. Die vertrugen sie nämlich nicht, wegen ihrer Reizmägen.
Zorn kam sich jedenfalls vor, als hätte Björk zum Frühstück sein allerletztes Mikrofon aufgefressen und sich nachher dafür nicht mal bedankt. Schon die olle Punkrock-Legende Edith Piaf wußte damals: La Vie En Bitch. Daran hatte sich bis heute nichts, aber auch absolut gar nichts geändert.
Um den Schmerz zu vergessen, spritzte sich Jonathan eine zuvor auf einem Plastiklöffel erhitzte Prinzenrolle. Dann schob er seinen Hintern vor die Schreibmaschine und verfaßte einen Text in Schräglage. So sah der dann auch aus.
Egal, es würde eh keiner merken.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Der Vorhang zu, und alle Ärsche offen

Hallöchen. Mein Name ist Mensch. Komm her und schau mich an in all meiner widersprüchlichen, verletzlichen und wunderbaren Muskelmasse, und du wirst etwas sehen, für das es keinen Namen gibt. Denn Mensch bin ich, und doch auch zugleich weit mehr als das.
Leider gibt es nicht nur mich, sondern auch noch andere. Viele sogar. Sechs Milliarden, Tendenz steigend. Und viel zu viele von denen meinen ebenfalls, sie wären etwas Besseres. Produzieren sich dann. Machen Kunst. Was gar nicht nötig wäre.
Je öfter ich beispielsweise die Filme von Terrence Malick sehe, desto mehr gehen sie mir auf die Klötze. Wenn man sie nur ein Mal anschaut und anschließend nie wieder, dann kann man die noch für durchaus okay halten. Schaut man aber genauer hin, erkannt man erst, was das alles für ein esoterischer, leerer, nichtssagender Dreck ist. Alternatives Blenderkino für Eierköppe. Trivial wie eine Vorabendsoap. Nur besser fotografiert. Da schaut man sich doch noch lieber Mel Gibson an, der mal wieder irgendein Naturvolk abschlachtet. Das ist zwar ebenso Panne, dabei aber wenigstens vergnüglich.
Wir sehen also bereits in meinem kleinen, aber unfeinen, da haßerfüllten Werturteil, daß der Mensch nicht zwangsläufig seinem Compadre der beste Freund ist. Woher denn auch? Schließlich entspringt er, der Mensch, einer unvollkommenen Welt. Eine erbärmliche Konstruktion, der menschliche Körper. Die Haut ist nicht dick genug, zu wenig Haar, keine Klauen oder Fänge und nicht dazu bestimmt, aufrecht zu stehen. Wir entblößen unser Herz und unsere Genitalien. Jeder Feind kann da mal beherzt oder bepimmelt zustechen, und schon ist es mit uns aus. Wir sollten wirklich besser auf allen vieren gehen. Behaarter sein. Schwänze haben.
Bis es soweit ist und die Evolution ihren Dienst an uns getan hat, verbleibe ich mit folgender, abschließender Frage: Was ist der Unterschied zwischen gestrecktem Heroin und einer Vinylplatte von Rosenstolz? Antwort: Es gibt keinen. In beiden Fällen hast du Scheiße an der Nadel.

Dienstag, 6. Januar 2009

Die Akteure

Vorstellung des Personals, danach Drama.
Es agieren: Jonathan Zorn, Schriftführer, Brille, schon früher in der Schule großräumig unbefreundet, aber dafür immer Klassenprimus, spart auf eine Geschlechtsumwandlung.
Elahu Bommelmeier, wohl irgendwie israelischer Vorname und auch sonst sehr lustige Eltern, er selbst aber eher nicht so, Miesepeter.
Hans Martin Eichelheimer, noch zu jung, um sich an die Schleyer-Entführung zu erinnern, aber alt genug, um den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen, mag Fruchtjoghurt.
Doktor Pimmelmann, Quacksalber, Verfasser mehrsprachiger Diätratgeber, hält nicht viel vom Heilfasten, wovon auch sein dicker Bauch gut Zeugnis ablegt, aber rät trotzdem, zur Konsolidierung seines Kontos, immer wieder gern dazu.
Titiana von Muschingen, die Eine, Unerreichbare, Licht des Lebens, Feuer der Lenden, diente den Herren in ihrer Not schon oft als Wichsvorlage, wurde aber noch nie live und in Farbe besudelt.
Und speaking of Beömmeln: Johann Wolfgang Dickensäck, Stuttgarter Galerist, karrieregeil und impotent, reitet eine Schimäre namens Hoffnung, fährt ein Auto namens Fury, findet Island irre spannend.
Dazu Dörte Densing als leicht nervöse, dauergestreßte Chefsekretärin, irgendwo in Berlin, die Stadt ist groß, ihr Herz aber auch, und Lisa Plenske kann bereits einpacken.
Freiherr Dragomir Ingomar von Hodenstein, charismatisch, aber gefährlich, der J. R. Ewing des diesjährigen Theatertreffs, Ausbeuter par excellence, immer auf der Suche nach billigen, aber effektiven Zuarbeitern (gerne auch sexuell) aus dem Ostblock.
Branko, Zoran und Zlatko, die drei freundlichen Knochenbrecher vom Inkassobüro Sivkovic, wo sie hinschlagen, wächst kein Gras mehr, darum sind Spielschulden nicht nur Ehrenschulden, sondern sollten zudem auch immer wieder gern pünktlich zurückgezahlt werden, sofern man kein Interesse daran besitzt, beizeiten ins schlechteste Krankenhaus der Stadt eingeliefert zu werden – die Jungs verstehen nämlich ihr Handwerk.
Die kleine süße Nazi, doofer Name, aber total liebes Mädchen, wird gerne mal von furchtlosen jungen Männern abends in Kneipen angesprochen, sie geht aber nach wie vor lieber allein nach Hause, was schlau ist.
Ein Junge namens Susi, unheimlich in Nazi verliebt, dies wird später einmal in einer Tragödie enden, was aber allen Beteiligten zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar ist, der Junge ansonsten etwas blöd, aber ganz okay.
Fred der Gymnasiast, ekelhafte Erscheinung, jedoch noch widerwärtigere Seele, Akne ist sein geringstes Problem, sein Ego stört da schon eher, hält sich für etwas Besseres, was für ein Schwachmat.
Rosa Düsterberg, Revolutionärin in Wartestellung, Schönheitskönigin in spe, Urlaub in Essen-Frillendorf, die neue weiße Hoffnung, absolut unnationalistisch, eher vom europäischen Gedanken beseelt, wird später einmal Sarkozy auf die Teufelsinsel verbannen lassen.
Loletta, acht Jahre, aber oho, hat schon mal ein Buch gelesen, der Rest wird sich zeigen.
So. Jetzt kann er also losgehen, der große Roman fürs nächste Jahrhundert. Ein Buch, das man nach Betrieb, Bedarf und Laune an eigentlich jeder Stelle aufschlagen kann und, wie aus einer besseren Bibel, darauf Kraft und gute Stimmung herauszuziehen imstande ist.
Das alles nun zum Vorzugspreis von Schlagen-Sie-uns-was-vor-wir-lassen-auch-gern-mit-uns-handeln. Das Gute so günstig, ein Leben wie im Puff.