Dienstag, 30. Dezember 2008

Zweites Halbjahr 2008

ABBA. Alyssa Milano. Angelina Jolie. Ashlee Simpson. Athen.
Bagdad. Bangkok. Barack Obama. Bebo Valdés. Bolivien. Brad Pitt. Britney Spears. Burma.
Carrie Bradshaw. China. Condoleezza Rice. Cristiano Ronaldo.
The Dark Knight.
Ein Quantum Trost.
Feuerwerk. Finanzkrise. Finnland. Frohe Weihnachten.
George W. Bush. Georgien. Gletscher auf dem Mars. Die globale Erwärmung.
Halloween. Herbst. Hillary Clinton. Hurrikan.
Ingrid Betancourt.
Jennifer Aniston. Jennifer Hudson. Jet-Pack. Johnny Depp. Jordin Sparks.
Kambodscha. Kanada. Kongo. Königstiger. Kung Fu Panda.
Lewis Hamilton. Lindsay Lohan.
Madonna. Madagascar 2. Martti Ahtisaari. Michael Jackson. Michael Phelps. Miriam Makeba. Mumbai.
Nancy Pelosi. NASA. New Orleans. Nobelpreis.
O. J. Simpson. Ökologischer Fußabdruck. Olympische Spiele Peking. Oprah Winfrey.
Pakistan. Palästina. Paul Newman.
Rafael Nadal.
Schengener Abkommen. Schmetterling. Schneemann. Schwarzes Loch. Shakira. Smartphone. Somalische Piraten. Sonnenfinsternis. Storch.
T-Mobile G1. Teilchenbeschleuniger. Thailand. Tour de France. Tropensturm.
Ukraine. Urknall. US-Präsidentschaftswahlen.
Waldbrand. Wall-E. Wasser auf dem Mars. Weihnachts-Wallpaper. Wimbledon. Winter.

Dienstag, 23. Dezember 2008

Jahrestag

Heute abend werde ich romantisch, denn es ist Jahrestag.
Heute vor einem Jahr gab mir meine Angebetete ihr Nein-Wort. Unmißverständlich war das. Und doch werde ich sie nie vergessen. Es waren interessante Regentage.
Die Brüste von Naomi Watts auf meinem Computerbildschirm sind alles, was mir noch geblieben ist. Und der alte Seesack an der Wand neben dem Pferdehalfter ist gar kein Seesack, sondern stellt sich bei genauerer Betrachtung als ein vertrocknetes Flußpferdskrotum heraus. Die Wunder der Tierwelt, zum Greifen nah und doch so fern.
Irgendwann kam ich heute nach Hause. Wohin soll ich auch sonst? An die Hauswand war da mit Edding geschrieben: I love Fatma. Super, dachte ich da bei mir, I love nichts.
Ich bin ein blöder Idiot, dem niemand mehr den Kopf streicheln mag. Es gibt keine Liebe mehr unter den Menschen. Über ihnen aber auch nicht.
Dabei ist doch zauberhaftösestes Wetter an der Fensterscheibe, von draußen. Ich bleibe aber trotzdem lieber drin, drum und dran und hangele mich durch meine Erinnerungen.
Es war im letzten Winter. Niemals wieder war mir so warm wie da. Ich hatte Tuberkulose, ohne es zu wissen. Gesagt war schon alles, erreicht so gut wie gar nichts.
Ich nahm noch mal meinen ganzen Pennälercharme zusammen und versuchte es mit einem Bild aus der Zoologie: Das Bestäuben, meine Süße, nutzt doch beiden, der Pflanze und der Biene.
Die Süße neben mir machte jedoch bloß ein verächtliches Gesicht, wozu bei ihrer Visage nicht viel gehörte, rückte von mir ab und gab dem Kellner ein ebenso umständliches wie unmißverständliches Zeichen. Zahlen, Aufbruch. Bitte. Danke. Scheinbar wollte sie partout nicht von mir bestäubt werden.
Zur Entspannung der Situation erzählte ich ihr ein bißchen was vom Dritten Reich. Sie meinte nachher nur so: Früher war es echt krass zu leben.
So gingen wir dann auseinander und sahen uns niemals wieder.
Selbst heute kann es noch manchmal echt krass sein.

Montag, 15. Dezember 2008

Once I loved

In meinen besten, auch gesellschaftlich bewegtesten Jahren bin ich am liebsten im Bett geblieben. So habe ich prinzipiell alles verpennt, was ansonsten den Gesamtgeist und das kollektive Unterbewußte meiner Generation ausmacht.
Jetzt, wo ich über den Berg bin, der Lack ab ist und Polen trotzdem noch nicht ganz verloren, da gehe ich hin und wieder auch schon mal vor die Tür. Auch ist es sehr befreiend, nicht mehr ständig so lüstern angesehen zu werden, mit 50 plus interessieren sich die jungen Dinger einfach nicht mehr so für einen, man muß also nicht gleich hinter jeder weiblichen Regung eine niedere Triebfeder vermuten, wird man nach der Uhrzeit gefragt oder nach dem Weg, dann wollen die Damen das sehr wahrscheinlich wirklich wissen und nicht bloß nur irgendwie fadenscheinig mit mir ins Gespräch kommen. Sicherlich, ein paar gibt es immer, die sich selbst dabei noch denken, mhm, wie wäre das wohl, könnte der überhaupt noch, aber auf die sollte man sich um Himmels willen auf gar keinen Fall einlassen, denn mit Vaterkomplex fährt es sich nicht gut, allerhöchstens vor die Wand und wer will da schon hin?
Sowieso geht mir die Bewunderung in unserer Gesellschaft völlig in die falsche Richtung, dieser Trend hin zur Jugend, vierzigjährige, eigentlich gestandene Frauen wollen aussehen wie ihre eigenen Töchter, so ein Schwachfug, die Jugend sollte sich vielmehr nach dem Alter sehnen, hoffen, endlich alt zu werden, nicht mehr so aufgepeitscht und selbstbezogen durch das Nachtleben torkeln zu müssen.
Diese scheinheilige Ernsthaftigkeit, dieses unverschämt-ungestüme Verhalten, dieses fundamentalistisch Weltverbesserische, diese Gefühlsduseligkeit bei gleichzeitiger Gedankenschwäche, jedes bißchen Verknalltsein wird von ihnen gleich zur größten Liebe aller Zeiten stilisiert und so weiter, all das mochte ich an den jungen Menschen nie leiden, sogar dann nicht, als ich selbst noch jung war.
Darum auch die Jahre im Bett.
Inzwischen aber, wenn der Himmel bewölkt ist und ein kalter Wind einem das Oberstübchen angenehm freipustet, da finde ich es sogar gelegentlich recht schön unter freiem Himmel. Erst vorgestern saß ich auf einem Holzbänkchen auf dem Friedhof und suchte mir in Gedanken schon mal vorfreudig ein schönes Plätzchen aus. Für später.

Montag, 8. Dezember 2008

Pamela Kamelhaar

Ein Gebiß klapperte spratzend in die Gemüseschatulle. Der Ghost Rider fuhr unterdessen im Hühnerstall Motorrad.
Da betrat Pamela Anderson die Buchhandlung.
Guten Tag, sagte sie.
Dem jungen Dickensäck fielen bei ihrem Anblick beinahe die Augen aus dem Schädel.
Stört es Sie, wenn ich rauche? fragte Pamela ihn nun.
Ach, das ist mir Titte, sagte Dickensäck, der mit seinem Blick an ihrem beeindruckenden Ausschnitt festhing, um sich dann aber doch hastig zu verbessern: Ich meine natürlich Latte. Und weiter, um auch von dieser Zweideutigkeit herunterzukommen: Also, es stört mich gar nicht.
Daraufhin zeigte sich Pamela, die bei weitem nicht so blöd war wie blond, zu Recht ein wenig pikiert. Sie hatte den lüsternen Braten wohl gerochen und ließ sich deshalb lieber von Dickensäcks Kollegin, Fräulein Densing, beraten.
Der geknickte Dickensäck verkrümelte sich abends frustriert in seine Bude. Es war nicht unbedingt das Kempinski, wenn Ihr so wollt.
In der ganzen Wohnung roch es nach Lavendel und Kotze. Die neue Trendfarbe war Gelb. Die Mark war bloß noch fünfzig Cent wert. Das waren die bitteren Realitäten des Lebens.
Im Eisfach lag noch ein ungelutschtes Toffifee. Das mußte die Vormieterin vergessen haben. Die war vor zehn Jahren weggezogen.
Die Nachbarin von oben hatte im Waschkeller schon wieder ihre BHs aus echtem Kamelhaar zum Trocknen aufgehängt. So richtig geil machte das aber auch bereits lange keinen mehr.
Und wenn es draußen grün wird, fallen Dickensäck nur noch Zwiebeln ein, und jeder Mensch kriegt dann ein Geschwür.
Frustriert und zu betrübt für Onanie legte er sich unters Bett. In der Gesellschaft der dort ansässigen Wollmäuse wurde ihm wieder ein wenig wohler zumute.
Wir lernen daraus, daß es besser ist, nicht zu saugen als überhaupt gar keine Haustiere zu haben.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Elahu Bommelmeier rides again

Wie ein Hund leben, das möge, wer da kann. Er, Elahu Bommelmeier, der große Zampano und Stellvertreter vom Dämonenmax, kann es nicht.
Seine Arbeitslosenunterstützung hatte er sich schließlich rechtmäßig ergaunert. Auf diesen Luxus will er nun nicht mehr verzichten müssen.
Freilich, er gab es gern offen zu: Er war scheiße und konnte gar nichts. Das tat er allerdings auf einem sehr hohen Niveau.
Man sah es Elahu nicht unbedingt an, doch er war schwerstens intellektuös. Seine Vormieterin hatte deswegen auch ein wenig Angst vor ihm, wohl aus Sorge, sie könne sich damit bei ihm identifizieren. Doch er war immer sehr vorsichtig, auch und gerade, was Frauen anbelangt. Man steckt schließlich nicht drin. Gott sei’s gedankt.
Das Feuer seiner Lenden loderte lediglich beim Anblick des Werbeprospekts mit den Sonderangeboten. Bei diesen Preisen mußte man einfach zugreifen.
Jedoch war Elahu vorgewarnt. Das letzte Mal, als er sich einfach so das genommen hatte, wonach ihm der Sinn stand, hießen sie ihn für fünf Jahre ins Gefängnis einzufahren. Da tat er dann auch, wie ihm geheißen. Er war doch ein braver Junge.
Auf dem Heimweg vom Arbeitsamt wurde er anderntags von einem wildgewordenen Rudel Snickers angegriffen. Die ganze Welt schien langsam komplett verrückt zu werden.

Sonntag, 23. November 2008

Junge Römer, alte Schweden

In einem alten Interview sprach Falco von seinem Karriereknick. Wenigstens das Problem hatte der junge Römer schon mal nicht. Er hatte überhaupt keine Karriere, da konnte also gar nichts knicken.
Er war bloß ein Barbiemädchen in einer Barbiewelt. Sein Leben bestand aus Plastik und war auch sonst ziemlich prima. Er schnippte ein Weilchen seine alten Fußnägel aus dem Kellerfenster und dachte sich danach für den Rest des Tages lustige Indianernamen aus. Sein Favorit dabei war: Der, der im RAF-Kofferraum hockt.
Ganz schlimm wird es ja immer da, wo die Leute sich wiederfinden können. Man haut ein paar Phrasen, möglichst plump, raus und schon ist man everybody’s darling. Und der Depp im Zuschauerraum, offener Vertreter des abgeschmackten Hochspießertums, nickt ergriffen und denkt sich: Genau so und nicht anders isses, denn das habe ich mir auch schon oft gedacht... Genau deshalb aber stimmt es ja eben nicht, kann überhaupt nicht stimmen, nein, niemals.
Anderntags rief ihn, den jungen Römer, wen denn sonst, der alte Schwede an. Aus Gewohnheit nahm der Römer das Telefongespräch entgegen. Am anderen Ende der Standleitung hörte er ein Knacken, ein Schmatzen, dann Stille und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, eine Stimme wie aus einem untergegangenen Imperium.
Der Schwede raunzte und maunzte, als käme es von altem, jahrzehntelang nicht abgespielten Schellack: Der letzte Winter war vier Grad zu warm. Ich habe darum gleich mal meinen Kühlschrank offen gelassen, um dem ein wenig entgegenzuwirken. Es gibt so viele Dinge, die jeder einzelne von uns tun kann, um der Umwelt wieder ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
Der junge Römer konnte sich ein Gähnen nicht verkneifen und legte auf. Manches ist so klar und offensichtlich, daß es schon wieder langweilig ist.

Montag, 17. November 2008

Film noir

Wir müssen etwas bereden, sagte sie mit einer Stimme, die keinerlei Widerspruch zuließ, aber Zweifel einforderte.
Sie hatte sich sehr verändert seit unserer letzten Begegnung. Nicht unbedingt zu ihrem Vorteil, aber was soll’s? Immerhin die abstehenden Ohren hatte sie sich mittlerweile, wenn auch scheinbar mit der Heckenschere, anlegen lassen. Das war zumindest schon mal ein Anfang.
Was willst du? fragte ich sie.
Dein Geld, antwortete sie abgeklärt und wie einstudiert.
Tut mir leid, Häschen, da ist nicht mehr viel zu holen. Aber wenn du willst, fuhr ich, um sie ein wenig aufzumuntern, fort, dann komm doch zu mir rüber, einmal hin, einmal her, ringsherum um den Mahagonischreibtisch, das ist nicht schwer. Und dann spiel noch mal wie früher das alte Lied der Liebe auf meiner Fleischflöte.
Diese neue Offenheit schien sie für einen Augenblick aus dem Konzept zu bringen. Dann fing sie sich jedoch wieder und fragte mich mit ruhiger Stimme, wie es in Davos gewesen wäre.
Och, Davos, setzte ich wie beiläufig an und nippte dabei lässig an meinem Brandy. In Davos war es sehr schön, nur wirklich erreichen können habe ich nichts.
Langsam wurde es ihr, wie sie so in ihrem schwarz und weiß gestreiften Tüllkleid vor mir stand, zu bunt im Büro meiner Detektei.
Ich schwieg sie jedoch beharrlich an. Das, da war ich mir sicher, würde ihr nun endgültig den Rest geben.
Es konnte sich nur noch um Augenblicke handeln, bis sie wie das HB-Männchen unter die Decke gehen würde. Und ich sollte Recht behalten.
Sie zog mit der Linken geschickt das Tüllkleid hoch und urinierte auf meinen Perserkatzenteppich.
Dann wurde es unangenehm.
BLOG DEIN ARSCH, DU MISSGEBURT! waren ihre letzten Worte, bevor sie wutentbrannt davonstürmte und hinter sich die Bürotür lautstark ins Schloß knallte.
Die Zeit im Berliner Problemkiez Shotgun Wedding war ihr sichtlich gut bekommen.

Montag, 10. November 2008

Stuhl im Blut

Rosa Düsterberg hatte nicht gut geschlafen. Sie machte sich Sorgen wegen der anstehenden ärztlichen Untersuchung. Der morgendliche schwarze Auswurf erfüllte sie auch nicht eben mit Zuversicht.
Von nun an ging’s bergab. Demnächst womöglich gar Stuhl im Blut.
Sie versuchte sich abzulenken mit Gedanken, die entschieden zu groß waren für ihren kleinen Kopf. Früher, sinnierte sie so bei sich, war alles besser, sogar der internationale Terrorismus. In den 60ern etwa konnte es sich Andreas Baader noch leisten, in einem Porsche zur Arbeit zu fahren. Das kann man heutigen Irakis gar nicht mehr vermitteln. Und trotzdem machen die weiter, als kriegten sie’s bezahlt.
So viel Lebensfreude wünschte sich Rosa auch mal. Doch davon war sie meilenweit entfernt.
Sie erinnerte sich an das gestrige Treffen mit Fred. Das war sehr unangenehm verlaufen.
Fred war ihr zu nah auf die Pelle gerückt und hatte ihr wiederholt ins Auge gespuckt. Nicht, daß er das von weiter Hand im Vorfeld geplant gehabt hätte. Seine Aussprache war einfach nur unverschämt feucht.
Rosa war bei ihrem konspirativen Meeting bei Milchkaffee und Schokocroissants in einem dafür vorgesehenen Straßencafé so unvorsichtig gewesen, zu gestehen, daß sie die letzte, rockistische Platte von Morrissey eigentlich doch ganz gut fand. Aber das mußte nichts heißen, sie mochte ja auch Pete Doherty. Das aber verschwieg sie dem strengen Fred gegenüber lieber mal. Besser ist das.
Kaum hatte sie geendigt, da stach Fred ihr auch schon mit dem Finger ins Gesicht und maulte: Das bißchen angelesen macht dich noch nicht zu einem großen Denker, Frollein Düsterberg, und wer Morrissey allen Ernstes für einen Intellektuellen hält, mit dem ist im Oberstübchen scheinbar wirklich nicht viel los. Am Ende des Tages sind wir schließlich immer noch Gymnasiasten, und wenn WIR schon nicht mehr aufpassen und darauf achten, was cool und was uncool ist, wer tut es dann?
Das leuchtete selbst Rosa irgendwo ein. Style und Attitüde waren doch so wichtig.
Aber vermochten sie etwas gegen schwarzen Auswurf?

Dienstag, 4. November 2008

Bring mich da rein, ich bin ein Star

Say goodbye to Hollywood, say goodbye to Plötzensee. Auf Wiedersehn, du Rötzchentee, der du mir auf die Klötzchen geht.
Berlin war einmal, ist aber nun vorbei. Gott sei es gedankt. Aber zackig. Denn der hat seine Zeit auch nicht gestohlen.
Überhaupt ist Germania die Stadt in Alemann, in der Probleme noch direkt angepackt werden. Und da, wo es gar keine Probleme gibt, da schaffen wir uns eben selbst welche. Erst letzte Woche sah ich Montagmorgens verdutzt raus auf die Straße und entdeckte dort, daß jemand eine Leiter an die schöne, alte Gaslaterne vor meinem Küchenfenster gelehnt hatte. Als sich wenig später, so drei, vier Stunden danach, auch mal ein Arbeiter blicken läßt und Anstalten macht, auf die Leiter zu klettern, sagt man ihm, daß die Laterne völlig in Ordnung sei und jeden Abend brenne. Routinewartung, entgegnet der Mechaniker kurzangebunden und macht sich ans Werk. An diesem Abend bleibt dann die Gaslaterne dunkel. Ooch dit is Berlin, plenty of space, but no plan. Und darum muß ich weg hier.
Noch schlimmer wurde es am Dienstag, als ich mich ins Nachtleben stürzte. Auf dem Klo vom Maria am Ostbahnhof fand ich einen USB-Stick mit neuen, bisher unveröffentlichten MP3s von den Arctic Monkeys. Daheim habe ich die Scheiße gleich gelöscht und mir statt dessen Pornobilder draufgezogen. Der Kampf um eine bessere Welt wird Hier und Jetzt geschlagen. Damit wenigstens einer weiß, wo es langgeht. So bilde ich die grobe Ausnahme in Berlin, the city that never decides.
Mittwoch meldete ich mich dann krank bei der Werbeagentur, wo ich Kaffee koche und ausgebeutet werde. Dabei kommen Slogans eigentlich immer ganz gut. Für die Hauptstadt könnte man beispielsweise werben mit: Berlin, die Stadt, wo jeder Proll denkt, er sei eine Mischung aus Harald Juhnke, Horst Buchholz und Fred Astaire. Mindestens. Oder, wer es gern internationaler mag (in English, please): Berlin, many problems, but only one airport. Tempelhof is nu dichte, Keule. Wenn da die Touristen nicht in Strömen scharren, dann weiß ich auch nicht.
Zum Relaxen mache ich mir anschließend am Donnerstag das Fernsehen an. Der Moderator sagt: Mein nächster Gast ist Schauspielerin... wie jede andere Frau auch. Nur mit dem Unterschied, daß sie dafür bezahlt wird.
Ich schalte um. Ui, prima, da kann man was gewinnen. Der durch das Programm führende Sprechautomat im Smoking plappert: Und nun wird es zum Abschluß unserer Sendung noch Zeit für das große Hauptstadtquiz. Zu gewinnen gibt es diesmal ein Abendessen im Restaurant vom Fernsehturm mit den Ehrengästen Klaus Wowereit und Knut. Ist er nicht niedlich? Welcher denn jetzt von den beiden? Na egal. Sie müssen lediglich folgende Frage richtig beantworten: Von wem stammt folgendes Zitat? Los geht’s: Berlin habe ich immer gern gehabt, und wenn es mich kümmert, daß vieles da nicht schön ist, so nur, weil mir die Stadt etwas bedeutet. Die richtige Antwort lautet Adolf Hitler und wird, ebenso wie jeder sachdienliche Hinweis, von Ihrer nächsten Polizeidienststelle gern und dankbar entgegengenommen. Die Jungs haben ja auch sonst nichts zu tun.
Beifall, Kuhglocken läuten. Paul Kuhn macht Breakdance. Wird echt Zeit für die Verbraucherhinweise.

Montag, 27. Oktober 2008

Vollkontaktanzeige

Guten Tag. Mein Name ist Freiherr Dragomir Ingomar von Hodenstein. Ich bin dreiundfünfzig Jahre jung, ein Meter einundachtzig groß, verwitwet, liebevoller Vater eines Teenagers und sage gern lustige Sachen wie: Zum Bleistift.
Da mir meine Eltern durch kluge Namensgebung (Freunde nennen mich auch vertraulich Dr. Ing.) ein langwieriges Studium ersparten, gebe ich mich nunmehr seit Dekaden erfolgreich der Dekadenz hin.
Meine Hobbies sind Bügeln, Knattern, Waldsterben und Kohlrabi. Zum Wochenende fahre ich gern einmal mit meinem Hummer in den Wald und ramme dort Bäume, die daraufhin in der Regel entwurzeln. Zum Entspannen schaue ich mir gern im Fernsehen die schönsten Eisenbahnstrecken Europas an.
Einige Bücher, die ich mit Gewinn gelesen habe, sind: Sechs Schritte zur spirituellen Massenpsychose, Tontaubenschießen in Südpeking, Telefonbuch Tokio West, Pädophilie als Chance, sowie Der Hodenpark in Kunst und Dichtung des ausgehenden 21. Jahrhunderts.
Meine persönlichen Vorbilder sind, neben den üblichen zentralafrikanischen Diktatoren und Massenmördern, Bion vom Borysthenes, Diogenes von Sinope, Krates von Theben und Maxi Arland.
In meiner reich gesäten Freizeit gehe ich als ehrenamtlicher Oberstudiendirektor hausieren. Jedoch bin ich absolut kein Pauker alten Schlages, sondern eher väterlicher Freund und Mentor meiner Oberstufenschüler an einem Traditionsgymnasium. Die kleinen siebzehnjährigen Dinger sind ganz verrückt nach mir, kann ich Ihnen sagen.
Mehr als das gibt es eigentlich nicht für Sie über mich zu wissen, denn: Eitle Selbstdarstellung ist so gar nicht mein Ding. Schließlich wußte schon Karl Jaspers: Der Mensch ist immer mehr, als er von sich weiß und wissen muß. Dem schließe ich mich beharrlich an.
Das Internet lehne ich rigoros ab, obwohl viele Menschen heutzutage nach Internetpräsenz fragen. Ich aber frage Sie: Wie kann man in der Virtualität präsent sein? Das erkläre mir mal beizeiten einer.
Jedoch, so viel sei abschließend noch verraten: Ich bin ständig auf der Suche nach interessanten sozialen Kontakten, die ich ausbeuten und für meine Zwecke benutzen kann. Auch habe ich es mir zum Ziel gesetzt, mich innerhalb des ukrainischen Geldadels konsequent hochzuschlafen. Entsprechende Würdenträgerinnen, nach Möglichkeit gern auch naturverbunden, unternehmungslustig und mit kulturellem Anspruch ausgestattet, dürfen sich bei vorhandenem Interesse jederzeit per Nacktfoto bei mir bewerben.
Ich bin ein gut aussehender Zeitgenosse mit fast schon beneidenswertem intellektuellem Habitus, Interessenspektrum und Vita. Und das Schärfste: Ich kann immer.
Nur ernstliche Zuschriften mit Rückanschrift werden beantwortet.

Montag, 20. Oktober 2008

Mach’s noch einmal, Hugo

Statistiken besagen: Alle Statistiken lügen. Und eine Fortsetzung ist nie so gut wie das Original. So heißt es.
Hugo war heute jedoch guten Mutes und wildentschlossen, genau das Gegenteil davon zu beweisen. Sich, aber vor allem auch der Welt. Und nicht zu vergessen: Nora, seiner Flamme.
Was bisher geschah: Nora ging arbeiten, das war jetzt erst mal nicht sonderlich verwerflich, machten schließlich viele und das sogar Tag für Tag.
Nun aber war Nora so unvorsichtig gewesen, sich nach und nach, vielleicht aus Langeweile oder aus einem akuten Hormonstau heraus, in ihren Vorgesetzten zu vergucken.
Ein Mal war sie mit dem Rest der Belegschaft zu ihm nach Hause eingeladen worden zu einem gemütlichen Beisammensein, bei dem der Prokurist mal wieder, wie so häufig bei derartigen Gelegenheiten, erst zu tief ins Glas geschaut und sich danach anständig danebenbenommen hatte. Schon lange wurde in Noras Abteilung gemunkelt, der Mann habe ein ausgewachsenes Alkoholproblem.
Doch um den ging es ihr eigentlich gar nicht, obwohl er mit seinen gezeigten Ansätzen zum Ausflippen an diesem Abend nachher zwei Wochen lang für Gesprächsstoff in den Mittagspausen sorgen sollte, was da auch schon, im Moment der Ballabgabe, abzusehen war. Viel mehr zeigte sich Nora fasziniert von Chefchens Kamin. Sehr, sehr heimelig.
Den Psychoanalytikern unter den Lesern ist natürlich bereits hier ganz klar, daß der Boss für Nora nur als Projektionsfläche diente und sie sich gar nicht in ihn, sondern nur in seine gediegene Lebensweise und seine geschmackvolle Inneneinrichtung verliebt hatte.
Egal, da mußte Nora jetzt durch. Und somit eben auch: Hugo, der sich den ganzen Krempel am nächsten Tag brühwarm anhören durfte. Der Job als Kummerkasten mißfiel ihm immer mehr, er fraß seine Bedenken jedoch tapfer in sich rein und ließ Nora nichts davon spüren.
Die schwärmte unterdessen weiter von ihrem unerreichbaren Chef und war sich ganz sicher: Eines Tages würde ihr Traumprinz schon noch kommen – und wehe, der Bursche hätte dann kein ordentlich durchexerziertes Sixpack anzubieten!
Da konnte Hugo mit seinem gemütlichen Bierbauch natürlich nicht gegen anstinken. Also hieß es für ihn und sie: Freunde bleiben. Ja toll.
Aber, so dämmerte es Hugo langsam herauf, das könnte sich unter Umständen schwieriger gestalten als zuvor von allen Beteiligten angenommen, denn Bleiben bedeutet ja laut Lexikon: ein Zustand wird nicht verändert. Wie aber nun eine Freundschaft fortsetzen, die es gar nicht oder höchstens auf dem Papier gab?
Denn befreundet wollte er mit dieser doofen Zimtzicke nun wahrlich nicht sein. Er liebte sie, klar, aber er liebte auch einen guten Schweinsbraten oder alte Humphrey-Bogart-Filme.
Mann, dieser Bogart, der hätte sich so einen unklaren Beziehungsstatus mit Sicherheit nicht bieten lassen. Und während Hugo, der in letzter Zeit öfter mal monochrom statt farbig geträumt hatte, an die Wechselbeziehung zwischen echten Kerlen wie Bogart und kleinen verhutzelten Brillenmännlein wie ihn selbst dachte, daß es auch beides geben müsse, irgendwie, spätestens da ging ihm ein Licht auf: Mensch, sein Leben war in Wahrheit gar nicht sein Leben, sondern eigentlich ein Woody-Allen-Film.
Das stimmte ihn ein bißchen versöhnlich.
Abrupte Schwarzblende, Cole Porter beginnt zu singen, Abspann.

Montag, 13. Oktober 2008

Schuld war nur der Boss von Nora

Hugo + Nora = big love, hihi. So hatte es sich Hugo immer ausgemalt, in seinen feucht-fröhlichen unbeobachteten Stunden. Irgendwie war es dann aber doch anders gekommen, denn statt in ihn hatte sich die Nora lieber mal in ihren Boss verliebt.
Der war zum Glück ein vernünftiger Kerl, der zwar mit sich reden, doch eben nicht mit sich poppen ließ, und so schmetterte Chefchen alle mehr oder minder unverblümt vorgetragenen Annäherungsversuche seiner Untergebenen freundlich, aber bestimmt ab. Zumal dieses Frollein Nora gerade mal im selben Alter wie des Bosses leibeigene Tochter war, die Rike, die mit dem eigenen Pferd und dem Geigenunterricht. Allein bei dem Gedanken, sich an einem solch blutjungen Ding, gerade erst der Pubertät entronnen, zu verlustieren, hatte sich ihm schon mehr als einmal der Magen umgedreht. Achtzehn Jahr, blondes Haar, würg.
Ansonsten leistete das Früchtchen jedoch ganze Arbeit auf breiter Basis, also ließ er die Angelegenheit damit einfach mal auf sich beruhen und verzichtete auf eine fristlose Kündigung. Puh, da hatten aber alle Beteiligten noch mal Glück gehabt, auch wenn sie davon zum Teil absolut gar nichts ahnten.
Denn die Nora war hinterher, als sie bemerkte, daß ihr Boss ihretwegen nun scheinbar wohl doch nicht seine Frau und die mühsam aufgebaute Kleinfamilie mit Eigenheim und allem Zipp und Zapp verlassen würde, schon ein wenig geknickt.
Und der Hugo war sauer, weil die begriffsstutzige Nora sich nicht in ihn verguckt hatte. Das wäre ihm schon durchaus zupaß gekommen. Kam es aber nicht.
Zwar schüttete Nora Hugo regelmäßig ihr Herz aus, jedoch ihre Bluse, die blieb anschließend immer schön verschlossen. Langsam, aber sicher fühlte sich Hugo dadurch auch ein wenig ausgenutzt von der Dame seines gebrochenen Herzens.
Überhaupt war ihm schon immer sein ganzes Leben wie ein einziger großer Beschiß vorgekommen.
Okay, er liebte ein Mädchen, aber dieses war im Gegenzug leider so doof, daß es die einfachsten Dinge miteinander verwechselte: Leidenschaft mit Liebe, Vertrauen mit Freundschaft, Begehren mit Altöl, Sympathie mit Brustkrebs und so weiter oder irgendwie so. Und über all dem thronten zu allem Überfluß auch noch ihre seit Kindertagen geträumten, doch bisher, wen wundert’s, noch nie eingelösten Bilderbuchvorstellungen und Erwartungen direktemang aus dem Märchenwald.
Klar, daß da für so einen Hyperrealisten wie Hugo nicht viel Platz blieb. Außer natürlich für die nur schwer zu besetzende Rolle des Hausfreundes, des guten Kumpels, den man gerne mal für seine Zwecke ausbeutet, geteiltes Leid und so, ihm einen Keks an die Backe labern, aber nie zum Schuß kommen läßt.
Den wollte keiner geben, Hugo eigentlich auch nicht, doch was blieb ihm anderes übrig? Lieber so, als ganz aus dem Stück, welches hier aus Noras Leben aufgeführt wurde, zu verschwinden, schnöde rausgeschrieben zu werden oder womöglich als dritter Kammerdiener ohne Text im zweiten Aufzug zu versauern.
Denn zum Statisten eignete Hugo sich nun mal gar nicht. Eher schon zur Titelrolle, zum Casanova Superstar. Dachte er zumindest.
Und oftmals ist es ja im Leben so, daß Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung eklatant auseinanderklaffen. So war es wohl auch in diesem Fall.

Dienstag, 7. Oktober 2008

Wurst und Liebe

Wurst, Wurst, über alles. Es muß auch mehr Würste geben. Bananenrepublik? Nicht mit uns, wir sind ein eingetragener Wurststaat.
Ein aufrechter Politiker muß folgsam sein, volksnah, muß in Würste beißen und kleine Babys küssen. Bitte beides nicht miteinander verwechseln, Wurst und Kleinkind, sonst sinkt man in der Wählergunst.
Es rauschen die Wälder und raunen die Spin-Doktoren: Katzen als Fußabtreter sind auch okay, Herr Minister, aber bitte nicht in der Öffentlichkeit, das schadet dem Image.
Notiere: Das Verhältnis von Avantgarde und Herdenmensch bestimmt das Ausmaß an gesellschaftlicher Innovation und deren Durchsetzungsfähigkeit. Wenn die Ente nicht schwimmen kann, liegt es nicht immer am Wasser.
Tapetenwechsel. Neue Szenerie, alte Nation. Variiertes Thema: noch älter. Anbahnung und Knutschen und so. Mann und Frau unter freiem Himmel. Es dünkt den Erzähler nach einer Liebesgeschichte.
Sie, Frau, flüstert ihm bei: Solange wie es Sterne gibt, glaub daran, du wirst geliebt.
Wäwäwä, machte er, Mann, darauf hin, das will ich jetzt aber nicht hören. Also: Klappe zu, Klapperich!
Sie sah ihn weiterhin verträumt an, stand irgendwie total auf seine kleinen Unverschämtheiten, glaubte, das wäre nur Show und Balzverhalten. War es aber nicht.
Wie eine V-2 ging sie ihm mit ihren langen Fingern in die Haare. Auch das konnte er total nicht leiden.
Dann fing sie auch noch an, in sein Öhrchen zu säuseln. Es klang ungefähr so wie: Dieses Kribbeln im Bauch, kennst du das auch? Wie wenn man zu viele Brausestäbchen ißt? Um das Ganze ein wenig abzukürzen: Nun, er kannte es nicht.
Sowieso war das, was sie unter Liebe verstand oder zumindest dafür hielt, lediglich bloß die Ausschüttung von Dopamin im Hirn. Das wirkt sich in etwa so aus wie ein Kokainrausch, aber das ist nun wahrlich nichts, worauf man eine Beziehung aufbauen sollte. Pete Doherty und Kate Moss mögen das möglicherweise anders sehen, aber irgendwelche Querschläger gibt es schließlich immer.
Die vergleichende Verhaltensforschung hat unglaubliche Fortschritte gemacht in den letzten Jahren.

Montag, 29. September 2008

Statt Kunst: Pfusch am Bau

So sprach der alte Häuptling der Indianer, Hugo Geigenkasten: Das Normale ist eben nicht normal. Was ihr Spargelstecher für einfach haltet, ist in Wahrheit schwer und umgekehrt. Das in euren Augen Abgepflückte, Ausgeflippte, bemüht Andersartige ist das Leichte, das sich von selbst Ergebende. Wer ordnen will, hat schon verloren und bleibt, als was er war, ein Depp.
Selig ist, wer im Sturmesbrausen schwarze Kapuzenpullis trägt und vergißt, das er nicht zu retten ist. Von wem denn auch?
Vergebung gibt es nicht, sie ist ein rares Gut, und doch strebt jeder Hornochse danach, ihr entgegen und zugleich von ihr weg.
Bevor ich die Vagina meiner Sehnsucht erklimme, besteige ich noch eher ohne Sauerstoffgerät die vierzehn Achttausender auf dem Meeresgrund der Nordhuder Seenplatte. An die Frau ist einfach nicht ranzukommen. Dann eben Kontrastprogramm. In dem Fall: Kunst.
Das geht gut rein und geht gut raus, Fleckensalz auf den Lebenslauf, und ausgewaschen sind die kleinen Mißtöne im Unsummenspiel namens Nietzsche.
Leben ist das Salz in der Suppe der Hingerichteten, und bevor du Augenthaler verstehst, was einen Künstler von einem Vollpfosten unterscheidet, geht der Mond im Westen dreimal auf, und hinter Bielefeld dreht er eine Pirouette, die ihresgleichen sucht im Fischsortiment.
Du aber, der du ein solch großes klaffendes Maul besitzt und meinst, es besser zu wissen, kannst beherzt schon mal den nächsten Atomangriff erwarten, also grab dich ruhig im Garten der Geriatrie ein, denn so und nicht anders läuft es doch: Idioten an der Regierung, Idioten an der Wursttheke, Idioten auf dem Dach, und nur Füchse bleiben im Bett.
Das ist alles, was ich dir nicht zu sagen habe, und aus genau diesem Grund habe ich es ja auch eben getan. Schließlich gibt nur die Zweckrichtung die Entfernung zum nachbarschaftlichen Voyeurismus vor.
Ein letzter Blick aus dem Fenster offenbart das Wetter von heute, genauer, als es Kachelmann je könnte. Regen. 19 Grad.
Ein Blick in den Fernseher offenbart Ungläubigkeit: Stay, baby, stay, just the way you are with me... Applaus. Dankeschön. Einfach rot, einfach doof.
Ich mach dann mal aus.
Und ab.

Montag, 22. September 2008

Die sich selbst erfüllende Partie Golf

Als Paul Watzlawick noch lebte, war ich eine Zeitlang eng mit ihm und seiner Frau befreundet.
An einem Sommertag im Jahr 2006 gingen wir miteinander golfen. Es war einer der letzten Ausflüge Pauls an die frische Luft, bevor ihn seine schwere Krankheit in den letzten Monaten seines Lebens fast vollständig ans Bett fesseln sollte.
Er sah gut aus in seinem Hawaiihemd und war, im Gegensatz zu mir, frisch rasiert.
Ich weiß nicht mehr, wie, aber irgendwie kamen wir auf das Mädchen zu sprechen, das ich erst vor kurzem kennengelernt hatte und bei dem es nicht im entferntesten so lief, wie ich das gern gehabt hätte.
Ach ja, die Frauen, seufzte Paul und fiel dabei für einen kurzen Moment in den melancholischen Singsang seiner kärntnerischen Heimat zurück.
Dann setzte er in blütenreinstem Kalifornisch hinzu: Du weißt doch, was ich über die sich selbst erfüllende Prophezeiung geschrieben habe, oder?
Und du, Paul, weißt doch, daß ich nie eins deiner Bücher gelesen habe, gab ich zu denken.
Na schön, sagte Watzlawick daraufhin, kratzte sich am Kinn und machte sich für den nächsten Abschlag bereit. Dann eben hier noch mal für dich die Kurzfassung: Wenn du denkst, daß sie dich nicht wird lieben können und du dich deshalb von ihr schlecht behandelt fühlst, so wirst du in Zukunft bei ihr nicht mehr frei und locker aufspielen können. Wenn du zum Beispiel bei eurem nächsten Treffen übellaunig oder aggressiv oder traurig oder zu fordernd wirst, dann handelst du dir im Endeffekt genau das ein, was du immer befürchtet hast. Nämlich einen Korb. Also bleib um Himmels willen locker. Vor allem in den Knien. Denn du wirst immer eine Möglichkeit finden, dich unglücklich zu fühlen, wenn es das ist, was du willst.
Da begann ich langsam zu verstehen und reichte ihm mit einem Nicken das Siebener Eisen.

Montag, 15. September 2008

Fragen, die die Welt bewegen

Wohin mit dem ganzen Geld? Warum bist du reich und warum bin ich arm?
Apropos: Arme. Wie masturbieren eigentlich Contergan-Geschädigte? Ich meine, mit DEN Ärmchen... Und überhaupt: Kann denn Liebe Sünde sein?
Sind Zebras weiß mit schwarzen Streifen oder schwarz mit weißen Streifen?
Wann wird’s mal wieder richtig Winter?
Was ist Gefrierbrand?
Wo zum Geier liegt Ostwestfalen?
Warum schmeckt es nirgends so gut wie bei Muttern?
Wofür gibt es dreiundvierzig Fernsehsender, wenn ich doch immer nur einen schauen kann?
Was war zuerst da? Die Macht oder der Wille?
Wußten Sie schon, daß weibliche Bachforellen den Orgasmus vortäuschen?
Wäre Van Gogh auch ohne Hände ein großer Maler gewesen? Ist die Ratte, die in der Kirche eine geweihte Hostie frißt, nun auch selbst geweiht? Wie viele Federn passen in den Flügel eines Engels? Sind das jetzt noch Fragen oder schon bloße Spitzfindigkeiten?
Kann es sein, daß die meisten Deutschen George W. Bush deshalb nicht mögen, weil der kleine Mann auf der Straße es einfach nicht gerne sieht, wenn einer aus seinen Reihen plötzlich ganz oben ankommt: der ist doch genauso blöd wie ich, warum werde ich dann nicht auch Präsident?
Ist Neid immer noch die Triebfeder Nummer 1 unseres Landes?
Arbeite ich in diesem Job wohl nur wegen der schnellen Mark?
Wußten Sie schon, daß der Regenbogen das gebrochene Sonnenlicht ist, das aus einer Regenwand zurückstrahlt? Wenn nein: Warum nicht?
Reicht das? Kann ich jetzt aufhören?
Wofür halten Sie sich eigentlich?
Wo kommen wir denn da hin?
Was haben Sie sich denn dabei gedacht?

Dienstag, 9. September 2008

Anna, Nicole, Schmidt

Anna, Nicole und Schmidt trafen sich zur Erinnerungsversammlung. Die Parkbank vor Schmidtis Haus schien ihnen dafür genau der righty-right place to be zu sein.
Anna begann gleich mit einem lustigen Ereignis aus ihrem Leben, der Welt des Verlesens, Verlachens und der Legasthenie. Das ging so: Freitag wollte ich in einem Restaurant speisen. Doch bereits beim Lesen der Karte wurde mir ganz blümerant zumute. Ich meine, was bitteschön soll denn das sein – Petersiler-Däpfel?
Au Backe, und was hast du dann gemacht? erkundigte sich Nicole besorgt.
Na, ist doch ganz klar, antwortete Anna fröhlich, ich hab mir einen Döner geholt und gut ist.
Schmidt sagte nichts und dachte nur so bei sich: Wie beruhigend, daß heute keine Frauen mehr ertränkt werden. Wie beunruhigend, daß sie das Wahlrecht besitzen.
Das behielt er aber besser mal für sich. Die Gedanken sind frei, logo, doch aussprechen sollte man nicht alles, was einem unter dem Pony durchs Oberstübchen marschiert. Und Schmidt war sowieso, alles in allem, mehr der große Schweiger. Geltungstrieb hatte er nie. Ambition, was ist das? Ehrgeiz – nie gehört. So slackte Schmidt genußvoll durchs Heute und alle Tage. Und auch die Frauen standen drauf.
Als nächstes wollte Nicole was sagen, sie hatte neulich ein Buch über Buddhismus gelesen, und darum lautete ihr Motto seitdem: Wer es eilig hat, muß langsam gehen (wußte schon Konfuzius). Das hatte sie nicht gleich verstanden, ebenso wie folgenden Sinnspruch: Erst, wer seinen Ort oder Platz gefunden hat, kann diesen verlassen, in dem Sinne, eine Reise anzutreten, die insofern zweckgerichtet ist, als sie mit einer Rückkehr zu ihrem Ursprungsort enden soll.
Da war bei ihr erst mal nur weißes Rauschen unter dem Pagenschnitt angesagt. Aber egal, irre gut kam das alles irgendwie trotzdem, man mußte dann halt mehr auf den Sound, das Feeling achten als auf die Aussage, dann ging das schon.
Jetzt aber endlich das, was Nicole meinte, unbedingt loswerden zu müssen: Ich war neulich mit Wolfgang im Museum. Wir haben uns alles angeguckt. Danach waren unsere Augen voll. Wir hatten Hunger, also gingen wir zur Frittenbude. Da meinte er auf einmal, mitten beim Zigeunerschnitzel: Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du gern Knoblauch essen. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich ihn wiedersehen will. Echt, das ist total schwierig für mich. Ich kann da gar nicht mit umgehen. Und hinterher tut mir immer alles leid. Ich bereue eigentlich mein ganzes Leben. Bei manchen Menschen ist es schon eine Beleidigung, wenn sie nur einen Satz mit Ich beginnen. Meinereine bildet da keine Ausnahme.
Um die angeschlagene Stimmung an diesem lauschigen Nachmittag wieder ein bißchen aufzuheitern, faßte sich nun auch Schmidt endlich mal ein Herz und ließ was vom Stapel: Mädels, begann er, auf der Straße sprach mich gestern ein junger Herr an. Er sagte voller Stolz: Mein Schwanz ist 21,5 cm lang. Darauf fiel mir nichts Besseres ein als: Dann sieh mal zu, daß du was draus machst. Mit diesen Worten entließ ich ihn in den verdienten Feierabend.
Anna prustete sofort los. Nicole hingegen verstand das schon wieder nicht, aber, wofür sind Freunde denn sonst da, sie lachte trotzdem tapfer mit.

Montag, 1. September 2008

Stell Dich Du Mörder !

Es war mal wieder ein kleines Mädchen umgebracht worden. Na ja, Schwamm drüber, so was kam in den besten Familien vor.
Die Bürger der Stadt hatten diese neue Lockerheit aber eben noch nicht für sich angenommen und waren echt ziemlich verbiestert drauf. Einer hatte sogar ein weißes Bettlaken aus seinem Küchenfenster gehängt, auf das er mit roter Farbe geschrieben hatte: Stell Dich Du Mörder !
Die Stimmung war unerträglich und die Aggression, welche in der Luft lag, zum in Scheiben schneiden dick.
Eines Tages begab es sich nun, daß ein junger Mann bei der örtlichen Polizei anrief.
Guten Tag, sagte er, ich halte es nicht mehr aus. Ich möchte mich gern stellen.
Der diensthabende Wachtmeister am anderen Ende der Leitung war aber schwer auf Zack und deshalb nicht bereit, den Anruf einfach so kommentarlos hinzunehmen. Das Leben ist schließlich kein Wunschkonzert.
Darum fragte der Wachtmeister erst mal kritisch nach: Schön, schön, aber die entscheidende Frage ist doch, ob sie überhaupt der Mörder sind? Nun? Wie steht’s damit, Meister?
Tja, ähm, begann der junge Mann und geriet augenblicklich ins Straucheln, eigentlich nicht, also, ähm, nee, ich war auch gar nicht am Tatort, aber, aber irgendeiner muß es doch auf sich nehmen.
So haben wir jetzt nun nicht gewettet, Sportsfreund, antwortete ihm der zusehends ungehalten werdende Wachtmeister. Also, paß mal auf, Bürschchen, Lektion 1 der Polizeiarbeit: Erst mal mußt du was auf dem Kerbholz haben, sonst geht da gar nichts. Wir haben unsere Zeit schließlich nicht gestohlen. Also sieh zu, daß du entweder Land gewinnst oder aber erst mal einen umbringst, bevor du dich stellst. Und ruf bloß nicht wieder an. Wir sind hier schließlich nicht bei Domian.
Eine Woche später erstach der junge Mann dann seine Vermieterin. Der Wachtmeister war’s zufrieden. Es ist immer gut, wenn sich Lernerfolge einstellen.

Sonntag, 24. August 2008

Glückwunsch, Sie sind durchgefallen

Student, das ist eine selten blöde Frage. Professor, es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten. Wie müßte denn Ihrer Meinung nach die intelligente Version dieser meiner Frage lauten?
Student, Sie müssen noch viel lernen. Professor, Sie werden es kaum glauben, aber genau deshalb bin ich hier: Weil ich von Ihrem glorreichen Wissen profitieren möchte.
Ach, Kerl, du bist schon im 14. Semester? Und wann willst du mal fertig werden? Also, Schnepfe, noch nehme ich Vorschläge entgegen. Zwanzig Semester, dreißig Semester – wer bietet mehr?
Und, Kerl, was macht man später so als Volkswirt? Wie der Name schon sagt, Schnepfe: Völker bewirten natürlich.
Und, Kerl, was macht man später so als Anglist? Wie der Name schon sagt, Schnepfe: ich gehe angeln.
Und, Kerl, was macht man später so als Germanist? Arbeiten, Schnepfe. Geld verdienen.
Wie, Mitarbeiter? Sie wollen schon gehen? Ist doch erst 18 Uhr? Ja, Chef, ich bin grad mal in der Mittagspause. Bis später!
Mitarbeiter, wieso ist das noch nicht fertig? Ach, Chef, wäre es Ihnen denn lieber, wenn ich einen unausgegorenen Schnellschuß abliefere?
Mitarbeiter, mehr haben Sie in der ganzen Zeit nicht geschafft? Oh doch, Chef. Viel mehr. Ich habe zehn Anrufe entgegengenommen, drei Kollegen bei ihren PC-Problemen geholfen und den Drucker von seinem Papierstau befreit. Nennen Sie mich Superlupo!
Mitarbeiter, Sie sind ein echter Totalversager. Chef, was sind Sie doch für ein guter Beobachter.
Mitarbeiter, sofort aufhören! Chef, ich würde uns beiden den Gefallen ja gerne tun, aber wir sollten in dieser Situation nicht nur an uns selbst denken.
Mitarbeiter, Sie sind ein fauler Sack. Aber nehmen Sie das jetzt bitte nicht persönlich. Wie soll ich es denn Ihrer Meinung nach nehmen, Chef?
Na also, Mitarbeiter, geht doch! Sie meinen also, Chef, daß ich beim ersten Versuch aus purer Böswilligkeit nicht all mein Können eingesetzt habe?
Schön, Sie kennenzulernen, Kerl. Die Freude ist ganz Ihrerseits, Kollege.
Kerl, immer müssen wir für dich Extrawürste braten. Stimmt, Kollege. Und gerade weil Ihr mir netterweise immer Extrawürste bratet, kann ich mich voll auf die neue Marketingkampagne konzentrieren. Und wenn die gut läuft, haben wir alle was davon.
Dafür habe ich keine Zeit, Kerl. Kollege, Sie meinen wohl: Sie setzen Ihre Prioritäten lieber anders. Das müssen Sie bitte mit der Geschäftsführung klären. Denn die hat diesem Projekt allerhöchste Priorität bescheinigt.
Kerl, sind Sie so blöd oder tun Sie nur so? Keine Ahnung, Kollege. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie es herausgefunden haben?
Kerl, wenn ich hier was zu sagen hätte, wärst du ganz schnell weg vom Fenster. Kollege, wenn du hier was zu sagen hättest, hätte ich schon längst bei der Konkurrenz angeheuert.
Mitarbeiter, das hat doch noch nie geklappt... So sprach Carl Benz und beschloß, auch weiterhin lieber Kutsche zu fahren, Chef. Glauben Sie allen Ernstes, Bill Gates wäre mit dieser Einstellung Milliardär geworden?
Mitarbeiter, Sie können nichts als kritisieren. Chef, das habe ich mir von Ihnen abgeguckt. Nein, mal im Ernst: Ich gehe eben nicht so naiv an die Sache heran wie Sie.
Mitarbeiter, das ist doch alles totaler Unsinn, was Sie da verzapfen. Na sowas, Chef, das ist mir ja was. Pallim pallim.

Samstag, 16. August 2008

Tschakka

Willkommen zu unserem Managementtraining. Heute geht es darum, wie Sie Ihre eigenen Zornmanagementfähigkeiten entscheidend verbessern können.
Wir alle wissen, daß wir ohne gute Zornmanagementfähigkeiten leicht selbst zu einem Opfer der Entdeckung unseres Zornes werden können.
Dabei kann es so einfach sein, den Zorn auf die Wiese unseres Glückes zu stellen. Woanders beschädigt er doch nur unsere wichtigsten Verhältnisse.
Häufige Zornursachen sind Druck und vor allem auch zu viel Druck. Das kann, wenn Sie nicht richtig angefaßt werden, für die Gesundheit gefährlich sein. Deshalb sind Sie heute hier, um für Ihren Grund und den Grund derer, die Sie lieben, einen Handgriff auf Ihren Zorn zu erhalten.
Einige Spitzen, die Ihnen helfen können, werde ich Ihnen versuchen zu vermitteln. Das Lernen, sich zu entspannen, ist eine der wichtigsten Zornmanagementfähigkeiten überhaupt, die Sie haben können.
Wenn Sie glauben, sich verärgert erhalten zu müssen und Sie sich wünschen, daheraus peitschen zu können, dann müssen Sie sich einig tiefen Atem anstatt nehmen. Zur Beschaffenheit gilt es mehr zu zählen, wenn Sie Ihren Zorn benötigen, Ihn zu- und dann wieder nachzulassen.
Wenn gerade Atmen für Sie nichts tut, dann versuchen Sie, sich eine ruhige Szene sichtbar zu machen. Dies sollte wirkungsvoll sein, wenn Sie Ihren Zorn verringern und Sie die Zeit und den Raum zugestehen, einen guten Blick an ihm zu nehmen. Dann sehen Sie, wenn Ihre Gefühle gerechtfertigt werden, daß Sie sich entscheiden können, wie man rational Ihren Zorn beschäftigt.
Vieles kann helfen: Etwa eine neue Sprache erlernen. Leute, die leicht auch Verärgerung erhalten, neigen dazu, Ihren Zorn mit bunter Sprache zu verbalisieren. Anstatt nun aber Wörter und das Benennen der Leutenamen zu verwenden, schwören Sie auf den Versuch, Wörter anzuwenden, die Sie nicht normalerweise pflegen, um Ihre Gefühle zu beschreiben. Anstatt zu sagen: das Kerl S. A. ist eine Schmutzbeutel, versuchen Sie, zu beschreiben, wie Sie fühlen, indem Sie etwas sagen wie: das Kerlausschnitt ich weg im Verkehr mich wirklich verärgert bildet, weil er ist so unhöflich. Nehmen Sie sich die Zeit, wirklich genau zu kennzeichnen, welches Gefühl Sie sind und warum Sie glauben, daß diese Weise Sie verlangsamen kann, Ihre eigene Zornzeit niederzuwerfen und diffundierend abzugeben.
Wenn Sie glauben, Sie benötigen darüberhinaus weitere Hilfe bei Ihrem Zorn, erwägen Sie durchaus die Anwendung eines Therapisten oder eines Hypnotherapisten, der Sie dabei beraten kann. Beide können Ihnen, in den unterschiedlichen Weisen helfen, Ihr Problem anzugehen und kennzeichende Arbeit an Ihren ganz persönlichen Zornmanagementfähigkeiten zu leisten.
So Sie haben jetzt eine gute Grundlage und Hinweise bekommen zu Ihrem eigenen täglichen Training. Alles Weitere liegt an Sie. Doch nur Mut. Sie schaffen das. Ich glaube an Ihnen.

Samstag, 9. August 2008

Geschichten aus dem Baruther Urstromtal

Im Schloß Neuschweinestall ging es mal wieder, wie eigentlich jeden Abend, hoch her. Das belegte schon ein bloßer Blick auf die Tickermeldungen, die unaufhörlich vom Stapel liefen: Bewährung für korrupte Manager. Tote bei mysteriöser Explosion. Fregatte beschießt sich selbst. Mann stirbt nach Kartbahn-Besuch. Tipper knacken den Lotto-Jackpot. Dürre treibt Kängurus zur Armee.
Spätestens da war Doktor Pimmelmann endgültig klar: Fusible Fürze stürzen unser Land eines Tages noch mal ins Unglück.
Der vergeistigte Maestro, ihm gegenübersitzend, wollte das so nicht gelten lassen und maulte: Ihr Naturwissenschaftler habt immer eure geeichten Suchgeräte zur Verfügung, das unterscheidet euch fundamental von uns Geisteswissenschaftlern. Wir haben immer bloß unser bißchen Verstand und Herz, um etwas aufzuspüren. Gewissenheiten gibt es nicht. Also halt mal den Ball flach, Doc. Und überhaupt: Die faulsten Schweine auf der Welt sind bekanntermaßen immer noch die Drogen. Denn die Drogen arbeiten nicht. Das wissen wir von Richard Ashcroft.
Der Doktor, von jeher ein großer Bewunderer des Maestros, schrieb eifrig mit, um auch ja keine Sentenz zu verpassen. Sein letzter selbständiger Tagebucheintrag in sein mit Eselsohren übersätes Hausaufgabenheft lautete: Notiz an mich selbst – Günther Fischer ist größer als Ennio Morricone und Burt Bacharach zusammen. Wer’s nicht glaubt, aber dennoch Ohren besitzt, muß unbedingt mal hineinhören in Fischers Platten mit Manfred Krug, den Tecumseh-Soundtrack und die Filmmusik zu Didi – und die Rache der Enterbten. Danach ist keine Widerrede mehr möglich.
Doch wie immer blieb keine Zeit zum Korrekturlesen oder gar Sinnieren, denn in diesem Moment fiel dem Maestro ein neues, gewitztes Bonmot ein. Er sprach druckreif: Bücher unterliegen der Preisbindung. Chance: Beschädigt oder veraltet. Liebe kann man nicht erzwingen. Chance: Zauberei oder Erpressung.
Hinterher, beim andächtigen, süffigen Kamingespräch, nahmen der Doktor und der Maestro ganz entschieden zweierlei Standpunkte ein. Der Maestro mehr so: Johannes Brahms schien wohl doch ein ziemlich dufter Typ gewesen zu sein, oder wenn schon nicht dufte, so doch zumindest lose. Manchmal nämlich, das ist überliefert, dirigierte er mit einer Hand in der Hosentasche.
Unterdessen beharrte der Doktor vehement auf seiner eigenen Überzeugung: Was niemand verdient hat – Peter Hahne als Fürsprecher. Gerechtigkeit für Heinz Erhard!
So saßen sie, tranken und vergaßen die Zeit. Das war nicht gut, denn bis morgen früh, sieben Uhr, mußte der Maestro seine Filmkritik zum neuesten französischen, sich als Kunst verkleidenden Softporno fertig haben. Das Fazit stand ihm bereits vor Augen (der Text hingegen noch gar nicht): Die behauptete Lust weiß der Film nicht auf seine Angucker zu übertragen.
Bei den lächerlichen Fickszenen hätte er der Darstellerin auf der Leinwand am liebsten zugerufen: Alles Gute, Frau Kollegin. Empfehlung an die Eltern.
Draußen, vor dem Schloß, wurde es bereits wieder hell.

Samstag, 2. August 2008

Kleiderbügel

Der Mann will seinen Laptop aufklappen und etwas in die Tastatur prügeln. Es gelingt ihm nicht. Etwas klemmt. Es ist ein Kleiderbügel. Der versperrt ihm die Auffahrt.
Verärgert ergreift der Mann den Bügel und sieht ihn zornig an. Was fällt dem Kerl ein? Einfach hier so herumzuhängen. Also wirklich.
Doch dann kommt eine Erinnerung aus früheren Zeiten über ihn, er denkt, es war wohl heute morgen. Das könnte ungefähr hinkommen. Beschreien will er es aber nicht.
Auf jeden Fall hat er da die Wäsche aufgehängt im Wohnzimmer, wo denn auch sonst? Dabei hantierte der Mann mit Kleiderbügeln herum.
Dieser hier könnte womöglich aus seiner Herde ausgebüchst sein. Manchmal hat man das, daß einer von dem Haufen hyperaktiv ist oder als Kind zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Dann machen sich die anderen Bügel über ihn lustig, und er darf nicht mitspielen.
Dem Mann, der sehr nah am Wasser gebaut ist, geht ein wenig das Herz zu Bruch bei diesem Gedanken, denn er stand auch oft als Kind in der Ecke vom Schulhof, an den Zaun gelehnt und durfte nicht mitmachen beim Strip-Mau-Mau.
Jetzt aber ist er reich, und wenn er mal einem von den kleinen Versagern wiederbegegnen würde, dann hätte er aber das letzte Lachen auf seiner Seite, keine Frage. Nur leider hat er keine Einladung für das Ehemaligentreffen seiner Schule bekommen. So blieb ihm auch dieses Lachen im Halse stecken.
Er nimmt den Kleiderbügel in den Arm und streichelt diesem über das Köpfchen. Die beiden verstehen sich auf Anhieb.
Eine wunderbare Freundschaft beginnt.

Sonntag, 27. Juli 2008

Der Himmel sieht schön aus (du nicht unbedingt)

Wieder mal ein harter Tag im Namen von Vater Staat.
Ich bin total durch den Westwind, völlig unruhig und gar nicht mal bei mir, dabei könnte meine geschundene Seele sich doch locker auf Zimmergröße ausdehnen, fehlt ja nicht viel, kuckt auch keiner zu, warum also nicht? Doch es will und will nicht gehen, also schaut man nach, woran es liegen könnte, stellt dann aber plötzlich fest, daß einem hierzu jegliche Grundlagen fehlen, weil man nun mal nicht Psychologie studiert hat und somit auch keinen Blassen von des Psychos Analyse.
Lüften kann man auch nicht, da wehen wieder ständig feinste Schuttwolken aus dem Bröckelhaus gegenüber zu mir her. Hallo Dust Bowl, ist denn schon wieder fünf nach Woody? Hey hey, Mister Guthrie, so haben wir nicht gewettet.
Mir mangelt es an Sauerstoff und auch an Perspektiven... und an heißen Bienen, die meinen Honig lieben. Björk summt mir den Almdudler auf der singenden Sense vor, aber das allein hält Knokke nicht am Leben.
Egal, was es ist, ich nehme es, nehme es gar mit Freuden, Hauptsache, ich muß mich nicht konzentrieren, womöglich gar schreiben oder so, über mein Leben oder so, den ganzen Tag und all das, o Gott, o Gott, alles, nur das nicht.
Laß uns bumsen, schlage ich vor, doch selbst meine rechte Hand hat mittlerweile keine Lust mehr auf mich und ist schon längst eingeschlafen.
So geht der Tag dahin, an dem mein Vater Geburtstag hat, aber nicht feiert, weil dann nur wieder Leute ankommen und ins Haus wollen, und das ist gerade sauber, und dann machen die das wieder dreckig, und das ist ihm die Sache einfach nicht wert.
Ich bin derweil in Berlin, aber nicht mehr lange. Morgen früh geht meine Maschine, dann muß ich in den Nahen Osten, um dort meine neue Turnschuhkollektion vorzustellen. Mein Name ist Barack Obama, ich tanze im Pyjama von hier bis Yokohama.

Sonntag, 20. Juli 2008

Mit Willi am Kamener Kreuz

Früher war alles besser. Da wünschte einem der Müllmann noch ein frohes neues Jahr. Und stellte die Tonne auch wieder da hin, wo er sie hergeholt hatte. Heute ist alles anders, die Dinge sind bei sich, die Menschen aber, drei an der Zahl in einem verbeulten Ascona, am Kamener Kreuz.
Gibs zu, hakte Fred, mit den anderen beiden im Stau stehend, nach, du hast dich in mich verliebt. Los, sag schon, ja oder nein, ich will ne positive Antwort hören.
Seiner weiblichen Mitfahrgelegenheit, auf dem Sitz neben ihm kauernd, wurde diese Nummer langsam echt zu anstrengend. Klar, auch sie wollte Geld sparen, aber noch viel lieber wollte sie von diesem abgebrochenen Pickelface in Ruhe gelassen werden.
Da grunzte es auf einmal überraschend von der Rückbank: Heute bin ich bester Dinge, denn ich habe alle Klausuren bestanden. Ich hatte aber auch gar nichts gelernt, von daher war das abzusehen. Nur eins verstörte mich unterm Radar am Boden – die Dörte will mich nicht, die Doofe, die. Es ist so unfair. Schmeißt sie sich einem solchen Eierkopf wie dem Direx an den fetten Hals. Ich hingegen stehe in der Blüte meiner Bibliothekserscheinung. Mit wem soll ich denn nun sexuellen Kontakt tätigen? Bitternis ist kein Lockstoff. Ich empfehle mich. Und freue mich schon unheimlich auf willige Mecklenburgerinnen, immer straight ahead, auf der Straße ins Glück. Gezeichnet: ein verletzter Willi.
Dann schlief der Typ wieder ein und ließ die Mitfahrgelegenheitstussi und den Fred ebenso erstaunt wie wortlos zurück.
Der irritierte Fahrerfred wandte sich an die Beisitzbiene zu seiner Rechten und fragte, mit einem Gesichtsausdruck der völligen Entblödung bewaffnet: Ähm, wo waren wir stehengeblieben?
Du wolltest mir gerade was über deine Sparsamkeit erzählen, log die Mitfahrtante.
Ach ja, richtig, sagte Fred langsam und runzelte die zusammengewachsenen Augenbrauen, wohl noch nicht so recht überzeugt. Dann aber hob er an: Immer, wenn ich so eine innere Beklemmung in der Brust fühle, die mich drängt, mich doch endlich mal mit Orgelkonzerten, Requien, überhaupt Bach, aber auch sonst so Klassik zu beschäftigen, entgehe ich dem anstehenden Kaufrausch dadurch, daß ich mich in ein tiefes Schluchzen versteife, mich selbst in die Matratze meines Bettes hineinpresse, um ja nicht shoppen gehen zu können, beiße ein Stück aus der Tapete und höre immer und immer wieder, oftmals tagelang, die ersten beiden, einzig wahren Alben der Spice Girls. Geri liebt mich, das muß sie einfach. Und Emma eh. Die Kunst der Fuge ist ein Dreck gegen Viva Forever.
Damit hatte die Mitfahrgelegenheitsmaus nun echt nicht gerechnet. Der Fred war also ein ausgemachter Spice Boy. Sofort stieg er auf ihrer imaginären Sympathieskala um ein bis zwei Punkte. Damit lag er jetzt ungefähr bei minus fünf.
Vielleicht würde die Fahrt zu dritt rauf zur Ostsee ja doch noch lustig werden.

Mittwoch, 16. Juli 2008

Ein Staplerfahrer aus Malaysia

Ich kannte mal einen Staplerfahrer aus Malaysia. Der klagte immer über Rückenschmerzen.
Das Herz saß bei ihm auf dem rechten Fleck, das bedeutet: seitenverkehrt.
Als Kind war er beim Spielen mal in einem Maschendrahtzaun hängengeblieben. Seit dem diagnostizierten ihn die vereinigten Hautärzte aller Länder mit schöner Regelmäßigkeit fehl und gingen davon aus, er hätte einmal Nesselfieber gehabt.
Was Liebe war und welche Macht von großen Gefühlen ausgehen kann, das wußte er nur aus der Oper.
Nach der Arbeit ging er heim in seine unmöblierte Einzimmerhütte und aß schweigsam Dosenfisch. Durch sein Verhandlungsgeschick war es ihm gelungen, davon einige Tonnen zu einem äußerst günstigen Wechselkurs zu erwerben. Noch Jahre später zehrte er davon und rückte den Speiseresten hinterher stets mit dem Zahnstocher auf den fischigen Leib.
Sie sehen, sein Leben war nicht so der Brüller.
Mit zwanzig hatte er einmal beim Skat betrogen. Er war damit durchgekommen.
Nachher machte er sich ein Fußbad und schnitt sich die Zehennägel.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle nur noch einmal darauf hinweisen, daß kein Mensch ganz frei von Sünde ist, aber auch keiner so voll davon, daß er nicht doch noch etwas wert wäre.
Von daher bitte nur ernstgemeinte Zuschriften mit Bild.
Und jetzt kommt Ihr.

Montag, 7. Juli 2008

Erstes Halbjahr 2008

Afghanistan. Age of Conan. Airbus A380. Angelina Jolie.
Barack Obama. Beyonce. Blu-ray Disc. Bobby Fischer. Burma.
China. Das chinesische Neujahr. Christina Aguilera.
Dalai Lama. Daniel Day-Lewis. Dmitri Medvedev.
Edmund Hillary. Eisbär. Eliot Spitzer. Ellen Page. Die Erde. Euro 2008. Eurovision Song Contest. Eva Longoria.
Fantasy. Fidel Castro.
Gaza. George W. Bush. Giuseppe Di Stefano. Die globale Erwärmung. GPS-Navigator.
Hillary Clinton.
Indiana Jones. Internationale Filmfestspiele von Cannes. iPhone 3G. Irland.
Jennifer Lopez.
Kate Hudson. Keira Knightley. Kenia. Kofi Annan. Kolumbien. Kosovo. Kuba.
Legosteine. Leona Lewis. Libanon. Lindsay Lohan.
MacBook Air. Madonna. Marilyn Monroe. Marion Cotillard.
Nelson Mandela.
Die Olympische Fackel. Ostern. Osttimor.
Papst Benedikt XVI. Paul McCartney. Planet Merkur. Pokémon.
Raumsonde Phoenix. Robert Mugabe. Ronaldo.
Sarah Jessica Parker. Schmetterling. Sharon Stone. Silvio Berlusconi. Simbabwe. Sonnenuntergang. Sony Ericsson W880i. Spanien. Super Bowl.
The Incredible Hulk. Tibet. Treibhauseffekt.
Valentinstag.
Wimbledon. Winnie Puh.
Zlatan Ibrahimović.

Montag, 30. Juni 2008

Tagesfieber

Auf einer alten, verklapperten Klappcouch saß Hans Martin Eichelheimer vor einer noch klapperigeren Schreibmaschine. Von Anfang an bemerkte er dabei, daß es heute mit ihm und den Buchstaben keine innige Freundschaft mehr werden würde. Dabei war sein Stil um vieles besser als sein Durchhaltevermögen. Glücklicherweise befanden wir uns hier immer noch im Land der jämmerlichen Ästheten und nicht im Kessel von Stalingrad.
Was ihm bisher zwischen Tastatur und Farbband geraten war: ein schlechter Scherz. Der ging so: Ich verbrachte die Nacht mit einem Milchmädchen und ließ sie am Morgen mit ihren Rechnungen allein. Am anderen Tag traf ich auf offener Straße einen weißgewandeten Araber. Er kam mit einem breiten Grinsen auf mich zu und wollte mir eine offensichtlich gefälschte Swatch-Armbanduhr verkaufen. Da wurde es mir zu bunt, und es platzte mir der Kragen. Geh weiter, sagte ich zu ihm. Scheich dich! Betrübt schlich der Muselmane seiner Wege.
Eichelheimer kannte Frauen, auch persönlich, die total abfuhren auf diesen feinen sprachgewitzten Humor. Er fand ihn einfach nur zum Kotzen. Doch was anderes übrig blieb ihm trotzdem nicht.
Auf dem Donnerbalken über den Geranien saß zur selben Zeit eine sehr von sich selbst eingenommene eierlegende Wollmilchsau, die zärtlich und gedankenverloren an ihren Hämorrhoiden herumspielte.
Ich hoffe, vor der nächsten Lieferung wäschst du dir noch mal die Finger, maunzte Eichelheimer sie an.
Seien Sie unbesorgt, Mister und taken Sie es easy, my old Kentucky Dickerchen, gab sie kühl und affektiert zurück, unterdessen sie sich den Cowboyhut lässig noch ein wenig tiefer ins Gesicht rückte.
Ihren Anglizismen war einfach nicht beizukommen.

Freitag, 20. Juni 2008

Irre Irre Irre

Mein Freund Rainald Goetz war heute mal wieder unglaublich gut drauf. Angriffslustig wie in den alten Tagen, wo er sich in Klagenfurt oder wo auch immer das gewesen ist, mit einer Rasierklinge die Stirn aufgeschnitten hatte, nur um mal ein wenig Pepp in die ganzen satten abgehangenen Schweinehälften vor der Bühne zu bringen.
Er redete sich, während wir ziellos durch die nächtlichen Straßen des Wedding marodierten, in Rage, sein eigentliches Element. Diese ganze gegenseitige Eierschaukelei ist doch bloß noch zum Kotzen, setzte er an. Dieser wahnsinnige Sozialterrorismus mit Lob, das ist alles destruktiv, das gehört alles weggehauen. Denn Lob ist schlecht. Der installiert ein Gefälle, eine Nähe, eine Anmaßung. Etwas sei zu loben, weil es geglückt ist: ein Aussehen, eine Geste, ein Kontakt, erst recht natürlich jedes extra hergestellte Ding, ein Essen, ein Buch, eine Musik. Heilige Einfalt!
Mir geht es manchmal in Internetforen so, gab ich zu denken. Und das war nicht nur so dahergesagt, sondern auch wirklich meine Meinung. Ich fand es schon immer schwer daneben, wenn sich unbekannte Menschen auf einmal miteinander solidarisierten, nur weil sie die gleichen bescheuerten politischen Überzeugungen vertraten oder dieselben langweiligen Rolling-Stones-LPs für meisterhaft erachteten.
Rainald nickte und nahm im Gehen noch einen Schluck aus der Küstennebel-Flasche. Dann weiter: Gelobt zu werden ist furchtbar, die ganze Kaputtheit des Lobens wütet einen dann an. Wenn man sich gedankenlos ranschmeißt an das Gelobte anstatt die Freude des Geglückten einfach aufzunehmen und das Maul zu halten. Wer fragt denn noch, WARUM genau die geglückte Sache einem so geglückt vorkommt? Lob erniedrigt beide, den Gelobten wie auch den Lobenden. Analyse und Argument aber, die erhöhen den geistigen Zustand, in dem alles sich befindet. Zustimmung schwächt, Kritik stachelt an. Bringt Energie in die Welt! Voll in die Fresse! Dieses ganze stricherhaft Abgefuckte des Lobens, die Lobnutten, Lobtrottel, Trottelkartelle, die alles niederstampfen. Eine ganze Welt voller Kaputtheit und Verblödung, voller Scheußlichkeiten und Zuschleimungen. Heidenreich, Doebeling, Stalingrad.
Kritiker sind Parasiten, pflichtete ich bei und ließ mir auch mal den Küstennebel schmecken.
Rainald daraufhin: Es gibt keine schönere Art von Zustimmung zur eigenen Bemühung und den Resultaten, als die Ablehnung durch die, die man selber für totale Deppen hält. Die auch gerade deshalb so blöd sind, weil sie so viel Angst haben, selber abgelehnt zu werden. Die mit vorauseilender Zustimmung anderen gegenüber auftreten, nur um dadurch selber Zustimmung zu sich selbst zu erdealen, zu erzwingen. Alles sehr falsch.
Wir zwei waren uns einig darin, daß es unglaublich die Laune hebt, wenn man so bei sich merkt, daß man mit all dem Zirkus nichts zu tun hat, weil man selber anders ist und anderes beabsichtigt. Hymnen kotzen, schöne Texte machen, Leben lernen, Liebeszauber, halleluja.
Wichtig ist, resümierte da Goetz und funkelte mich mit einem geilen Blick an, daß man sein Ding gnadenlos durchzieht. So wie Wolle Petry.
Wenn ich nur wüßte, was mein Ding ist, meinte ich da nachdenklich, um auch mal wieder was zu sagen. Denn der mickrige Wurm in meiner Unterhose war ja wohl kaum der Rede wert. There must be more than this, irgendwo da draußen.
Nachher in dieser Nacht überfielen wir noch einen jugendlichen Araber und zogen ihm zwanzig Euro, sein Klappmesser und den MP3-Player ab. Wir fühlten uns wie die Könige der Dunkelheit.

Montag, 16. Juni 2008

Janz weit draußen mit Johann Wolfgang Dickensäck

Man ist, was man ißt. Dickensäck war ein Glückskeks.
In seinen Augen war das Leben die große Praxis des Unsinns, die angewandte Blödheit. Ein Irrsinn, eine fixe Idee und auch eine Dummheit, die zum Tode führt. Ein bißchen Spaß muß schon sein.
Die Entfernung war für ihn die erste politische Hygiene. Wer weit weg von Dickensäck ist, dem kann er nur schwerlich das geben, was er oder sie verdient, und sei es auch nur furchtbar bös den Arsch voll. Wer ihm also fern bleibt, ist somit seines Lebens sicher. Die Nähe ist die Zumutung, die Ferne jedoch ein Ruhezustand.
Auch kannte Johann Wolfgang seit Kindertagen den großen, bedeutsamen Unterschied zwischen Ost und West. Und der geht so: Churchill sammelte Witze, die Menschen über ihn machen. Stalin sammelte Menschen, die Witze über ihn machen.
Was Dickensäck der Jüngere, der sich für einen sehr russisch unorthodoxen Typen hielt, noch verinnerlicht hatte und nicht bloß in den Zeitungen aufgeschnappt: Die Deutschen bekommen nur deshalb so wenig Kinder, weil ihre Frauen so häßlich sind und ihre Männer bloß Luft im Sack haben. Das ist die wahrste Wahrheit, Frau von der Leyen.
Als Dickensäck dann, in Anbetracht der eigenen mißlichen Lage, abends gemütlich an sich herumspielte, dachte er so bei sich: Marta Jandová, ich will ein Kind von dir. Oder wenigstens ein paar aussagekräftige Nacktfotos. Auch in ihm steckte also irgendwo noch ein waschechter Romantiker.
Am nächsten Morgen kam David Lynch vorbei und kackte in Dickensäcks Vorgarten. Als dieser es später seinem Vermieter erzählen wollte, glaubte der ihm kein Wort.

Samstag, 7. Juni 2008

Alte Liebe räuspert sich

Wir trafen uns an einem Mittwoch. Dem Tag, an dem alles passieren kann.
Ich holte sie vom Bahnsteig ab. Sah sie schon von weitem, erkannte sie aufgrund der Bilddatei, die sie mir als E-Mail-Anhang geschickt hatte.
Als ich vor ihr stand, wollte ich sie gleich umarmen. Sie streckte mir allerdings nur ihre zierliche Hand entgegen.
Klar, okay, das konnte ich verstehen. Manche Menschen mögen halt keine Gefühlsausbrüche unter Fremden. Und fremd, das waren wir, denn im Prinzip kannten wir uns ja noch gar nicht.
Wir hatten uns zwei Monate zuvor im Internet kennengelernt, ein paar Mal telefoniert, mehr nicht.
Dies hier war unser erstes Treffen in der wirklichen Welt. Genauer gesagt: am Kölner Hauptbahnhof.
Der Himmel über der Stadt, typisch für den rheinischen Sommer, erinnerte an feuchtes braunes Kammgarn. Köln zeigte sich von seiner schönsten Seite, wie eine bodenständige Witwe in Grau.
Ich lasse mich nicht gerne fotografieren, erklärte sie und drehte sich weg, als ich die Kamera auf sie richtete.
Das hielt mich allerdings nicht davon ab, heimlich Aufnahmen von ihr zu machen. Immer, wenn sie nicht hinsah. Sie vor dem Dom. Sie am Rhein. Sie in der Altstadt. Lauter so Zeugs. Damit füllte ich bis zum Abend einen ganzen Film.
Später im Café sagte sie etwas und sah mich dabei an, doch sie meinte gar nicht mich. Sie meinte ihren Mann, der nicht da war, der sie nicht hören konnte, der jetzt bei einer anderen lag und nicht mehr zu ihr zurückkommen würde.
Ihr verwundetes Herz war für mich so unerreichbar wie für einen Demonstranten das Kurhotel auf der anderen Seite der Bannmeile von Scheinheiligendamm.
Als ich sie abends wieder zu ihrem Zug brachte, war ich es, der ihr bloß die Hand entgegenstreckte.
Ich kann mich auch täuschen, aber in diesem Moment schien sie mir ein bißchen überrascht und ja, irgendwie auch traurig zu sein. Vielleicht wäre sie jetzt bereit gewesen, mich zu umarmen. Es ging aber einfach nicht mehr.
Heute nacht kann ich nicht schlafen und muß an sie denken. An sie vor dem Dom. Sie am Rhein. Sie in der Altstadt. In diesem längst vergangenen Sommer, der keiner war.Der verschossene Film liegt noch immer auf meinem Schreibtisch. Ich hoffe, ich habe irgendwann mal genug Geld, um diese Bilder entwickeln zu lassen.

Montag, 2. Juni 2008

Deutschlandsuche

Deutschland ist:
Ein föderaler Staat im westlichen Mitteleuropa, der aus 16 teilsouveränen Bundesländern besteht.
Gründungsmitglied der Europäischen Union und mit über 82 Millionen Einwohnern deren bevölkerungsreichster Staat.
Kein Rechtsstaat und kein demokratischer Verfassungsstaat.
Eines der sichersten Länder der Welt.
Weltmeister im Abhören.
Führend bei der inneren Sicherheit.
Farblich hervorgehoben.
Ein Medienprodukt.
Viel zu laut.
Nach Frankreich das zweitpopulärste Traumreiseziel für die Russen.
Phishing-Hochburg in Europa.
Schnappi.
Gegen niedrige Handy-Tarife.
In Europa Dickenland Nummer 1 – zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie.
Schön – sehr schön sogar.
Ein Kaffee-Land (so der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes, Holger Preibisch).
Dagegen und stimmt dafür.
Ein sehr vielfältiges Land – du hast Berge, Seen, Wälder, Meer und schöne Städte (Berlin, Hamburg, München, Dresden usw.). Leider läßt hier meist das Wetter zu wünschen übrig.
Erneuerbar.
VOIP Europameister.
Weltmeister bei Fallpauschalenvergütung.
Wieder Exportweltmeister.
Nur Mittelmaß, wenn es darum geht, verläßliche Lebensumwelten für die junge Generation zu schaffen.
Auf dem richtigen Weg (laut Ronald Pofalla).
Weltmeister in der Arbeitslosigkeit gering Qualifizierter.
Ein Zuwanderungsland.
Kein Einwanderungsland.
Nicht auf dem Weg in eine Basarökonomie.
Doch erpreßbar.
Europameister 2006 – und zwar bei der neu installierten Fläche von Sonnenkollektoren.
Spam-Land Nr. 1.
Digital gespalten.
Herausgefordert.
Im Wort.
Top-Standort in Europa.
Mein Traumland.
Kein schönes Land...
Überbevölkert.
Ein schönes Land mit allen landschaftlichen Regionen, die hier in Mitteleuropa denkbar erscheinen. Vom Hochgebirge über Mittelgebirgslandschaften, Flußauen bis hin zu den Gestaden von Nord- und Ostsee!
Einer der größten Klimakiller.
Noch immer ein Jodmangelgebiet.
Drehscheibe für den Strommarkt in Europa.
Weiterhin Fünfter in der Vereinswertung der UEFA.
Der Schlüsselstein in diesem Mosaik.
Schön, hat Denker und Dichter – also seid stolz darauf!
Die Heimat der Premiummarken.
Ein Studium wert.
Eines der innovativsten Länder der EU.
Und bleibt schön, auch wenn egoistische Politiker mit ihrer Korruption und Machtgeilheit alles in grau färben.
Trauriger Spitzenreiter.
Wieder im Fußballfieber.
Handball-Weltmeister.
Vizeweltmeister im Curling.
Kodierweltmeister.
Medizinisch nur Mittelmaß.
Bei den Lohnstückkosten im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig.
Gastgeber der Fußball-WM 2006.
Raus bei Quaero.
Traditionell Exportnation.
Hamlet!
Online.

Sonntag, 25. Mai 2008

Gute Nacht, alter Malerfürst

Da fängt einer als junger Mann an, dafür kann er erst mal nichts. Probiert sich aus, spielt mit mehreren Formen herum, macht mal dies, mal das und malt mal was. Bemerkt dann, aha, daß das Malen ganz gut ankommt, doch Ölfarbe sollte es dabei schon sein und, weil schließlich sind wir hier im Kunstmarkt und da gilt: das Auge fickt mit, bitte bitte auch schön groß. Drei mal vier Meter, mindestens. Ist auch besser, falls man damit Hotelzimmer vollhängt, da gehen die Gemälde nicht so leicht heimlich in die Koffer der Gäste rein, zu den geklauten Handtüchern und den Seifestücken. Echt praktisch und gleich auch direkt mitgedacht, ne? Die gute Idee. Passend zum guten Buch.
Der junge Maler wird älter, freut sich über die ersten Erfolge, bleibt den großen Leinwänden treu, bezahlt wird wie beim Teppichhandel, nach Quadratmeteranzahl. Das Geld kommt rein, auch die Bewunderung, der Ruhm, er geht als Lehrer an die Akademie, wohin denn auch sonst mit der ganzen Freizeit? Kriegt auch das bezahlt. Mit Geld ist schon auch besser als wie mit ohne, sag ich mal.
Der Betrieb funktioniert, Bildbände erscheinen, Interviews wollen vollgelabert werden mit Sinn oder wenigstens der Vorspiegelung davon, Leben geht weiter. Die Kunst hält das aus, und sie hält auch alles zusammen, fragt sich nur noch, wie lange.
Der bewunderte Maler steigt nun, in der Blüte seiner Herrenjahre, endgültig zum Malerfürsten auf. Er hat ein festes Thema, das er wie eine Schindmähre erbarmungslos zu Tode reitet: sein Land, aus der Perspektive der BILD-Zeitung. Doch die Leute lieben das, wissen sie doch fortan, in welche Schublade sie ihn stecken können. Etikettieren ist immer gut. Muß man weniger denken, woll?
Der Malerfürst darf jetzt sogar ab und an die Großen und Mächtigen porträtieren, sofern er mag. Na, und ob er mag, bei den Angeboten, die sie ihm da unterbreiten. Die Männer im Brioni-Anzug mit den schweren Geldkoffern stehen vor ihm. Alles wie in Hollywood. Da müßte er doch bescheuert sein, wenn er nicht zugriffe. Darum tut er einfach so, als wäre dies hier nicht Berlin im Zeitalter des dekorativen Designs, sondern Florenz zur Zeit der großen Meister.
Der Malerfürst richtet sich recht komfortabel in seiner Nische aus, die eigentlich eher einer protzigen Loge gleicht. Er hat Assistenten und Schüler, die groupiegleich an seinen Hacken hängen. Denen überläßt er jetzt sogar zum großen Teil das Malen, aber wehe, die bringen eigene Ideen mit, die gilt es spätestens beim Eintritt ins Atelier an den Kleiderhaken zu hängen, denn hier sind sie nur eins: seine Erfüllungsgehilfen. Der Malerfürst sagt an, und das Fußvolk hat zu gehorchen.
Ab und zu gönnt er sich, müde vom vielen Delegieren und Rumkommandieren, auch etwas Spaß, im Klartext: Koks und ukrainische Nutten. Überhaupt, die Drogen. Die interessieren ihn jetzt irgendwie doch langsam, aber sicher mehr als die Kunst. Also bleibt er dabei und wird zum Kenner der Materie.
Mit beachtenswerter Konsequenz richtet er sich binnen Zehnjahresfrist zugrunde, die Leber zerfressen, das Hirn durchlöchert, und bald klopft auch schon Gevatter Tod bei ihm an. Der gramgebeugte Malerfürst, müde vom vielen Erfolg, vom ewigen Schulterklopfen und weichgeknetet von der permanenten Angst, doch nur ein Hochstapler zu sein, der das alles gar nicht verdient hat, läßt ihn ein. Gemeinsam ziehen sie ab.
Gute Nacht, alter Malerfürst. Dein Thron ist vorerst leer. Doch sicherlich nicht für lang, denn der nächste junge Ehrgeizling wartet schon. Es gibt immer genügend talentierte Halb-Psychotiker, die bereit sind, die Bedürfnisse einer narzißtischen Masse zu befriedigen.

Montag, 19. Mai 2008

Akrostichon

Lexikoneintrag. Akrostichon, das. Von griechisch: akros = Spitze; stichos = Vers.
Das Akrostichon ist eine gute Sache. Es wurde 1712 von Peter Frankenfeld erfunden. Er hatte die Idee dazu nach einer feucht-fröhlichen Nacht auf der Durchreise in der Zeche Kulturverein.
Dort überkam es ihn mit einer solchen Wucht, daß im ganzen Ruhrgebiet kein Auge mehr trocken blieb.
Noch Jahre später erzählten sich die Dorfbewohner hinter vorgehaltener Hand spannende Erlebnisse und wagemutige Geschichten aus dem Leben des singenden Vagabunden.
Was nun ein ausgemachtes Akrostichon im einzelnen ist, lassen wir wohl am Besten die Fachleute erklären: Frische Brötchen essen Asse des Gesanges.
Unterdessen machten fünf bärtige Eskimos äußerst schlechte Erfahrungen mit holländischen Kreuztomaten.
Na ja, dachten sie so bei sich, immer noch besser, als wenn jetzt unverhofft Daniel Küblbock wieder mit dem Singen beginnen würde.
Akrosticha gehören übrigens väterlicherseits zur weit verzweigten Familie der Kryptogramme. Zu näheren Informationen fragen Sie bitte einfach Ihren ortsansässigen Pädophilen oder aber den Leichenräuber Ihres Vertrauens.

Sonntag, 11. Mai 2008

Quatschbude

Das große Problem mit dem Internet ist: Man denkt, man kennt einander, aber man tut es dann doch nicht.
Mit wahrem Informationsaustausch hat das alles äußerst wenig zu tun. Dafür umso mehr mit Ausdruckstanz ums goldene Kalb und Blasmusik zu Ehren Maxi Arlands.
Ich sehe vielleicht beim Counterstrike aus wie ein Panzer, doch in Wahrheit bin ich zart wie ein Gänseblümchen. Und aus meinem Arsch fliegen Affen.
Überhaupt: Wohin man blickt, nur Schwachsinn. Der Proband hielt sich die Ohren zu und meinte: Jedwede Diskussion in diesem Puff findet außerhalb meines Interesses statt. Außerdem ist das hier kein Test, sondern immer noch Ostberlin.
Nach einem Ausspucken zwischen geschlossenen Vorderzähnen hindurch, rollte er seiner Stimme hinterher: Viele sprechen heutzutage von Internetpräsenz. Doch wie kann man bitteschön in der Virtualität präsent sein? Das ist doch völlig hirnrissig! Kobra 11, übernehmen Sie! Dann sank er nach vorn über und war offline.
In seiner Jackentasche fand der Leichenwäscher nachher einen Zettel, auf dem geschrieben stand: Die Zeiten ändern sich. Früher hatte Michel Friedman in seiner Sendung hochkarätige Gäste. Heute hat er zuhause den ganzen Tag Bärbel Schäfer auf dem Sofa sitzen. Denkt mal drüber nach. Das tat der Leichenwäscher aber nicht, sondern warf den Zettel einfach weg.
Der wichtigste Ratschlag jedoch, den ich Euch mit auf Euren weiteren Lebensweg geben kann, ist dieser: Verlaßt unverzüglich das Internet! Das hier ist doch nur eine riesen Quatschbude.
Lest lieber mal ein gutes Buch, pflanzt einen Baum oder geht spazieren. Auch wird sich die Frau Mama sicherlich sehr darüber freuen, wenn Ihr ihr einmal beim Abwasch zur Hand geht.
Es gibt so viele schöne Möglichkeiten, ein erfülltes und gottgefälliges Leben zu führen. Juchhe.

Montag, 5. Mai 2008

Frühling in der Garage

Israel hat Geburtstag. Happy Birthday, altes Haus, sechzig wirste, oho, hast dich aber gut gehalten. Und auch nur noch fünf Jahre bis zur Rente. Na, dit haste dir aber ooch verdient, so wie die Palästinenser im Büro immer querschießen. Immer dieses Mobbing, furchtbar.
Deine größte Leistung ist vielleicht, daß du zusammengebracht hast, was eigentlich gar nicht zusammengeht: Deutsche, Araber, Russen, alle am Stärtchen. Geht nicht? Sah am Anfang ganz so aus. Geht aber doch. Siehste mal.
Zum Geburtstag wünsche ich dir jedenfalls nur das Allerbeste: nämlich andere Palästinenser. Erst auf Hitler setzen, dann auf die Araber, die dich 1948 ins Mittelmeer treiben wollten, später auf Nasser und Saddam... alles totale Chaoten hier. Das haben wir schon gerne. Und statt in Camp David 2000 mit Diplomatie endlich alles klarzumachen, sind sie lieber weiter bei der Gewalt geblieben. Dabei hätten die Eumels ja sogar schon 1947 einen eigenen Staat haben können, wenn sie nur den damaligen UN-Teilungsplan angenommen hätten. Übrigens mit einem viel kleineren Israel als heute.
Und wo wir schon mal in der Region sind: Deutschland und die lustigen fünf UN-Vetomächte wollen dem Iran die Bombe nun mit Zuckerbrot abschwatzen. Peitsche war wohl gerade alle. Hey Ahmadinedschad, Baby, laß uns doch Freunde sein und so, wir können schließlich über alles reden. Der wird jetzt bestimmt so dermaßen gerührt sein, daß er sofort alles verschrotten läßt. Geniale Idee, echt. Darauf eine Prinzenrolle. Die ißt der Broder übrigens genau so gern wie ich. Haben wir also doch was gemeinsam, wer hätte das gedacht?
Huch, plötzlich klingelt das Telefon. Es ist meine Ex. Ich gehe aber nicht dran. Falls wir eines Tages wider Erwarten doch noch mal uns versöhnen und folglich heiraten sollten, dann läuft in der Kapelle was Schönes von Minnie Riperton. Das wäre wenigstens ein guter Einstieg. Meine Fresse, konnte die Frau vielleicht singen. Also die Riperton jetzt, nicht die Ex.
Später heißt es: Bis daß der Tod uns scheidet. Und dann eben wieder Kapelle, nur diesmal die Eureka Brass Band aus New Orleans. Nun ja, in Österreich würde ich vielleicht in den Keller gehen.
Apropos Südstaaten: Bayern ist schon wieder Meister. Macht aber nichts, denn ab sofort ist Hoffenheim meine neue Lieblingsmannschaft. Gib dem Rangnick ein Zuhause, TSG. Geld und Hockey halten die Welt beisammen. Bißchen Sachkenntnis untergerührt, fertig ist der Schmaus.
Unterdessen marschiert Rußland ein, wo es will. Der Westen motzt zwar, unternimmt aber nichts.
Alles bißchen sprunghaft heute, was? Tjaja, da muß man aber durch. Notfalls ruft einfach beim BND an, die helfen auf die Sprünge. Haben da eine Akte über mich, da steht alles drin, was ihr wissen müßt: Wer mich hier so anruft, mein gesammelter E-Mail-Bestand der letzten zwei Jahre, mit wem ich sonst so verkehre – nur das Wieso hinter all dem, davon haben die Horcher und Heuchler keinen Blassen.
Im Osten schimmert derweil schon wieder die Abendsonne. Hat sich wohl auch in der Hausnummer vertan. Ich setze meine Brille auf und lasse sie rein. Ein Schälchen Milch steht für sie in meiner Küche immer bereit.

Montag, 28. April 2008

Antreten zum Rapport

Jawohl, Herr Hauptmann, da bin ich wieder. Hallöchen.
Nun denn: Letzte Woche, meine Woche. Ließ sich echt gut an. Eigentlich.
Montag: verwirrt. Wo war noch mal links, und wo beginnt rechts? Warum tritt man aus der PDS aus und in die NPD ein und wieso merkt das keiner? Macht das überhaupt noch einen Unterschied? Nachgedacht. Sich die politische Welt als Erdkugel vorgestellt. Man nimmt eine flächige platte Landkarte und rollt sie hintenrum zusammen. Schon treffen sich Links und Rechts am Dings, nicht am Äquator, an dem andern Teil, du weißt schon.
Dienstag: melancholisch. Joni Mitchell gehört, Rotbuschtee getrunken. Soll ja eigentlich gar kein Tee sein, hat mir mal eine Frau gesagt, ich habe aber nur mit einem Ohr hingehört, die Augen dabei stramm auf ihren Ausschnitt gerichtet. Rechtsum. Befehl zum Abmarsch geben. Bye bye. Doch vorher noch: An Carolin Kebekus gedacht. Die kam aber nicht. Ich dafür gleich zweimal. Mit dem Videoband auf Standbild.
Mittwoch: komplett aus der Welt gefallen. Onkel Dittmeyer für einen guten Mann gehalten. Knoppers an belgische Schulkinder verteilt. Goetz gelesen. Sehr gelacht. Danke. Schön. Die Teletubbies geguckt und sich dabei herrlich schwul gefühlt. Den Dingen einen Namen gegeben, der zu ihnen paßt. Mein Anrufbeantworter, der beharrlich schweigt, heißt seitdem Kuno.
Donnerstag: traurig. Wieso? Antwort: Wieso nicht? Hab doch allen Grund dazu. Grunze und greine und zieh lieber Leine. Kinder, die wo im Hof spielen, müssen niesen im Regen, doch hält sie dies nicht davon ab, die alte Frau von gegenüber weiter mit Kieselsteinen zu befeuern. Erinnerung an erste Küsse, die niemals wiederkehren.
Freitag: überfordert. Kühlschrank leer, die Deadline brüllt. Müßte einkaufen, müßte arbeiten. Müßte auch an Freunde denken, bevor die sich endgültig von mir abwenden. Amerika, du hast es besser, deine Oberflächlichkeit wärmt wohlig wie ein Mantel, den sich die Dummen umlegen, um nicht ganz so nackig vor dem Weltgerichtshof zu stehen. Nachgedacht über Mark Twain. Nicht zu Potte gekommen mit Proust. Das Leben ist so kurz, wer soll das alles lesen? Und dann noch verstehen. Und dann noch: Leben. Und das nicht nur so nebenbei.
Samstag: Angst vor Frauen. Albern, doch nicht abänderbar. Ein indigofarbener Hohlmuskel, Schleim und Haarspray, die Cosmopolitan, Tialda von den Popstars, die R. aus meiner Klasse, von früher noch, breit grinsende Honigkuchenpferde aus der Werbung, fordernde Sexualität, Vermarktung durch Entblößung, Verblödung durch Maskierung. Die Vagina wird mein Freund wohl nicht mehr werden. Wo, bitteschön, ist hier das nächste Kloster?
Sonntag: Heulkrampf. Migräne. Zusammenbruch.

Montag, 21. April 2008

Carlo, Cokxxx, Pisa

Bushido war, lauter eigener Aussage, „nie ein schwuler Student“. Dafür darf man ihm Glückwünsche aussprechen – und ihn zugleich auch bemitleiden. Denn selbst der unintelligenteste Gebildete steht immer noch weit über dem klügsten Proletarier.
Die scheinbare Gleichheit, mit der sich der Bildungsstoff jedem bietet, der ihn ergreifen will, ist in Wirklichkeit ein blutiger Hohn, gerade wie andere Freiheiten liberalistischer Doktrinen, die den Einzelnen freilich an dem Gewinn von Gütern jeder Art nicht hindern, aber übersehen, daß nur der durch irgendwelche Umstände sowieso schon Begünstigte die Möglichkeit besitzt, sie sich anzueignen.
Da nun die Inhalte der Bildung, trotz oder wegen ihres allgemeinen Sich-Darbietens, schließlich nur durch individuelle Aktivität angeeignet werden, so erzeugen sie die unangreifbarste, weil ungreifbarste Aristokratie, einen Unterschied zwischen Hoch und Niedrig, der nicht wie ein ökonomisch-sozialer durch ein Dekret oder eine Revolution auszulöschen ist und auch nicht durch den guten Willen der Betreffenden.
Jesus konnte dem reichen Jüngling wohl sagen: Schenke deinen Besitz den Armen, aber nicht: Gib deine Bildung den Niederen. Es gibt also keinen Vorzug, der dem Tieferstehenden so unheimlich erschiene, dem gegenüber er sich so innerlich zurückgesetzt und wehrlos fühlte, wie der Vorzug der Bildung.
Der Intellekt nivelliert. Derjenige, der alles objektivieren kann, entfremdet sich zwar ein wenig von seiner menschlichen Natur, gewinnt zugleich aber auch unglaublich viel hinzu: er kann sich in alles einfühlen, in jeden Standpunkt, auch wenn er ihn persönlich nicht teilt, hineinversetzen etc. pp. Dies verbessert das Leben massiv, ist aber für Sonderschüler aus dem Wedding einfach nicht greifbar.
Auch die Fixierung der Erkenntnisse durch Sprache und Schrift ermöglichen eine Anhäufung und Verdichtung derselben, die die Kluft zwischen Hoch und Niedrig in dieser Hinsicht sich noch stetig erweitern läßt. Der intellektuell beanlagte Mensch wird um so mehr Chancen haben, über die Masse hinauszuragen, je größer und zusammengedrängter bei ihm der vorliegende Bildungsstoff ist.
Bushido kann sich somit auf die Brust trommeln, wie er will, er wird niemals auf dieses Level und auf diesen Stand kommen. Daß er sich, obwohl er selbst Abitur hat, so renitent gegen das deutsche Bildungssystem wehrt und seine Träger und Teilhaber mit unschöner Regelmäßigkeit, fast schon reflexartig, in seinen dummen Songtexten beleidigt, zeigt am Ende doch nur, wie sehr der Mann selbst von Angst und Minderwertigkeitskomplexen erfüllt ist.
Ein wahrhaft stolzer, ignoranter Araber, der auf alles scheißt, hätte das überhaupt nicht nötig. Der würde nur auf sich schauen – und gut is’.

Sonntag, 13. April 2008

Lieber Nachtleben in Benin als Ruhleben in Berlin

Ihre Grippe war noch nicht ganz auskuriert, da zog es Amanda bereits schon wieder magisch ins Amüsierviertel, zu den leeren Versprechungen, den glasigen Blicken und den roten Neonlichtern.
Am Türsteher kam sie ohne Probleme vorbei. Man kannte sie hier, sie sich selbst nicht immer unbedingt.
Ihr erster Gang an diesem Abend führte sie nicht wie sonst an die Bar, sondern erst mal schnurstracks auf Toilette. Nur mit Mühe und Not hatte sie auf der Anreise in der U-Bahn an sich halten können.
Auf die Klotür zum Club schmierte sie mit Edding, in Ermangelung anderer interessanter Freizeitbeschäftigungen während ihrer dortigen, sich aufgrund eines flotten Ottos als doch recht ausgiebig erweisenden Sitzung, folgendes fünffache Haiku zum Abgewöhnen: Bevor es regnet / Ist der Ausgang schon gewiß / Motoren donnern. Weinen wird probiert / Wehmütige Schönheit bleibt / Groß ist noch die Not. Blaues Lied gesummt / Als Hinwendung zum Ganzen / Der liebenden Frau. Zu beiden Seiten / Ruhig wie die Geliebte / Den Sieg ertragen. Bald blinzelt Blattgold / Majestät läßt schön bitten / Davor war wenig.
So, fertig. Abputzen, abziehen, rausgehen, abdrehen. Get into the groove und so, kennt man ja.
Am anderen Ende der Tanzfläche fiel ihr ein besonders hübsches minderjähriges Ding auf, Christiane Pauls kleine Schwester mit Pagenschnitt, so schien es, keinen Tag älter als siebzehn, aber schon recht beweglich in der Hüfte und mit dicker, aber nicht unsexy Goldkette behängt.
Amandas Blick blieb einen Augenblick länger an der kleinen Paul kleben als nötig. In letzter Zeit, so bemerkte sie, während die Bässe unerbittlich wummerten und die Boxen gleichgültig dröhnten, schwärmte sie eigentlich nur noch für andere Frauen, gar nicht mehr für Kerle.
Naja, vielleicht stellte Homosexualität doch noch eine funky Alternative dar, selbst mit Ende zwanzig kann da unter Umständen noch was gehen. Man würde sehen. Die Nacht war noch jung, und der DJ fing gerade erst an.

Sonntag, 6. April 2008

Selbstbeschnüffelung

Hallöchen. Klingelingeling, ich bin der Eiermann.
Aus der Zeitung: Deutsche können nicht über Sex reden. Wozu auch? Lieber machen.
Von Schalke lernte ich früh: Kein Mädchen verletzt dich so wie der Verein.
Von Avril Lavigne und Paris Hilton etwas später: Mit Geld weint es sich leichter. Statt Kunst heute also mal wieder lieber: Pfusch am Bau.
Haben oder Sein? Gute Frage. Geht nicht beides?
Kurz zur Klärung der Fronten: Ich bin der liebste Mensch der Welt, deine Mama inklusive, Feuerzeuge fallen von meinem Schrank, während ich dies schreibe, doch sonst ist alles tutti.
Manche schwärmen von Nudeln in Sahnesauce. Ich träume jedoch mehr von geilen Nudeln in der Horizontalen. Alles natürlich in Maßen, versteht sich, denn: Lieber Liebe ohne Sex als umgekehrt, das war von jeher mein Wahlspruch.
Ich bin eine herzensgute Person, die Trägerin dicker Eier und zudem die fleischgewordene Harmonie. Und doch treten immer wieder Störenfriede und Störenfriedas an mich heran. Hören wir einmal, was die Fachpresse so über mich schreibt: risen Arschloch – erbärmlich – graue Maus – so große Schnauze aber nix dahinter – scheiss Nazi – und dies ist nur ein kleiner Auszug aus den schönsten Beleidigungen aus einem jetzt schon Vierteljahrhundert Mensch sein.
Mensch bleiben! rät Euch, liebe Leserschaft, die lebende Provokation auf zwei Stelzen, fünfzehn Beine und doch alleine.
Gruß und Kuß, Licht und Liebe etc. pp.
Nach Diktat erwürgt.

Samstag, 29. März 2008

Ostern

Einen Großteil seines Lebens verbringt der Mensch in Angst. Die Angst vor dem sozialen Abstieg, die Angst vor Fremden, Terrorismus, Angst, ein Leben mit Kindern nicht bewältigen zu können, die Befürchtung, daß es mit dem Staat bergab geht.
Vertrauen, so scheint es, hat nur noch als Thema auf Büchertischen Konjunktur. Je weniger Vertrauen da ist, umso eifriger wird es sich herbeigewünscht. Nur soll dabei bitteschön immer erst der Andere den ersten Schritt machen, nicht ich selbst.
Daß uns das Vertrauen abhanden kommt, hat viel mit unserem modernen Wahn zu tun, alles müsse immer perfekt sein. Je besser die Partnerschaft, das Kind, das Einkommen und das Aussehen sein muß, je leistungsversessener die Berufswelt, je fester gezurrt der Staat, der sich in jeden Lebensbereich einmischt und alles reglementiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, umso mehr wächst beim Einzelnen das Gefühl, da einfach nicht mehr mithalten zu können.
Zudem suggerieren die vielen Beratungsangebote für jedes denkbare Problem: Niemand muß heutzutage noch arm, schwach, häßlich, behindert oder allein sein. Pillen steigern die Leistungsfähigkeit, Spritzen helfen gegen Falten, Partnerbörsen gegen Einsamkeit. Mit der Pränataldiagnostik läßt sich bald jede Einschränkung frühzeitig ausmachen. Heute muß doch niemand mehr ein behindertes Kind zur Welt bringen, wird Eltern gesagt, die sich für das Leben entscheiden. Es ist als Vorwurf gemeint.
Doch so sehr wir uns auch anstrengen, Tod, Krankheit, Verzweiflung, Betrug, Lüge und alles Häßliche außer Sichtweite zu verbannen, all dies wird dennoch immer zum Leben dazugehören. Man kann es verdrängen und sich Scheuklappen aufsetzen, doch unsterblich und unbesiegbar macht einen diese Vogel-Strauß-Taktik deswegen noch lange nicht. Das Leben ist nie perfekt.
Selbst Jesus war schwach und verzweifelt. Er hatte Angst vor dem Tod und ist jämmerlich am Kreuz krepiert. Daran erinnert Karfreitag.
Auf den Karfreitag folgt aber Ostersonntag. Und dieser erinnert daran, daß jeder schwach sein darf und trotzdem geliebt wird, trotzdem auferstehen kann. Aus der eigenen Schwäche, die man annimmt und akzeptiert, kann sich Stärke entwickeln.
Gegen unsere alltägliche Angst könnte es schon helfen, wenn wir von der Erwartung abrücken, alles müsse immer perfekt sein und einer bestimmten Norm entsprechen. Diese Erwartung ist nämlich nicht nur unmenschlich, sie ist auch gefährlich, weil sie unbeweglich macht im Denken und Handeln.
Wem der Gedanke fremd ist, daß Krankheiten und Fehler zum Leben dazugehören wie Essen, Schlafen, Trinken und Atmen, der sitzt starr und hilflos da, wenn dann doch mal etwas schiefgeht.
Sicherlich hofft jeder, von Brüchen und Zweifeln verschont zu bleiben, aber wer mit Störungen und Niederlagen leben lernt, sieht auch die Chance, die darin liegt, wenn mal etwas nicht wie geplant läuft.
Neues kommt nur in die Welt, wenn das Gewohnte gestört wird. Es geht nicht um Perfektion, es geht um Wärme, Liebe und darum, sich Mühe zu geben. Noch in der Schwäche schön sein.
Vergeßt das perfekte Angebot, denn alles kann brüchig werden. Aber durch den Riß kommt auch Licht herein und weist uns einen neuen Weg.
Man muß gar nicht mal fromm sein, um daran zu glauben. Es reicht schon, wenn wir hinsehen.

Sonntag, 23. März 2008

Einzelkinder

Einzelkinder sind besser als ihr Ruf.
Sie gelten als egoistisch und verzogen. Das sind jedoch unhaltbare Gerüchte, die einzig und allein von neidischen Arschlöchern in die Welt gesetzt wurden, weil man nun mal auf irgendwem rumhacken muß und Juden seit 1945 leider nur noch bedingt zum bundesdeutschen Sündenbock taugen.
Einzelkinder haben mit einer ganzen Reihe von Vorurteilen zu kämpfen. Tatsächlich aber sind sie sehr zuvorkommend, einfühlsam und großzügig noch dazu.
Für sie war nie etwas selbstverständlich, sie mußten sich immer alles schwer erkämpfen. Diese harte Schule hat sie nach und nach aber sozialverträglicher werden lassen als die meisten hämisch-arroganten Geschwisterkinder.
Auch sind Einzelkinder deutlich eigenständiger in ihren Entscheidungen und müssen nicht immer erst den Papst um Erlaubnis fragen.
Einzelkinder fühlen sich deutlich stärker für ihr Tun verantwortlich. Sie können besser küssen und sind absolute Granaten im Bett.
Im Sport, Kunst, der Unterhaltungsbranche, Politik und der freien Wirtschaft nehmen sie von jeher entscheidende Spitzenpositionen ein, die ihrem sonnigen Naturell als geborener Anführer angemessen sind und wie Arsch auf Eimer entsprechen.
Der Vorwurf der Einsamkeit, welcher Einzelkinder häufiger ausgesetzt seien, erwies sich in wissenschaftlichen Untersuchungen ebenfalls als nicht den Tatsachen entsprechend. Die Anzahl der sozialen Bindungen sei zwar geringer, diese seien bei Einzelkindern aber sehr viel intensiver.
Im übrigen sind ein paar wirklich tolle und liebenswerte Persönlichkeiten ohne Geschwister aufgewachsen: Robert De Niro, Charles M. Schulz, Sarah Michelle Gellar, Elton John, Alan Greenspan, Franklin D. Roosevelt oder Indira Gandhi sind dafür nur einige Beispiele.
Dieses Wissen bin ich heute bereit, großzügigst mit Euch zu teilen. Unschwer zu erkennen: Auch ich war Einzelkind.

Samstag, 15. März 2008

Kosovo

Jetzt haben wir den Salat. Schlimmer noch: ein unabhängiges Kosovo.
Dabei hatten es Deutschland, die EU und die UN-Mehrheit doch eigentlich nur gut gemeint. Sie wollten einen Krieg verhindern. Leider fiel ihnen dabei nichts Besseres zur Konfliktlösung ein als das längst überholte Modell des Nationalstaats.
Das hier ist nicht das große, glückliche Ende eines Konflikts, sondern im Gegenteil erst der Beginn der wahren Eskalation und der voraussichtliche Auftakt zu maßloser Gewalt.
Zehn Prozent der Kosovaren sind Serben. Seit rund 600 Jahren haben sie die Kosovaren unterdrückt. Nach der Unabhängigkeit werden sich nun viele denken, jetzt seien sie damit mal an der Reihe und sich dementsprechend rächen. Und die Kosovo-Serben werden sich wehren. Schon jetzt hat die private Bewaffnung der männlichen serbischen Bevölkerung vor albanischen Übergriffen ein enormes, für friedfertig westliche Verhältnisse kaum zu glaubendes Niveau erreicht.
Zudem können wir nicht davon ausgehen, daß Serbien nur zuschauen wird, wenn ihre Landsleute unter den Albanern leiden müssen. Denkbar ist auch, daß dann eine Art Serben-Exodus nach Serbien einsetzen wird und man den Schutz des großen Bruders sucht, wenn die eigene Sicherheit im Kosovo nicht mehr zu gewährleisten ist. Die Serben wiederum werden die Neuankömmlinge nicht zwangsläufig mit offenen Armen empfangen, denn auch bereits jetzt, ohne Flüchtlinge aus dem Kosovo, ist der Kuchen, der in Serbien verteilt werden kann und von dem alle notgedrungen mitessen müssen, beschämend klein.
Auch ist noch völlig unklar, ob dieser denkbare Auszug aus dem Kosovo friedlich verlaufen oder nicht doch wieder mit „ethnischen Säuberungen“ verbunden sein wird, jenen mittlerweile schon zur jugoslawischen Balkanfolklore verkommenen Gräueltaten, die früher noch nicht euphemistisch verniedlicht, sondern noch ehrlich als Völkermord bezeichnet wurden.
Das Kosovo ist albanisch. Einen Staat Albanien gibt es jedoch längst. Nun haben wir also zwei „Albanien“. Die daraus entstehende Dynamik liegt auf der Hand: das langfristige Ziel kann nur „Wiedervereinigung“ lauten. Wer aber wird das vereinigte Albanien führen? Albanisch-Albanien oder Kosovo-Albanien? Nationale und religiöse Gemeinschaften allein lösen noch keine Machtfrage.
Wenn die Weltgemeinschaft das souveräne Kosovo weiter stärkt, wird sie es damit auch ungewollt in einen gesamtalbanischen Machtfaktor verwandeln. Angesichts der albanischen Gewalttradition, die schon seit Ewigkeiten dazu neigt, Konflikte auf eigene Faust und somit außerhalb der staatlichen Institutionen zu lösen, erscheint es zumindest als fraglich, ob die Bevölkerung von Albanisch-Albanien dies einfach so hinnehmen wird.
Das neu entstandene und vom Westen protegierte Doppelalbanien verändert eindeutig die Kräftekonstellation auf dem gesamten Balkan. Erst recht, weil den Albanern massiv geholfen wird und man die Serben, die sich der Kosovounabhängigkeit widersetzen, ebenso massiv vernachlässigt.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Faktor, den es zu beachten gilt: Rund 40 Prozent der Staatsbürger Mazedoniens sind ebenfalls Albaner. Auch sie wollen längst „los von Mazedonien“, auch hier darf eher nicht mit Konflikt- und Gewaltfreiheit gerechnet werden. Wollen die mazedonischen Albaner aber eher zu Kosovo-Albanien oder Albanisch-Albanien oder nicht doch zu einem neuen Großalbanien? Und werden sie womöglich durch ihre Abspaltung von Mazedonien den einen oder anderen Teil von Doppelalbanien als Zünglein an der Waage zum Dominanzfaktor Großalbanien küren? Alles Fragen, die vor allem eins verdeutlichen: Für zukünftiges Konfliktpotential in der Region wurde wirklich mehr als gesorgt.
Seit über zehn Jahren ist die Internationale Gemeinschaft nun schon darum bemüht, die Konflikte auf dem Balkan zu lösen. Ihren vermeintlich besten Diplomaten und Politikern fiel dabei jedoch nichts anderes ein als die Anwendung des aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts stammenden Nationalstaatskonzeptes. Allerdings war der Balkan immer schon ein nationaler und religiöser Flickenteppich, auf den sich dies einfach nicht erfolgreich übertragen läßt.
Der Nationalstaat ist tot und hat längst ausgedient. Um im anbrechenden 21. Jahrhundert immer noch auf dieses zu Separatismus, Fanatismus und Abgrenzung statt zu Zusammenarbeit, Kooperation und friedlicher Vereinigung führende Konzept zu setzen, muß man schon extrem verblendet sein. Der Internationalen Gemeinschaft, die sich schon immer dadurch auszeichnete, ebenso wortreich wie im Endeffekt tatenarm zu verfahren, fällt jedoch nichts Besseres ein, als den Kosovo-Albanern völlig freie Hand zu lassen. Die vereinigten diplomatischen Gutmenschen des Westens sollten sich nicht wundern, wenn das Geschenk der Souveränität von den Albanern nun als Freifahrtschein für Gewalt gegen die serbische Minderheit verstanden wird.
Frau Merkel und Co. haben es mit der Anerkennung des Kosovo gut gemeint, aber ihre Überlegungen dabei nicht konsequent zu Ende gedacht. Sie scheinen vergessen zu haben, daß der europäische Nationalismus im vergangenen Jahrhundert die Welt in zwei entsetzliche Kriege gestürzt hat.
Daß die wiederbelebte Mumie namens „Nation“ heutzutage ausgerechnet als Garant des Friedens für eine dermaßen krisengeschüttelte Region wie den Balkan angesehen wird, kann bei genauer Betrachtung eigentlich nur noch zu ungläubigem Kopfschütteln führen.
Der Balkan besitzt nach all dem Blutvergießen nur noch dann eine Chance auf ein endlich friedliches Morgen, wenn er sich von den machtpolitisch besoffen machenden Nationalstaatsgedanken löst und etwas Neues wagt: das zukunftsorientierte Miteinander eines Staatenbundes.

Montag, 10. März 2008

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Der Himmel tropft, die Wolken geben richtig Gas, und dicker Dotter erbricht sich über das Büffet.
Investieren Sie noch heute in Büffelfett, dann haben Sie schon morgen etwas, womit Sie sich einschmieren können, wenn die Klimakatastrophe nicht mehr aufzuhalten ist.
In dreizehn Jahren geht die Welt unter, und trotzdem machen alle einfach so weiter, als ob nichts wäre. Schöne Scheiße auch.
Auch die in Umweltfragen nicht sonderlich bewanderte Penispumpenpotenzpower war dieser Tage mit ihrem Latein definitiv am Ende. Nun versuchte sie es mit Altgriechisch.
Sie hielt tote Freunde für die besten Freunde, denn die konnten sie nicht mehr enttäuschen. Allerdings vergaßen diese im Gegenzug sehr oft ihren Geburtstag und riefen sie auch nur selten an. So hatte wohl alles auf der Welt sein Für und sein Wider.
Auch hatte sich die Frau mit dem seltsamen Vornamen, bei dem sich ihre Eltern wohl einen großen Spaß erlaubt hatten, noch nicht entschieden, ob sie denn nun bei den Olympischen Spielen mitmachen solle oder lieber doch nicht. Mal sehen, vielleicht, wenn nichts Gescheites im Fernsehen läuft.
Darüber hinaus hatte sie nichts zu sagen. Das wollte sie immer schon mal sagen.