Sonntag, 23. November 2008

Junge Römer, alte Schweden

In einem alten Interview sprach Falco von seinem Karriereknick. Wenigstens das Problem hatte der junge Römer schon mal nicht. Er hatte überhaupt keine Karriere, da konnte also gar nichts knicken.
Er war bloß ein Barbiemädchen in einer Barbiewelt. Sein Leben bestand aus Plastik und war auch sonst ziemlich prima. Er schnippte ein Weilchen seine alten Fußnägel aus dem Kellerfenster und dachte sich danach für den Rest des Tages lustige Indianernamen aus. Sein Favorit dabei war: Der, der im RAF-Kofferraum hockt.
Ganz schlimm wird es ja immer da, wo die Leute sich wiederfinden können. Man haut ein paar Phrasen, möglichst plump, raus und schon ist man everybody’s darling. Und der Depp im Zuschauerraum, offener Vertreter des abgeschmackten Hochspießertums, nickt ergriffen und denkt sich: Genau so und nicht anders isses, denn das habe ich mir auch schon oft gedacht... Genau deshalb aber stimmt es ja eben nicht, kann überhaupt nicht stimmen, nein, niemals.
Anderntags rief ihn, den jungen Römer, wen denn sonst, der alte Schwede an. Aus Gewohnheit nahm der Römer das Telefongespräch entgegen. Am anderen Ende der Standleitung hörte er ein Knacken, ein Schmatzen, dann Stille und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, eine Stimme wie aus einem untergegangenen Imperium.
Der Schwede raunzte und maunzte, als käme es von altem, jahrzehntelang nicht abgespielten Schellack: Der letzte Winter war vier Grad zu warm. Ich habe darum gleich mal meinen Kühlschrank offen gelassen, um dem ein wenig entgegenzuwirken. Es gibt so viele Dinge, die jeder einzelne von uns tun kann, um der Umwelt wieder ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
Der junge Römer konnte sich ein Gähnen nicht verkneifen und legte auf. Manches ist so klar und offensichtlich, daß es schon wieder langweilig ist.

Montag, 17. November 2008

Film noir

Wir müssen etwas bereden, sagte sie mit einer Stimme, die keinerlei Widerspruch zuließ, aber Zweifel einforderte.
Sie hatte sich sehr verändert seit unserer letzten Begegnung. Nicht unbedingt zu ihrem Vorteil, aber was soll’s? Immerhin die abstehenden Ohren hatte sie sich mittlerweile, wenn auch scheinbar mit der Heckenschere, anlegen lassen. Das war zumindest schon mal ein Anfang.
Was willst du? fragte ich sie.
Dein Geld, antwortete sie abgeklärt und wie einstudiert.
Tut mir leid, Häschen, da ist nicht mehr viel zu holen. Aber wenn du willst, fuhr ich, um sie ein wenig aufzumuntern, fort, dann komm doch zu mir rüber, einmal hin, einmal her, ringsherum um den Mahagonischreibtisch, das ist nicht schwer. Und dann spiel noch mal wie früher das alte Lied der Liebe auf meiner Fleischflöte.
Diese neue Offenheit schien sie für einen Augenblick aus dem Konzept zu bringen. Dann fing sie sich jedoch wieder und fragte mich mit ruhiger Stimme, wie es in Davos gewesen wäre.
Och, Davos, setzte ich wie beiläufig an und nippte dabei lässig an meinem Brandy. In Davos war es sehr schön, nur wirklich erreichen können habe ich nichts.
Langsam wurde es ihr, wie sie so in ihrem schwarz und weiß gestreiften Tüllkleid vor mir stand, zu bunt im Büro meiner Detektei.
Ich schwieg sie jedoch beharrlich an. Das, da war ich mir sicher, würde ihr nun endgültig den Rest geben.
Es konnte sich nur noch um Augenblicke handeln, bis sie wie das HB-Männchen unter die Decke gehen würde. Und ich sollte Recht behalten.
Sie zog mit der Linken geschickt das Tüllkleid hoch und urinierte auf meinen Perserkatzenteppich.
Dann wurde es unangenehm.
BLOG DEIN ARSCH, DU MISSGEBURT! waren ihre letzten Worte, bevor sie wutentbrannt davonstürmte und hinter sich die Bürotür lautstark ins Schloß knallte.
Die Zeit im Berliner Problemkiez Shotgun Wedding war ihr sichtlich gut bekommen.

Montag, 10. November 2008

Stuhl im Blut

Rosa Düsterberg hatte nicht gut geschlafen. Sie machte sich Sorgen wegen der anstehenden ärztlichen Untersuchung. Der morgendliche schwarze Auswurf erfüllte sie auch nicht eben mit Zuversicht.
Von nun an ging’s bergab. Demnächst womöglich gar Stuhl im Blut.
Sie versuchte sich abzulenken mit Gedanken, die entschieden zu groß waren für ihren kleinen Kopf. Früher, sinnierte sie so bei sich, war alles besser, sogar der internationale Terrorismus. In den 60ern etwa konnte es sich Andreas Baader noch leisten, in einem Porsche zur Arbeit zu fahren. Das kann man heutigen Irakis gar nicht mehr vermitteln. Und trotzdem machen die weiter, als kriegten sie’s bezahlt.
So viel Lebensfreude wünschte sich Rosa auch mal. Doch davon war sie meilenweit entfernt.
Sie erinnerte sich an das gestrige Treffen mit Fred. Das war sehr unangenehm verlaufen.
Fred war ihr zu nah auf die Pelle gerückt und hatte ihr wiederholt ins Auge gespuckt. Nicht, daß er das von weiter Hand im Vorfeld geplant gehabt hätte. Seine Aussprache war einfach nur unverschämt feucht.
Rosa war bei ihrem konspirativen Meeting bei Milchkaffee und Schokocroissants in einem dafür vorgesehenen Straßencafé so unvorsichtig gewesen, zu gestehen, daß sie die letzte, rockistische Platte von Morrissey eigentlich doch ganz gut fand. Aber das mußte nichts heißen, sie mochte ja auch Pete Doherty. Das aber verschwieg sie dem strengen Fred gegenüber lieber mal. Besser ist das.
Kaum hatte sie geendigt, da stach Fred ihr auch schon mit dem Finger ins Gesicht und maulte: Das bißchen angelesen macht dich noch nicht zu einem großen Denker, Frollein Düsterberg, und wer Morrissey allen Ernstes für einen Intellektuellen hält, mit dem ist im Oberstübchen scheinbar wirklich nicht viel los. Am Ende des Tages sind wir schließlich immer noch Gymnasiasten, und wenn WIR schon nicht mehr aufpassen und darauf achten, was cool und was uncool ist, wer tut es dann?
Das leuchtete selbst Rosa irgendwo ein. Style und Attitüde waren doch so wichtig.
Aber vermochten sie etwas gegen schwarzen Auswurf?

Dienstag, 4. November 2008

Bring mich da rein, ich bin ein Star

Say goodbye to Hollywood, say goodbye to Plötzensee. Auf Wiedersehn, du Rötzchentee, der du mir auf die Klötzchen geht.
Berlin war einmal, ist aber nun vorbei. Gott sei es gedankt. Aber zackig. Denn der hat seine Zeit auch nicht gestohlen.
Überhaupt ist Germania die Stadt in Alemann, in der Probleme noch direkt angepackt werden. Und da, wo es gar keine Probleme gibt, da schaffen wir uns eben selbst welche. Erst letzte Woche sah ich Montagmorgens verdutzt raus auf die Straße und entdeckte dort, daß jemand eine Leiter an die schöne, alte Gaslaterne vor meinem Küchenfenster gelehnt hatte. Als sich wenig später, so drei, vier Stunden danach, auch mal ein Arbeiter blicken läßt und Anstalten macht, auf die Leiter zu klettern, sagt man ihm, daß die Laterne völlig in Ordnung sei und jeden Abend brenne. Routinewartung, entgegnet der Mechaniker kurzangebunden und macht sich ans Werk. An diesem Abend bleibt dann die Gaslaterne dunkel. Ooch dit is Berlin, plenty of space, but no plan. Und darum muß ich weg hier.
Noch schlimmer wurde es am Dienstag, als ich mich ins Nachtleben stürzte. Auf dem Klo vom Maria am Ostbahnhof fand ich einen USB-Stick mit neuen, bisher unveröffentlichten MP3s von den Arctic Monkeys. Daheim habe ich die Scheiße gleich gelöscht und mir statt dessen Pornobilder draufgezogen. Der Kampf um eine bessere Welt wird Hier und Jetzt geschlagen. Damit wenigstens einer weiß, wo es langgeht. So bilde ich die grobe Ausnahme in Berlin, the city that never decides.
Mittwoch meldete ich mich dann krank bei der Werbeagentur, wo ich Kaffee koche und ausgebeutet werde. Dabei kommen Slogans eigentlich immer ganz gut. Für die Hauptstadt könnte man beispielsweise werben mit: Berlin, die Stadt, wo jeder Proll denkt, er sei eine Mischung aus Harald Juhnke, Horst Buchholz und Fred Astaire. Mindestens. Oder, wer es gern internationaler mag (in English, please): Berlin, many problems, but only one airport. Tempelhof is nu dichte, Keule. Wenn da die Touristen nicht in Strömen scharren, dann weiß ich auch nicht.
Zum Relaxen mache ich mir anschließend am Donnerstag das Fernsehen an. Der Moderator sagt: Mein nächster Gast ist Schauspielerin... wie jede andere Frau auch. Nur mit dem Unterschied, daß sie dafür bezahlt wird.
Ich schalte um. Ui, prima, da kann man was gewinnen. Der durch das Programm führende Sprechautomat im Smoking plappert: Und nun wird es zum Abschluß unserer Sendung noch Zeit für das große Hauptstadtquiz. Zu gewinnen gibt es diesmal ein Abendessen im Restaurant vom Fernsehturm mit den Ehrengästen Klaus Wowereit und Knut. Ist er nicht niedlich? Welcher denn jetzt von den beiden? Na egal. Sie müssen lediglich folgende Frage richtig beantworten: Von wem stammt folgendes Zitat? Los geht’s: Berlin habe ich immer gern gehabt, und wenn es mich kümmert, daß vieles da nicht schön ist, so nur, weil mir die Stadt etwas bedeutet. Die richtige Antwort lautet Adolf Hitler und wird, ebenso wie jeder sachdienliche Hinweis, von Ihrer nächsten Polizeidienststelle gern und dankbar entgegengenommen. Die Jungs haben ja auch sonst nichts zu tun.
Beifall, Kuhglocken läuten. Paul Kuhn macht Breakdance. Wird echt Zeit für die Verbraucherhinweise.