Sonntag, 28. Oktober 2007

Ein Rundbrief aus der Hölle

Auf dem Totenfeld meines Laptops spricht die geheimnisvolle, in Schwarz gehüllte Geisterseele zu mir: Jeder ist ein Küntsler.
Nach diesem eklatanten Rechtschreibfehler fährt sie fort mit einem Schwank aus ihrer Jugend. Es ist das Übliche: Nach der Schule orientierungslos gewesen. Von den Eltern in eine ungeliebte Ausbildung hineingepreßt. Dabei geblieben, obwohl es keinen Spaß macht. Dann, so mit Mitte zwanzig, auch einmal verliebt gewesen, was sich aber nicht ausgezahlt hat.
Sowieso, und da gerät die spukige Erscheinung ein bißchen ins Schwafeln, davon überzeugt sein, daß neunzig Prozent der landläufigen Erotik nicht einer natürlichen Bestimmung und wirklichen Hingabe entspringen, sondern mehr aus reiner Langeweile heraus entstehen, der Entlastung von Anspannung und dergleichen mehr dienen und zum Zwecke der Selbstbestätigung, Abwechslung und des Entertainments abgehalten werden, aber eben nicht der wahren Liebe dienen. Das Dasein, so scheint es ihr, ist eine sittliche Aufgabe. O-Ton: Ihr wollt ficken, ich will erziehen. Zur Liebe, zur reinen Liebe, dort schreitet wohl alles hin.
Anschließend wurde es gar noch philosophischer: Nur die Tiere gehen nachts einkaufen, denn der große Supermarkt der Natur ist rund um die Uhr geöffnet. Für Mäuse, Füchse und Biber gibt es kein Ladenschlußgesetz. Und was sollte es etwa das Wasser kümmern, zu wissen, daß es doch nur H2O ist, solange es noch immer munter zu springen, klingen und rauschen vermag? Was weiß der einzelne Mensch von Gott? Vom Jenseits? Was will er überhaupt wissen? Gedanken zerfließen, Dinge und Namen sind verloren und werden doch errettet. Vom Leben nicht mehr verlangen als das Butterbrot. Glücklich sein. Ein frommer Wunsch und doch möglich.
Trotzig schob das Skelett auf meinem Bildschirm das Kinn vor und verkündete: Ich liebe ein Mädchen, das auf mich scheißt. Aber das macht mir nichts aus. Ankackspielchen mochte ich schon immer. Seit 1876 ist sie nun schon meine große heimliche Liebe. Gesagt habe ich es ihr nie. Jetzt ist sie längst schon tot, doch noch immer wandere ich nachts mit dem Sturm hinauf zu ihrem Grabhügel. Einst zog ich herum wie der wilde Wind. Jetzt aber ergebe ich mich.

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