Samstag, 2. Juni 2007

Sturm

Die Boshaftigkeit des Lebens greift mich an und spiegelt dabei doch nur meine eigene. Ich fühle mich verschaukelt und nehme allgemeine Naturereignisse als persönliche Beleidigung entgegen.
Gestern war ich fuchsteufelswild, früh am Nachmittag verfinsterte sich der Himmel, Regen brach herab, als wollte er die ganze Welt zerschlagen, uns alle miteinander ertränken für Dinge und Verfehlungen, an die wir uns längst nicht mehr erinnern können. Ein Sturm zog auf, die Bäume rauschten, doch bogen sich vernünftigerweise lieber im Wind, für den sie nichts konnten, anstatt halsstarrig zu bleiben und in ihm zu zerbrechen. Blitze zuckten, fernes Grollen, dann nahes Zerreißen, Bersten der Luft, Schreckmomente, Herzstillstand, fast.
Erst am Wochenende hatte uns der Satan der Lüfte, von vielen euphemistisch als Wettergott in ihren Annalen geführt, mit kirschgroßen Hagelkörnern eingedeckt, gestern gab er uns dann des nahenden Weltuntergangs zweiten Akt.
Und doch blieb alles bestehen, und wie eine alte abgewrackte Hure, die sich mit dem Tuschkasten das verzerrte Maul bepinselt, um wie hinter einer Maske ihr wahres Gesicht zu verbergen, so setzte auch die Natur kurz darauf wieder ihr bestes und falschestes Sonntagslächeln auf.
Der Regen setzte aus, die grauschwarzen Wolken schlüpften fort und hinterließen an ihrer statt einen schwachblauen Himmel, Vögel zwitscherten, als sei das Leben etwas Begrüßenswertes.
Ich aber konnte in diesem Moment diese beiden derartig voneinander abgetrennten Entwürfe nicht gemeinsam denken und geriet völlig außer mir über die friedliche stille Welt nach dem Tosen. Der sicher geglaubte Untergang, die Peitschenhiebe des Windes, das nahende, drohende Sterben, das metrologische Amoklaufen erschien mir als die wahre, unverstellte Fratze der Welt, die anschließende Ruhe verdammte ich als falschen Budenzauber, nur dazu da, die Törichten unter uns noch ein Weilchen in falsche Sicherheit zu wiegen.
Ich kann die Gegensätze nicht verbinden, für mich gibt es jetzt nur noch Schmerz, Leid, Tod und Vernichtung. Erneutes Glück nach erlebter Enttäuschung ist Illusion, Leben auf diesem Planeten außerhalb meines Zimmers gibt es nicht.
Schönes und Schlimmes gehören nicht zusammen, ich verdamme Euren freundlichen Buddhismus in Grund und Boden, kann ihn nicht für mich als Gedankenmodell annehmen, will lieber mit Eisen ins Holz geschlagen werden, aufgespießt, gepfählt, gekreuzigt für meinen Starrsinn.
Wie kann die Natur nur so grausam sein, leben und sterben gleichermaßen zuzulassen? Daran zerbrach ich an diesem Nachmittag und hörte auf zu fühlen. Nun bin ich der letzte Schnappatmer und schreibe auf einem verglühenden Stern meine finalen, bald verlöschenden Notizen. Das ist der Wahrheit.

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