Montag, 16. Februar 2009

Gib Nazi eine Chance

Die süße kleine Nazi. Ein liebes Mädchen. Nur beim Vornamen haben sich ihre Eltern einen groben Scherz erlaubt. Der Mann vom Amt, auch sonst kein Quell von Traurigkeit, war darauf glatt eingestiegen. Und Nazi hatte den Salat, ein Leben lang.
Doch sie nahm es mit Humor. Gemutsmäßig war sie ein totales Sonnenscheinchen. Das half ihr über vieles hinweg, wo mancher schon eingebrochen wäre wie auf zu dünnem Eis. Sie aber nicht. Nein, Sir. Ein role model war sie durch und durch.
Ihr bester Freund war ein Junge namens Susi. Seine Eltern hatten in ihrer Prägephase einfach zu viel Mike Krüger gehört.
Als es nun also bei Susi an der Türe klingelte, wußte dieser gleich, daß es sich bei der Einlaß wünschenden Person nur um die süße kleine Nazi handeln konnte. Diese hatte sich bereits im Vorfeld weiträumig telefonisch angekündigt. Susi drückte also den Türöffner und ließ gewähren.
Hallo Nazi! flötete der gut gelaunte Susi bereits im Hausflur. Schön, daß du da bist. Hätte ich dich heute erwartet, hätte ich Kaffee gekocht und Kuchen da.
Als Nazi die Küche im Jugendstil betrat, standen da brühwarmer Kaffee und ein riesiger selbstgebackener Schokoladenkuchen. Das war so ungefähr Susis Witzniveau.
Am Anfang, als sie sich kennengelernt hatten, hatte sie Susi, zugegeben, ein bißchen genervt, weil er immer so scherzhaft von Fickificki und Heiraten sprach. Das hatte sie ihm aber mit der Zeit abgewöhnt. Sie wollten jetzt einfach nur Freunde sein. Also Nazi wollte das. Und da sie eine Prinzessin war, bekam sie immer, was sie wollte.
Davon, daß Susi beim Onanieren manchmal noch immer an sie dachte, hatte Nazi keine Ahnung. Das war wohl auch im Endeffekt echt besser so. Denn hätte sie davon Wind bekommen, dann hätte sie sich sowieso nur wieder total und tierisch aufgeregt.
Während die zwei nun genüßlich mit klebrigen Pfoten den Kuchen verspeisten, unterhielten sie sich über die akuten Luxusprobleme unserer Tage: Immer, wenn ich ins Internet gehe, gewinne ich einen Audi A3. Das mußt du dir mal vorstellen, Nazi. Ich weiß schon gar nicht mehr, wohin mit den Dingern. Entweder ich muß bald anbauen oder ich verkaufe sie bei eBay.
Du kannst mir ja einen zum Geburtstag schenken, kicherte Nazi. Der fiel dann auch noch was ein, um das launige Gespräch in Gang zu halten: Weißt du was, Susi? Ich schreibe seit neuestem Kurzgeschichten für einen Internetblog. Aber eigentlich nur für mich selbst.
Echt? meinte daraufhin Susi und zeigte sich eine Spur zu begeistert. Er grinste und sagte: Mir gefällt deine Zielgruppe.
Manchmal war sich die süße kleine Nazi gar nicht sicher, wie sie seine Scherze aufzufassen habe.
Aber sein Schokoladenkuchen war echt lecker. Dafür nahm man auch hier und da mal einen unerwünschten verliebten Blick von der Seite in Kauf.

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