Mittwoch, 10. Juni 2009

Besuch, ein Fluch, ein rotes Tuch

Eine Frau hatte sich bei mir angemeldet. Früher hatte ich sie einmal ganz gern gehabt, aber dieses gemeinsame Wochenende gab mir und uns vollends den Rest.
Anstatt bis zu mir durchzufahren, mußte ich sie unbedingt vom Hauptbahnhof abholen. Ich hasse aber diesen verschissenen Hauptbahnhof, der keiner ist, weil er in der Einöde liegt und den gemeinsamen, Glas und Stahl gewordenen feuchten Traum der Herren Schröder, Mehdorn und Albert Speer darstellt. Tempelhof ist ein Dreck dagegen, und selbst der ekelerregende Potsdamer Platz war nur die Vorstufe zu dieser totalen Scheußlichkeit. Ein Stahlträger fällt auf Knut. Leider. Nicht. Germania 2000, wir kommen, heim ins Reich. Reich ins Heim wäre mir lieber, aber auf die Pflegestufe kann ich noch lange warten.
Abends schleifte sie mich auf ein Konzert. Ich hasse Konzerte. Überhaupt, Musik. Ich hatte ihr hundertmal gesagt, daß ich gerne nichts höre, Stille. Hier aber nun: die Abwesenheit von allem Schönen. Verrockte Kunststudenten, ungewaschen, überohrfrisiert und ohne Groove, sowohl vor als auch auf der Bühne. Nicht zu unterscheiden, wer sein Geld dafür ausgibt und welcher es sich einsackt. Die totale Gleichförmigkeit innerhalb der angestrebten, angestrengten Individuation. Hitlerjugend, here I come!
Dann wollte sie kochen. Bei mir! Bei mir wird aber nicht gekocht. Meine Küche ist ein Ausstellungsstück, für ein nicht mehr fertig gewordenes Projekt von Martin Kippenberger. Töpfe und Pfannen, zentimeterdick wie mit vorweihnachtlichem Puderzucker von mütterlich sanftem Hausstaub überzogen, stehen nur zum reinen Spaß in den Schränken. Sie versaute mir die ganze Bude, die Laune sowieso. Den Gestank des angerührten, nicht genossenen Fraßes werde ich wohl noch auf Wochen ertragen müssen, trotz Dauerlüftens in die Berliner Sommerluft hinein.
Nachts lag sie neben mir im Bett, schwitzte sehr stark und röchelte mir unordentlich die Ohren voll. Nicht mal für ein ausgewachsenes Schnarchen reichte es bei dieser lauwarmen Person. Ich fühlte mich wie eine Mailänder Salami, die in einen kalten, zugigen Hausflur geworfen wurde.
Als sie endlich wieder verschwand, war ich erleichtert und trat ihr zum Dank für die Abreise auf der Feuertreppe von hinten mit Schmackes ins Kreuz. Auf die Idee, ihr auch noch das Paket mit ihrem vermaledeiten Rotbuschtee an den Kopf zu pfeffern, kam ich leider erst, als sie bereits wieder tief im Westen versunken war.

2 Kommentare:

Mathies hat gesagt…

Das erinnert mich an ein Lied von Rainald Grebe: http://www.youtube.com/watch?v=HVSghWHT47M (Achtung: Musik!)

Kandiandi hat gesagt…

...ich habe "Ich hasse Konzerte" gegoogelt, Dein Eintrag war der erste und einzige, der mir uneingeschränkt recht gibt. Danke. Ich hasse Konzerte weil ich nicht sehen mag was ich höre. Es interessiert mich einfach nicht. 3-vor-und-3-zurück -- Kandiandi