Samstag, 29. März 2008

Ostern

Einen Großteil seines Lebens verbringt der Mensch in Angst. Die Angst vor dem sozialen Abstieg, die Angst vor Fremden, Terrorismus, Angst, ein Leben mit Kindern nicht bewältigen zu können, die Befürchtung, daß es mit dem Staat bergab geht.
Vertrauen, so scheint es, hat nur noch als Thema auf Büchertischen Konjunktur. Je weniger Vertrauen da ist, umso eifriger wird es sich herbeigewünscht. Nur soll dabei bitteschön immer erst der Andere den ersten Schritt machen, nicht ich selbst.
Daß uns das Vertrauen abhanden kommt, hat viel mit unserem modernen Wahn zu tun, alles müsse immer perfekt sein. Je besser die Partnerschaft, das Kind, das Einkommen und das Aussehen sein muß, je leistungsversessener die Berufswelt, je fester gezurrt der Staat, der sich in jeden Lebensbereich einmischt und alles reglementiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, umso mehr wächst beim Einzelnen das Gefühl, da einfach nicht mehr mithalten zu können.
Zudem suggerieren die vielen Beratungsangebote für jedes denkbare Problem: Niemand muß heutzutage noch arm, schwach, häßlich, behindert oder allein sein. Pillen steigern die Leistungsfähigkeit, Spritzen helfen gegen Falten, Partnerbörsen gegen Einsamkeit. Mit der Pränataldiagnostik läßt sich bald jede Einschränkung frühzeitig ausmachen. Heute muß doch niemand mehr ein behindertes Kind zur Welt bringen, wird Eltern gesagt, die sich für das Leben entscheiden. Es ist als Vorwurf gemeint.
Doch so sehr wir uns auch anstrengen, Tod, Krankheit, Verzweiflung, Betrug, Lüge und alles Häßliche außer Sichtweite zu verbannen, all dies wird dennoch immer zum Leben dazugehören. Man kann es verdrängen und sich Scheuklappen aufsetzen, doch unsterblich und unbesiegbar macht einen diese Vogel-Strauß-Taktik deswegen noch lange nicht. Das Leben ist nie perfekt.
Selbst Jesus war schwach und verzweifelt. Er hatte Angst vor dem Tod und ist jämmerlich am Kreuz krepiert. Daran erinnert Karfreitag.
Auf den Karfreitag folgt aber Ostersonntag. Und dieser erinnert daran, daß jeder schwach sein darf und trotzdem geliebt wird, trotzdem auferstehen kann. Aus der eigenen Schwäche, die man annimmt und akzeptiert, kann sich Stärke entwickeln.
Gegen unsere alltägliche Angst könnte es schon helfen, wenn wir von der Erwartung abrücken, alles müsse immer perfekt sein und einer bestimmten Norm entsprechen. Diese Erwartung ist nämlich nicht nur unmenschlich, sie ist auch gefährlich, weil sie unbeweglich macht im Denken und Handeln.
Wem der Gedanke fremd ist, daß Krankheiten und Fehler zum Leben dazugehören wie Essen, Schlafen, Trinken und Atmen, der sitzt starr und hilflos da, wenn dann doch mal etwas schiefgeht.
Sicherlich hofft jeder, von Brüchen und Zweifeln verschont zu bleiben, aber wer mit Störungen und Niederlagen leben lernt, sieht auch die Chance, die darin liegt, wenn mal etwas nicht wie geplant läuft.
Neues kommt nur in die Welt, wenn das Gewohnte gestört wird. Es geht nicht um Perfektion, es geht um Wärme, Liebe und darum, sich Mühe zu geben. Noch in der Schwäche schön sein.
Vergeßt das perfekte Angebot, denn alles kann brüchig werden. Aber durch den Riß kommt auch Licht herein und weist uns einen neuen Weg.
Man muß gar nicht mal fromm sein, um daran zu glauben. Es reicht schon, wenn wir hinsehen.

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