Samstag, 15. März 2008

Kosovo

Jetzt haben wir den Salat. Schlimmer noch: ein unabhängiges Kosovo.
Dabei hatten es Deutschland, die EU und die UN-Mehrheit doch eigentlich nur gut gemeint. Sie wollten einen Krieg verhindern. Leider fiel ihnen dabei nichts Besseres zur Konfliktlösung ein als das längst überholte Modell des Nationalstaats.
Das hier ist nicht das große, glückliche Ende eines Konflikts, sondern im Gegenteil erst der Beginn der wahren Eskalation und der voraussichtliche Auftakt zu maßloser Gewalt.
Zehn Prozent der Kosovaren sind Serben. Seit rund 600 Jahren haben sie die Kosovaren unterdrückt. Nach der Unabhängigkeit werden sich nun viele denken, jetzt seien sie damit mal an der Reihe und sich dementsprechend rächen. Und die Kosovo-Serben werden sich wehren. Schon jetzt hat die private Bewaffnung der männlichen serbischen Bevölkerung vor albanischen Übergriffen ein enormes, für friedfertig westliche Verhältnisse kaum zu glaubendes Niveau erreicht.
Zudem können wir nicht davon ausgehen, daß Serbien nur zuschauen wird, wenn ihre Landsleute unter den Albanern leiden müssen. Denkbar ist auch, daß dann eine Art Serben-Exodus nach Serbien einsetzen wird und man den Schutz des großen Bruders sucht, wenn die eigene Sicherheit im Kosovo nicht mehr zu gewährleisten ist. Die Serben wiederum werden die Neuankömmlinge nicht zwangsläufig mit offenen Armen empfangen, denn auch bereits jetzt, ohne Flüchtlinge aus dem Kosovo, ist der Kuchen, der in Serbien verteilt werden kann und von dem alle notgedrungen mitessen müssen, beschämend klein.
Auch ist noch völlig unklar, ob dieser denkbare Auszug aus dem Kosovo friedlich verlaufen oder nicht doch wieder mit „ethnischen Säuberungen“ verbunden sein wird, jenen mittlerweile schon zur jugoslawischen Balkanfolklore verkommenen Gräueltaten, die früher noch nicht euphemistisch verniedlicht, sondern noch ehrlich als Völkermord bezeichnet wurden.
Das Kosovo ist albanisch. Einen Staat Albanien gibt es jedoch längst. Nun haben wir also zwei „Albanien“. Die daraus entstehende Dynamik liegt auf der Hand: das langfristige Ziel kann nur „Wiedervereinigung“ lauten. Wer aber wird das vereinigte Albanien führen? Albanisch-Albanien oder Kosovo-Albanien? Nationale und religiöse Gemeinschaften allein lösen noch keine Machtfrage.
Wenn die Weltgemeinschaft das souveräne Kosovo weiter stärkt, wird sie es damit auch ungewollt in einen gesamtalbanischen Machtfaktor verwandeln. Angesichts der albanischen Gewalttradition, die schon seit Ewigkeiten dazu neigt, Konflikte auf eigene Faust und somit außerhalb der staatlichen Institutionen zu lösen, erscheint es zumindest als fraglich, ob die Bevölkerung von Albanisch-Albanien dies einfach so hinnehmen wird.
Das neu entstandene und vom Westen protegierte Doppelalbanien verändert eindeutig die Kräftekonstellation auf dem gesamten Balkan. Erst recht, weil den Albanern massiv geholfen wird und man die Serben, die sich der Kosovounabhängigkeit widersetzen, ebenso massiv vernachlässigt.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Faktor, den es zu beachten gilt: Rund 40 Prozent der Staatsbürger Mazedoniens sind ebenfalls Albaner. Auch sie wollen längst „los von Mazedonien“, auch hier darf eher nicht mit Konflikt- und Gewaltfreiheit gerechnet werden. Wollen die mazedonischen Albaner aber eher zu Kosovo-Albanien oder Albanisch-Albanien oder nicht doch zu einem neuen Großalbanien? Und werden sie womöglich durch ihre Abspaltung von Mazedonien den einen oder anderen Teil von Doppelalbanien als Zünglein an der Waage zum Dominanzfaktor Großalbanien küren? Alles Fragen, die vor allem eins verdeutlichen: Für zukünftiges Konfliktpotential in der Region wurde wirklich mehr als gesorgt.
Seit über zehn Jahren ist die Internationale Gemeinschaft nun schon darum bemüht, die Konflikte auf dem Balkan zu lösen. Ihren vermeintlich besten Diplomaten und Politikern fiel dabei jedoch nichts anderes ein als die Anwendung des aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts stammenden Nationalstaatskonzeptes. Allerdings war der Balkan immer schon ein nationaler und religiöser Flickenteppich, auf den sich dies einfach nicht erfolgreich übertragen läßt.
Der Nationalstaat ist tot und hat längst ausgedient. Um im anbrechenden 21. Jahrhundert immer noch auf dieses zu Separatismus, Fanatismus und Abgrenzung statt zu Zusammenarbeit, Kooperation und friedlicher Vereinigung führende Konzept zu setzen, muß man schon extrem verblendet sein. Der Internationalen Gemeinschaft, die sich schon immer dadurch auszeichnete, ebenso wortreich wie im Endeffekt tatenarm zu verfahren, fällt jedoch nichts Besseres ein, als den Kosovo-Albanern völlig freie Hand zu lassen. Die vereinigten diplomatischen Gutmenschen des Westens sollten sich nicht wundern, wenn das Geschenk der Souveränität von den Albanern nun als Freifahrtschein für Gewalt gegen die serbische Minderheit verstanden wird.
Frau Merkel und Co. haben es mit der Anerkennung des Kosovo gut gemeint, aber ihre Überlegungen dabei nicht konsequent zu Ende gedacht. Sie scheinen vergessen zu haben, daß der europäische Nationalismus im vergangenen Jahrhundert die Welt in zwei entsetzliche Kriege gestürzt hat.
Daß die wiederbelebte Mumie namens „Nation“ heutzutage ausgerechnet als Garant des Friedens für eine dermaßen krisengeschüttelte Region wie den Balkan angesehen wird, kann bei genauer Betrachtung eigentlich nur noch zu ungläubigem Kopfschütteln führen.
Der Balkan besitzt nach all dem Blutvergießen nur noch dann eine Chance auf ein endlich friedliches Morgen, wenn er sich von den machtpolitisch besoffen machenden Nationalstaatsgedanken löst und etwas Neues wagt: das zukunftsorientierte Miteinander eines Staatenbundes.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…
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