Montag, 13. Oktober 2008

Schuld war nur der Boss von Nora

Hugo + Nora = big love, hihi. So hatte es sich Hugo immer ausgemalt, in seinen feucht-fröhlichen unbeobachteten Stunden. Irgendwie war es dann aber doch anders gekommen, denn statt in ihn hatte sich die Nora lieber mal in ihren Boss verliebt.
Der war zum Glück ein vernünftiger Kerl, der zwar mit sich reden, doch eben nicht mit sich poppen ließ, und so schmetterte Chefchen alle mehr oder minder unverblümt vorgetragenen Annäherungsversuche seiner Untergebenen freundlich, aber bestimmt ab. Zumal dieses Frollein Nora gerade mal im selben Alter wie des Bosses leibeigene Tochter war, die Rike, die mit dem eigenen Pferd und dem Geigenunterricht. Allein bei dem Gedanken, sich an einem solch blutjungen Ding, gerade erst der Pubertät entronnen, zu verlustieren, hatte sich ihm schon mehr als einmal der Magen umgedreht. Achtzehn Jahr, blondes Haar, würg.
Ansonsten leistete das Früchtchen jedoch ganze Arbeit auf breiter Basis, also ließ er die Angelegenheit damit einfach mal auf sich beruhen und verzichtete auf eine fristlose Kündigung. Puh, da hatten aber alle Beteiligten noch mal Glück gehabt, auch wenn sie davon zum Teil absolut gar nichts ahnten.
Denn die Nora war hinterher, als sie bemerkte, daß ihr Boss ihretwegen nun scheinbar wohl doch nicht seine Frau und die mühsam aufgebaute Kleinfamilie mit Eigenheim und allem Zipp und Zapp verlassen würde, schon ein wenig geknickt.
Und der Hugo war sauer, weil die begriffsstutzige Nora sich nicht in ihn verguckt hatte. Das wäre ihm schon durchaus zupaß gekommen. Kam es aber nicht.
Zwar schüttete Nora Hugo regelmäßig ihr Herz aus, jedoch ihre Bluse, die blieb anschließend immer schön verschlossen. Langsam, aber sicher fühlte sich Hugo dadurch auch ein wenig ausgenutzt von der Dame seines gebrochenen Herzens.
Überhaupt war ihm schon immer sein ganzes Leben wie ein einziger großer Beschiß vorgekommen.
Okay, er liebte ein Mädchen, aber dieses war im Gegenzug leider so doof, daß es die einfachsten Dinge miteinander verwechselte: Leidenschaft mit Liebe, Vertrauen mit Freundschaft, Begehren mit Altöl, Sympathie mit Brustkrebs und so weiter oder irgendwie so. Und über all dem thronten zu allem Überfluß auch noch ihre seit Kindertagen geträumten, doch bisher, wen wundert’s, noch nie eingelösten Bilderbuchvorstellungen und Erwartungen direktemang aus dem Märchenwald.
Klar, daß da für so einen Hyperrealisten wie Hugo nicht viel Platz blieb. Außer natürlich für die nur schwer zu besetzende Rolle des Hausfreundes, des guten Kumpels, den man gerne mal für seine Zwecke ausbeutet, geteiltes Leid und so, ihm einen Keks an die Backe labern, aber nie zum Schuß kommen läßt.
Den wollte keiner geben, Hugo eigentlich auch nicht, doch was blieb ihm anderes übrig? Lieber so, als ganz aus dem Stück, welches hier aus Noras Leben aufgeführt wurde, zu verschwinden, schnöde rausgeschrieben zu werden oder womöglich als dritter Kammerdiener ohne Text im zweiten Aufzug zu versauern.
Denn zum Statisten eignete Hugo sich nun mal gar nicht. Eher schon zur Titelrolle, zum Casanova Superstar. Dachte er zumindest.
Und oftmals ist es ja im Leben so, daß Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung eklatant auseinanderklaffen. So war es wohl auch in diesem Fall.

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