Montag, 20. Oktober 2008

Mach’s noch einmal, Hugo

Statistiken besagen: Alle Statistiken lügen. Und eine Fortsetzung ist nie so gut wie das Original. So heißt es.
Hugo war heute jedoch guten Mutes und wildentschlossen, genau das Gegenteil davon zu beweisen. Sich, aber vor allem auch der Welt. Und nicht zu vergessen: Nora, seiner Flamme.
Was bisher geschah: Nora ging arbeiten, das war jetzt erst mal nicht sonderlich verwerflich, machten schließlich viele und das sogar Tag für Tag.
Nun aber war Nora so unvorsichtig gewesen, sich nach und nach, vielleicht aus Langeweile oder aus einem akuten Hormonstau heraus, in ihren Vorgesetzten zu vergucken.
Ein Mal war sie mit dem Rest der Belegschaft zu ihm nach Hause eingeladen worden zu einem gemütlichen Beisammensein, bei dem der Prokurist mal wieder, wie so häufig bei derartigen Gelegenheiten, erst zu tief ins Glas geschaut und sich danach anständig danebenbenommen hatte. Schon lange wurde in Noras Abteilung gemunkelt, der Mann habe ein ausgewachsenes Alkoholproblem.
Doch um den ging es ihr eigentlich gar nicht, obwohl er mit seinen gezeigten Ansätzen zum Ausflippen an diesem Abend nachher zwei Wochen lang für Gesprächsstoff in den Mittagspausen sorgen sollte, was da auch schon, im Moment der Ballabgabe, abzusehen war. Viel mehr zeigte sich Nora fasziniert von Chefchens Kamin. Sehr, sehr heimelig.
Den Psychoanalytikern unter den Lesern ist natürlich bereits hier ganz klar, daß der Boss für Nora nur als Projektionsfläche diente und sie sich gar nicht in ihn, sondern nur in seine gediegene Lebensweise und seine geschmackvolle Inneneinrichtung verliebt hatte.
Egal, da mußte Nora jetzt durch. Und somit eben auch: Hugo, der sich den ganzen Krempel am nächsten Tag brühwarm anhören durfte. Der Job als Kummerkasten mißfiel ihm immer mehr, er fraß seine Bedenken jedoch tapfer in sich rein und ließ Nora nichts davon spüren.
Die schwärmte unterdessen weiter von ihrem unerreichbaren Chef und war sich ganz sicher: Eines Tages würde ihr Traumprinz schon noch kommen – und wehe, der Bursche hätte dann kein ordentlich durchexerziertes Sixpack anzubieten!
Da konnte Hugo mit seinem gemütlichen Bierbauch natürlich nicht gegen anstinken. Also hieß es für ihn und sie: Freunde bleiben. Ja toll.
Aber, so dämmerte es Hugo langsam herauf, das könnte sich unter Umständen schwieriger gestalten als zuvor von allen Beteiligten angenommen, denn Bleiben bedeutet ja laut Lexikon: ein Zustand wird nicht verändert. Wie aber nun eine Freundschaft fortsetzen, die es gar nicht oder höchstens auf dem Papier gab?
Denn befreundet wollte er mit dieser doofen Zimtzicke nun wahrlich nicht sein. Er liebte sie, klar, aber er liebte auch einen guten Schweinsbraten oder alte Humphrey-Bogart-Filme.
Mann, dieser Bogart, der hätte sich so einen unklaren Beziehungsstatus mit Sicherheit nicht bieten lassen. Und während Hugo, der in letzter Zeit öfter mal monochrom statt farbig geträumt hatte, an die Wechselbeziehung zwischen echten Kerlen wie Bogart und kleinen verhutzelten Brillenmännlein wie ihn selbst dachte, daß es auch beides geben müsse, irgendwie, spätestens da ging ihm ein Licht auf: Mensch, sein Leben war in Wahrheit gar nicht sein Leben, sondern eigentlich ein Woody-Allen-Film.
Das stimmte ihn ein bißchen versöhnlich.
Abrupte Schwarzblende, Cole Porter beginnt zu singen, Abspann.

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