Samstag, 9. August 2008

Geschichten aus dem Baruther Urstromtal

Im Schloß Neuschweinestall ging es mal wieder, wie eigentlich jeden Abend, hoch her. Das belegte schon ein bloßer Blick auf die Tickermeldungen, die unaufhörlich vom Stapel liefen: Bewährung für korrupte Manager. Tote bei mysteriöser Explosion. Fregatte beschießt sich selbst. Mann stirbt nach Kartbahn-Besuch. Tipper knacken den Lotto-Jackpot. Dürre treibt Kängurus zur Armee.
Spätestens da war Doktor Pimmelmann endgültig klar: Fusible Fürze stürzen unser Land eines Tages noch mal ins Unglück.
Der vergeistigte Maestro, ihm gegenübersitzend, wollte das so nicht gelten lassen und maulte: Ihr Naturwissenschaftler habt immer eure geeichten Suchgeräte zur Verfügung, das unterscheidet euch fundamental von uns Geisteswissenschaftlern. Wir haben immer bloß unser bißchen Verstand und Herz, um etwas aufzuspüren. Gewissenheiten gibt es nicht. Also halt mal den Ball flach, Doc. Und überhaupt: Die faulsten Schweine auf der Welt sind bekanntermaßen immer noch die Drogen. Denn die Drogen arbeiten nicht. Das wissen wir von Richard Ashcroft.
Der Doktor, von jeher ein großer Bewunderer des Maestros, schrieb eifrig mit, um auch ja keine Sentenz zu verpassen. Sein letzter selbständiger Tagebucheintrag in sein mit Eselsohren übersätes Hausaufgabenheft lautete: Notiz an mich selbst – Günther Fischer ist größer als Ennio Morricone und Burt Bacharach zusammen. Wer’s nicht glaubt, aber dennoch Ohren besitzt, muß unbedingt mal hineinhören in Fischers Platten mit Manfred Krug, den Tecumseh-Soundtrack und die Filmmusik zu Didi – und die Rache der Enterbten. Danach ist keine Widerrede mehr möglich.
Doch wie immer blieb keine Zeit zum Korrekturlesen oder gar Sinnieren, denn in diesem Moment fiel dem Maestro ein neues, gewitztes Bonmot ein. Er sprach druckreif: Bücher unterliegen der Preisbindung. Chance: Beschädigt oder veraltet. Liebe kann man nicht erzwingen. Chance: Zauberei oder Erpressung.
Hinterher, beim andächtigen, süffigen Kamingespräch, nahmen der Doktor und der Maestro ganz entschieden zweierlei Standpunkte ein. Der Maestro mehr so: Johannes Brahms schien wohl doch ein ziemlich dufter Typ gewesen zu sein, oder wenn schon nicht dufte, so doch zumindest lose. Manchmal nämlich, das ist überliefert, dirigierte er mit einer Hand in der Hosentasche.
Unterdessen beharrte der Doktor vehement auf seiner eigenen Überzeugung: Was niemand verdient hat – Peter Hahne als Fürsprecher. Gerechtigkeit für Heinz Erhard!
So saßen sie, tranken und vergaßen die Zeit. Das war nicht gut, denn bis morgen früh, sieben Uhr, mußte der Maestro seine Filmkritik zum neuesten französischen, sich als Kunst verkleidenden Softporno fertig haben. Das Fazit stand ihm bereits vor Augen (der Text hingegen noch gar nicht): Die behauptete Lust weiß der Film nicht auf seine Angucker zu übertragen.
Bei den lächerlichen Fickszenen hätte er der Darstellerin auf der Leinwand am liebsten zugerufen: Alles Gute, Frau Kollegin. Empfehlung an die Eltern.
Draußen, vor dem Schloß, wurde es bereits wieder hell.

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