Sonntag, 25. Mai 2008

Gute Nacht, alter Malerfürst

Da fängt einer als junger Mann an, dafür kann er erst mal nichts. Probiert sich aus, spielt mit mehreren Formen herum, macht mal dies, mal das und malt mal was. Bemerkt dann, aha, daß das Malen ganz gut ankommt, doch Ölfarbe sollte es dabei schon sein und, weil schließlich sind wir hier im Kunstmarkt und da gilt: das Auge fickt mit, bitte bitte auch schön groß. Drei mal vier Meter, mindestens. Ist auch besser, falls man damit Hotelzimmer vollhängt, da gehen die Gemälde nicht so leicht heimlich in die Koffer der Gäste rein, zu den geklauten Handtüchern und den Seifestücken. Echt praktisch und gleich auch direkt mitgedacht, ne? Die gute Idee. Passend zum guten Buch.
Der junge Maler wird älter, freut sich über die ersten Erfolge, bleibt den großen Leinwänden treu, bezahlt wird wie beim Teppichhandel, nach Quadratmeteranzahl. Das Geld kommt rein, auch die Bewunderung, der Ruhm, er geht als Lehrer an die Akademie, wohin denn auch sonst mit der ganzen Freizeit? Kriegt auch das bezahlt. Mit Geld ist schon auch besser als wie mit ohne, sag ich mal.
Der Betrieb funktioniert, Bildbände erscheinen, Interviews wollen vollgelabert werden mit Sinn oder wenigstens der Vorspiegelung davon, Leben geht weiter. Die Kunst hält das aus, und sie hält auch alles zusammen, fragt sich nur noch, wie lange.
Der bewunderte Maler steigt nun, in der Blüte seiner Herrenjahre, endgültig zum Malerfürsten auf. Er hat ein festes Thema, das er wie eine Schindmähre erbarmungslos zu Tode reitet: sein Land, aus der Perspektive der BILD-Zeitung. Doch die Leute lieben das, wissen sie doch fortan, in welche Schublade sie ihn stecken können. Etikettieren ist immer gut. Muß man weniger denken, woll?
Der Malerfürst darf jetzt sogar ab und an die Großen und Mächtigen porträtieren, sofern er mag. Na, und ob er mag, bei den Angeboten, die sie ihm da unterbreiten. Die Männer im Brioni-Anzug mit den schweren Geldkoffern stehen vor ihm. Alles wie in Hollywood. Da müßte er doch bescheuert sein, wenn er nicht zugriffe. Darum tut er einfach so, als wäre dies hier nicht Berlin im Zeitalter des dekorativen Designs, sondern Florenz zur Zeit der großen Meister.
Der Malerfürst richtet sich recht komfortabel in seiner Nische aus, die eigentlich eher einer protzigen Loge gleicht. Er hat Assistenten und Schüler, die groupiegleich an seinen Hacken hängen. Denen überläßt er jetzt sogar zum großen Teil das Malen, aber wehe, die bringen eigene Ideen mit, die gilt es spätestens beim Eintritt ins Atelier an den Kleiderhaken zu hängen, denn hier sind sie nur eins: seine Erfüllungsgehilfen. Der Malerfürst sagt an, und das Fußvolk hat zu gehorchen.
Ab und zu gönnt er sich, müde vom vielen Delegieren und Rumkommandieren, auch etwas Spaß, im Klartext: Koks und ukrainische Nutten. Überhaupt, die Drogen. Die interessieren ihn jetzt irgendwie doch langsam, aber sicher mehr als die Kunst. Also bleibt er dabei und wird zum Kenner der Materie.
Mit beachtenswerter Konsequenz richtet er sich binnen Zehnjahresfrist zugrunde, die Leber zerfressen, das Hirn durchlöchert, und bald klopft auch schon Gevatter Tod bei ihm an. Der gramgebeugte Malerfürst, müde vom vielen Erfolg, vom ewigen Schulterklopfen und weichgeknetet von der permanenten Angst, doch nur ein Hochstapler zu sein, der das alles gar nicht verdient hat, läßt ihn ein. Gemeinsam ziehen sie ab.
Gute Nacht, alter Malerfürst. Dein Thron ist vorerst leer. Doch sicherlich nicht für lang, denn der nächste junge Ehrgeizling wartet schon. Es gibt immer genügend talentierte Halb-Psychotiker, die bereit sind, die Bedürfnisse einer narzißtischen Masse zu befriedigen.

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