Samstag, 12. Januar 2008

Fremd

Der Andere ist immer der Fremde. Der Fremde in Deutschland ist zudem aber auch noch Ausländer und hat als solcher momentan mal wieder Hochkonjunktur. Wenn sonst nichts mehr zieht, der Ausländer zieht immer. Ganze Wahlkämpfe lassen sich mit ihm bestreiten.
Was Roland Koch uns weismachen will: Gewalt und Kriminalität sind keine Symptome für den zerrütteten Zustand unserer Gesellschaft, sondern sie werden vielmehr von außen eingeschleppt. Die Tatsache, daß der Münchener U-Bahn-Schläger Serkan in Wahrheit aber ein Kind Bayerns und nicht Anatoliens ist, wird dabei zweitrangig. Parolen statt Fakten. Bloß das Volk nicht überfordern oder mit so etwas wie Ambivalenz belasten.
Wer aber genau ist dieser böse Ausländer, der unsere Straßen in Angst und Schrecken versetzt, unseren Kindern nach der Schule auflauert und Wehrlose und Unschuldige zusammenschlägt? In der Logik Roland Kochs sieben Millionen potentielle Täter und wandelnde Gefahrenherde.
62 Prozent aller in Deutschland lebenden Ausländer leben allerdings schon mindestens zehn Jahre hier. Jeder fünfte Ausländer wurde sogar hier geboren und wäre damit in anderen Staaten (wie etwa den USA), in denen das Bodenrecht gilt, automatisch Bürger des Heimatlandes. Von den übelverleumdeten Türken (1,8 Millionen insgesamt) kamen sogar ganze 34 Prozent in Deutschland zur Welt. Jeder dritte Türke ist also praktisch In- und nicht Ausländer. Ausländer ist man somit nicht von vornherein, sondern man wird erst rechtlich und emotional zu einem gemacht. Egal, grunzt da die Volksseele, abschieben, aber zackig.
Wie zu Zeiten, in denen Eva Herman noch nicht Karriere gemacht, sondern brav daheim als Hausfrau und Mutter dem Vaterland fleißig Nachkommen geschenkt hätte, ist das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht noch immer fixiert auf das Blut der Vorfahren. Es herrscht weiterhin eine erschütternde Obsession mit der Abstammung vor. Der Mythos vom brunnenvergiftenden Fremden ist da nicht weit.
Auch die aktuelle Debatte über Kriminalität wird größtenteils auf der Grundlage pseudobiologischer Unterscheidungsmerkmale geführt. Und das macht die CDU gar nicht mal so ungeschickt. Schließlich ist es deutlich einfacher, Härte einzufordern, als sich mal ernsthaft damit auseinanderzusetzen, daß Deutschland ein sozial immer weiter auseinanderdriftendes Land ist. Die Einkommen der Ärmsten sind in den letzten fünfzehn Jahren um dreizehn Prozent gesunken, wohingegen die der Spitzenverdiener um rund ein Drittel gestiegen sind.
Das Deutschland von heute ist in sich zerrissen und eigentlich zwei Länder zugleich: zum einen das von Mercedes, Münchener Vorortvilla und VIP-Loge, zum anderen das von RTL 2, Neuköllner Hinterhof und Hartz IV. Um das weiterhin zu überdecken, braucht man schon eine Menge Kitt. Roland Koch hat ihn angerührt: in seinem Speisfaß vermengt er längst überholte Mythen von nationaler Kultur und ethnischer Homogenität mit der Dämonisierung des Ausländers.
So zimmert man Mehrheiten zusammen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das bringt's auf den Punkt; kurz, knapp, zackig.
Und von Herrn Koch möchte ich eigentlich nur noch Sätze hören, die das Wort "Rücktritt" enthalten. Der Herr redet ohnehin nichts gescheites, ganz nach dem Motto "Schlimmer geht immer".