Sonntag, 8. April 2007

Schattenboxen mit Onkel Henry

Es ist jetzt eine Woche her, da konnte man mal wieder erleben, daß zwei Leute, die dasselbe sehen, noch lange nicht auch zum gleichen Urteil über das betrachtete Spektakel gelangen müssen.
Die Meinungen über Henry Maskes letzten Auftritt gingen weit auseinander. Hier hörte man jemanden von einer taktischen Meisterleistung sprechen – und nebenan hatte ein anderer einfach nur einen Scheiß-Kampf gesehen. Manche waren sogar, das Hirn wohl von zuviel Blenis mit viel saurer Sahne aufgeschwemmt, dazu hingerissen, Meister Maske auf eine Stufe mit Max Schmeling zu stellen. Nur hat der auch mal, und das macht den Unterschied, gegen ernsthafte Gegner gekämpft und sich nicht immer nur Fallobst vor die Fäuste schieben lassen.
Ein einziges Mal war der Gentleman in seiner Karriere, wohl aus Versehen, an einen richtigen Boxer geraten – er verlor prompt und beendete seine Laufbahn. Zehn Jahre danach aber hatte Maske noch immer nicht die Rampensau in sich selbst niedergekämpft, und so ging er allen Leuten, die es nicht hören wollten, so lange auf den Sack, bis eine ganze Nation weichgeklopft und bereit für einen überflüssigen verspäteten Rückkampf war.
Da hat einer gnadenlos seinen kleinen Egotrip durchgezogen, im Vorfeld geschickt mit sauber lancierten Berichten in der BILD-Zeitung das bundesdeutsche Interesse angeheizt und durfte dafür dann auch noch einen nicht zu verachtenden Batzen Kohle einsacken. Dafür Respekt, mein Lieber.
Der Kampf selbst? Sportlich betrachtet mehr als entbehrlich. Zwei alte Männer in kurzen Hosen fäusteln um sich herum, ohne den Gegner entscheidend zu treffen. Von Anfang an schlugen die beiden Kontrahenten ein, nun ja, eher bedächtiges Tempo ein. Über weite Strecken kam die Bewegung im Ring zum völligen Erliegen. Es wurde angedeutet, sich mit den Handschuhen gegenseitig Luft zugefächert, schattengeboxt und jedwede Aktion des Gegners großräumig unterbunden.
Auf recht überschaubarem Niveau neutralisierten sich hier zwei ehemalige Sportler, die ihre besten Zeiten noch im letzten Jahrtausend gesehen haben. Auch gab es in zwölf Runden genau einen Wirkungstreffer – und der rührte dann auch noch von einem unabsichtlichen Kopfstoß.
Erst nach der aberwitzigen Urteilsverkündung, bei der sich zwei der drei Ringrichter als nicht ernstzunehmende Jubelperser outeten, zeigte Maske, was wirklich in ihm steckt: Er hechte wie vom wilden Affen gebissen aus dem Ring runter zu seiner Frau ins Publikum und zeigte dort, in einer von Kameras umringten und durchweg perfekt inszenierten Liebesbekundung, mehr Einsatzwille und Biß als in den gesamten vorangegangenen lähmenden 36 Minuten Kampfzeit.
Für Freunde der Operette bot RTL (der Sender, der sich nicht mal zu schade dafür war, Virgil Hills abschließenden Kommentar: Ich habe kein Mittel gefunden, mehr als frei zu übersetzen mit: Henry war einfach zu stark für mich) also ein durchaus ansprechendes, wenn auch mit Sport an und für sich wenig zu tun habendes Rahmenprogramm.
Was bleibt: Ein langweiliger, ein schlechter Kampf, aber, gottlob, wenigstens ohne ernsthafte Verletzungen. Immerhin dies mag wohl dem ein oder anderen ebenfalls orientierungslosen Mittvierziger ein wenig Mut machen, es doch noch mal mit einem hübschen kleinen sportlichen Abenteuer zu versuchen. Das wäre immer noch besser, als samstagabends vor dem Fernseher auf der Couch zu hocken und... ja genau.

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