Montag, 21. September 2009

Sexy Humanismus

Das einzig gescheite Ziel im Leben kann es sein, sich zur Liebe hinzubewegen, immer sanfter, immer verständnisvoller, immer mitfühlender zu werden.
Wir müssen wegkommen vom Warenfetischismus, vom Huldigen des Materiellen, vom blanken Narzißmus.
Es ist einfach grundlegend verkehrt, andere Menschen nur dazu zu (ge-)brauchen, um sich an ihnen abzureagieren. Viele Leute suchen sich ja gerade deshalb einen Partner, um sich irgendwie an ihm hochzuziehen, sich selbst oder der Welt dadurch etwas zu beweisen.
Sie sehen dabei aber nicht den anderen, wie er ist, sondern immer nur das, was sie selbst in ihn hineinlegen. Es geht für sie darum, Unterhaltung und Abwechslung im Alltag zu haben, einen Partner gegen die Langeweile, für kostenlosen Sex oder das Aufpolieren des eigenen Egos.
Um aber wahre Liebe erleben zu können, muß man vor allem das Voneinandergetrenntsein erleben und gerade nicht das Verbindende. Also nicht das Gleiche suchen, sondern das Fremde zulassen, das eben Nicht-Ich ist, das Andere voll und ganz akzeptieren und sich dessen bewußt werden.
Es reicht nie aus, nur deinen Nächsten zu lieben, man muß auch und gerade die Liebe und die Nähe zu den Fremden und den Feinden suchen. Nur so kann man diese vermaledeite Selbstsucht überwinden, die überall in unserer Gesellschaft wirkt und Schlimmstes anrichtet.
Wir müssen bereit sein, ein anderes menschliches Wesen in seinem So-Sein und seinem Anders-als-ich-Sein anzunehmen, ganz und gar. Wenn jemand so ist wie ich, dann ist das uninteressant.
Den Meisten erscheint bloß das als vernünftig und gut, was sie immer schon gedacht haben. Sie wollen bloß ihre Vorurteile bestätigt wissen. Das ist es aber nicht, kann es niemals sein.
Nein, eine bessere Welt ist nur so möglich: Ich und du, wir müssen alle miteinander losgehen, aufeinander zu, der Fremde (ich für dich und du für mich) muß uns ganz Mensch werden, denn erst dann kann man sagen: Ich bin du. Und von dort ausgehend anfangen, zu lieben und zu verstehen.

Samstag, 12. September 2009

Schreibe von Amanda, denke an den Krieg

Wenn der große Zampano neben dem chronischen Zeitmangel eines satthatte, dann waren es die ständigen Niederlagen und Mißerfolge. Seinen größten Unsinn, in fünf Minuten beim Kacken hingekleckst, feierten die Leute als zeitlosen Klassiker; die guten Sachen hingegen fanden so gar kein Publikum.
Zampano hungerte nach Sieg. Dabei schwebte ihm nicht so ein lausiges 2:1 vor, sondern ein regelrechtes Massaker der guten Laune, ein Triumph, mit großer Parade, Orchester und schulfrei für alle.
Das Problem war nur: Er war jetzt fünfundvierzig, und es waren absolut keine Siege mehr in Sicht, nicht einmal mehr ein ordentlicher Kampf. Die Gegner von einst waren alle so lasch geworden. Früher waren sie noch hungrig und verbohrt, heute genossen sie gute Weine und saßen abends mit der Kanzlerin beisammen.
Langsam kam Zampano an einen Punkt, wo er das alles so dermaßen zum Kotzen fand, daß er am liebsten den Kurt Cobain gemacht hätte, wenn das nur nicht so abgeschmackt wäre. Auch da hatte er wieder den Absprung zur rechten Zeit verpaßt. Mit 27, klar, da geht das – aber jetzt mit Mitte 40 nahm ihm den an der Welt verzweifelnden Künstler doch keiner mehr ab.
Und so blieb ihm als Ausweg nur noch das Stupide. Mit schnellen Autos im Kreis rumfahren und es Formel 1 nennen. Mit dem Privatjet an exotische Orte fliegen, wo es auch nicht besser war als daheim in Sprockhövel. Sich limitierte Singles-Boxen von den Smiths kaufen, im Endeffekt aber doch immer nur die alten CDs auflegen. Zeit mit Büchern verplempern, die es gar nicht wert waren, geschrieben, geschweige denn: gelesen zu werden, aber irgendwie mußte man die Abende ja rumkriegen. Mit den schärfsten Frauen Deutschlands poppen und sich als Jurymitglied der Heidi-Klum-Show ausgeben. Sich an seiner alten Universität ehren lassen, obwohl man früher in den Vorlesungen immer nur geschlafen hat.
An diesem Abend schmiedete Zampano den Plan, eine Hosenfabrik in Bangladesch zu eröffnen und anschließend mit den Produkten von dort KiK Konkurrenz zu machen. Ein Mann braucht schließlich Abwechslung.
Nach dem Zähneputzen, vor dem Betthupferl drosch er auf sein Spiegelbild ein, bis Blut floß. Er saute das halbe Bad voll, aber wischte es nicht weg. Schließlich hatte er der Welt noch so viel zu geben, und wenn die Welt es schon nicht wollte, so mußte doch wenigstens die bulgarische Putzfrau angemessen beschäftigt werden.

Sonntag, 6. September 2009

Jungs namens Bernd haben grundsätzlich Unrecht

Arroganz muß man sich leisten können, fand der große Zampano. Demut ist aber auch nicht grade ein Schnäppchen.
In der Kunst, und da kannte er sich aus, denn die war sein Metier, gelten andere moralische Werte und Normen als in der wahren Welt. Also kann, darf und sollte man Frauen beleidigen, Negerchen schmähen, Behinderte nachäffen, Pädophilie und Nekrophilie bejahen, kleine Hunde und Katzen quälen, Krieg, Terror und Leichenfledderei als ästhetische Mittel anerkennen und sich über politische Aktivisten lustigmachen. Sich nach außen hin konsequent dekadent geben, kann wohl nur der wahre Moralist. Greenpeace ist doof, deswegen geh ich jetzt schön Pelze kaufen.
Sich etwas Teures leisten können, war aber nicht alles. Man brauchte auch die nötige Muße, um es hinterher, nach dem Erwerb, gepflegt abzunutzen und kaputtzumachen. Keine Zeit, keine Kleinigkeit.
Man kommt einfach zu nichts, in diesen läppischen 24 Stunden. Kaum aufgestanden, wird es auch schon wieder Zeit fürs Bettchen. Dieser Jack Bauer hat uns alle belogen.
Unser Zampano fand, es wurde langsam echt Zeit für seine Heiligsprechung. Doch der Vatikan stellte sich (noch) quer. Dabei hatte Zampi schon als kleiner Schulbub das Konzept des Heiligseins wahrlich knorke gefunden. Am liebsten mochte er immer die ganz alten Heiligen, die kaum noch einer kannte und die darum nie etwas zu tun hatten. Die würden sich bestimmt richtig drüber freuen, wenn plötzlich nach fünfhundert Jahren mal wieder ein liebes Menschlein wie er zu ihnen betet. Und der vergessene Heilige, arg gebauchpinselt durch das neuerliche Interesse an seiner bespinnwebten Person, würde natürlich Himmel und, hoho, Hölle in Bewegung setzen, um dem irdischen Hilfsgesuch vom kleinen Zampi nachzukommen. Allein schon wegen der Rührung, daß da unten doch noch jemand an ihn glaubte. Klassische Win-Win-Situation also.
Die Heiligen hingegen, die jeder kennt, zu denen konnte ja jeder kommen. Die waren, durch Tausende von Wünschen überlastet, sicherlich auf Jahre ausgebucht. Dann braucht man sich auch nicht wundern, wenn nach dem Beten nichts passiert. Nein, die wirklich Obskuren müßt Ihr suchen.
Also: Ein Heiliger sein, das wäre doch was. Warmherzig und großzügig. Jemand, der sich danach sehnt, den leidenden Seelen auf der Erde zu helfen.
Keine Schlußpointe diesmal.