Montag, 27. April 2009

Elektrisches Geheul X

Nachdenklich kratze ich die fettigen Tofuwürstchen zusammen.
Gedanken schießen aus dem Eisenbahntunnel, der vormals meine Stirn gewesen ist.
Der Herr der Stäbe kehrte aus der Bibliothek zurück.
Und weinte sich darüber aus, daß er unterwegs seinen Personalausweis verlor.
Auf die Idee, einen neuen zu beantragen oder einfach in Zukunft der Polizei aus dem Weg zu gehen, kam er nicht.
Beschwerlich war unser Abschied von ihm, der keiner war.
Und doch entsprach dieser menschliche Makel eher unserem emotionalen Wunschgewicht als es die halbherzigen Rettungsversuche, in Gedanken bereits längst durchgespielt, je hätten können.
Das erste Morgengrauen zerstörte all unsere Träume.
Allein deine Hoffnungen waren dir geblieben, denn du hattest sie niemals in mich gesetzt.
Ich weckte dich und improvisierte ein Frühstück.
Das Popcorn mit Tabasco reichte nicht lang.
Und sich bis zur Besinnungslosigkeit mit dem Rest vom vegetarischen Festtagsbraten vollzustopfen, wurde uns auf Dauer auch zu langweilig.
So würgtest du ein finales Gewölle hoch.
Und ich machte den ersten Schritt hinein in eine neue Ahnungslosigkeit.
Die Leere am Lagerfeuer löste sich in Rauch auf.
Nebelschwaden aus Ungläubigkeit stiegen empor zum Himmel unseres Mißvergnügens.
Die Nachlässigkeit, der wir uns immer ausgesetzt hatten, forderte an diesem jähzornigen Morgen ihr erstes Opfer.
Mit Bestechungsgeldern war es nicht getan.
Der zu zollende Tribut sollte deutlich höher ausfallen.
Mein Fleisch und mein Blut werde ich wohl behalten.
Der Rest jedoch, auf den es eigentlich ankommt:
Meine Seele.
Meine Gedanken.
Den Zettel vom Großeinkauf.
Und meine Liebe.
All das wirst auf ewig nun du mit dir herumtragen.

Dienstag, 21. April 2009

Elektrisches Geheul IX

Das Chlor schlug mir auf die Augen und benetzte meine seligen Erinnerungen.
Ausgelöscht werden würde gar nichts.
Alles blieb, wie es war.
Nichts hatte sich geändert.
Du warst noch immer schön und ich noch immer verliebt.
Zum Tanz aber würdest du nun jemand anderen auffordern müssen.
Du wirst nicht lange allein bleiben.
Dafür bist du nicht der Typ.
Der Wind umspielte noch ein Mal widerwillig die Glut des verlöschenden Lagerfeuers.
Dabei dachte ich wehmütig an die Stelle oben am Bach.
Wo ich dir einen Piratenhut geschnitzt hatte.
Ein ander Mal wolltest du mich freisetzen.
Doch ziemlich schnell erkannte ich, daß auch du nur eine Mieze unter vielen warst.
Auf deren vergletschertem Herz man prima eiskunstlaufen konnte.
Die perspektivlosen Haare standen mir zu Berge.
Im Tal knisterte es forsch drahtlos.
Die Geschichte ist immer alt.
Und doch immer wieder neu.
Das erfreut den Leser, doch ermüdet auf Dauer den Chronisten.
Palindrome nehmen keine Rücksicht.
Und schlauer ist man immer hinterher.
Spätestens nach der Einlieferung ins Lazarett.
Wenn sie dich auf Diät und unter Drogen setzen.
Dann erscheint vieles nicht mehr so schmerzhaft wie es war.
Und du vergißt das Gefühl, das du hattest.
Als du tatsächlich an die Reihe kamst und wirklich den Ball abgeben mußtest.

Dienstag, 14. April 2009

Elektrisches Geheul VIII

Kurz hinter der Kläranlage trickste sie mich ein weiteres Mal aus.
Der fliederfarbene Regen benetzte meine Augenlider und reinigte unentgeltlich unsere verschwitzten Handtücher.
Da schwor ich mir, niemals wieder Witze über Rüschenblusen zu reißen.
Und du sahst aus wie ein zerzauster Autoreifen.
Und ich fühlte mich wie ein frischer Pfannkuchen.
Das gelbe Trikot der Hoffnungslosigkeit aber war zerrissen.
Einzig die feurigen Fetzen des Norwegerpullovers hielten uns noch warm.
Die dunklen Stunden erschienen mir länger als es ausgemachte Tage je hätten sein können.
Verrat.
Betrug.
Migräne.
Zahnschmerzen.
Und gewechselte Windeln.
Gemeinsam standen sie stumm am Wegesrand.
Und gedachten beiläufig unserer Gleichgültigkeit.
Die energische Ruhe bedrängte den Sturm.
Auch er war nicht bereit, sich ihr zu öffnen.
In diesem Augenblick fühlte ich, daß noch viele Männer in dein Leben treten würden.
Doch nicht einer von ihnen könnte je wieder dein Herz aus dem Mülleimer hervorholen.
Was nicht zerbrochen ist, ist noch gut, so sagt man.
Und ein hautenger roter Badeanzug kann so manche Narbe verbergen.
An all das wird von jenen immer feste geglaubt, die auch ansonsten immer falsch liegen.
Mit ihren Vermutungen und kleinen durchtriebenen Geheimnissen.

Dienstag, 7. April 2009

Elektrisches Geheul VII

Fordernd blinkt das Licht des Anrufbeantworters vor sich hin.
Und ich spüre bereits, daß es keinen Unterschied macht, ob man sich jetzt mit Nägeln oder gleich mit Worten verletzt.
Zaghaft streife ich deinen Seidenschal.
Und trommle mit meinen Fäusten gegen die alte Tapete, der das nichts ausmacht.
Durch den Regen zu laufen ist ab sofort keine romantische Herausforderung mehr.
Es stellt allein eine offene Herausforderung zum Bronchialkrebs dar.
Der fleißige Konjunktiv mag da bekochen, wen er will.
Hier aber wird er bloß noch erkaltete Tatsachen vorfinden.
Vergreiste griechische Wandteppiche kratzen sich dabei die altklugen Flusen aus dem Pelz.
Lange Haare von dir finden sich keine darin.
In der Biegung vom wilden Fluß hatten damals Paparazzi versucht, uns abzuschießen.
Sie verfehlten ihr Ziel nur knapp.
Diesem Schrecken entronnen, stießen wir an der alten Blockhütte auf einen verblendeten Stamm militanter Amazonen.
In ihren Lockenfrisuren verfingen sich bereits die Motten.
Mit solchen Komplikationen hatten zuvor nicht einmal die Forscher gerechnet.
Wir schwiegen uns aus und dachten an Brusthaare, die sich wie läufige Hündinnen im Wind kräuseln.
Immer noch besser als blondierte Sirenen, die nicht aufhören können, zu heulen.
Die Revolution würde noch ein wenig auf uns warten müssen.
Auch sieben Tage Regenwetter hatten das kleine Mädchen in mir da nicht besänftigen können.
Mein Oberteil mußte dringend mal wieder gebügelt werden.

Mittwoch, 1. April 2009

Elektrisches Geheul VI

Ich erwachte.
Die Bäume würden bleiben, wo sie sind.
Und nicht einer von ihnen würde Lust verspüren, in unserem gemeinsamen Tagebuch zu blättern.
Auch die Lämmer würden sehen müssen, wo sie bleiben.
Wir konnten uns nicht um alles kümmern.
In diesen blauen Stunden schmolz der stolze Schneemann dahin.
Als Letztes waren noch seine blondgefärbten Haare zu erkennen.
Zwei eifrige Bulldoggen besudelten ausgelassen seine Überreste.
Und ein findiger Geschäftsmann verkaufte diese Reliquien später als Zitroneneis.
Kapitalismus ist alles.
Und bedeutet doch nichts.
Denn die wahren Rätsel kann ausschließlich unsere Unwissenheit auflösen.
Ich erinnerte mich.
Ich vergaß gleich wieder.
Reife Melonen und schwarze Bademäntel lachten deinen seidenen Ohrringen entgegen.
Ein Tag am Strand der Gemeinsamkeiten.
Gefangen im Fegefeuer der Apathie.
Dann wieder leidenschaftliche Blicke in der Halbzeitpause.
Aversionen und Gladiatoren, eingeölt für den Ringkampf.
Alte Socken auf der Feuertreppe.
Streifenhörnchen und höhnisches Gelächter.
Unschuldige Blicke und ungläubige Mädchen.
Schiefe Zähne und strähnige Haare, die mal wieder gewaschen werden mußten.
All das warst du für mich.