Dienstag, 27. Januar 2009

Die Feuchtgebiete der Wanderhure

Es waren einmal ein Junge und ein Mädchen. Nennen wir sie der Einfachheit halber Tip und Ex, denn Boris und Sandy gab es schon. Diese beiden zogen nun durch die Lande. Sie wollten es damit ihrem großen Idol gleichtun, Hape Kerkeling.
Kennengelernt hatten sie sich wie folgt, Achtung, ich zitiere wörtlich: Mann, wenn das mit uns beiden was werden soll, brauchst du unbedingt ein Sixpack. Frau, da ist die Tür. Damit war das Eis schon gebrochen.
Wenn sie auf ihrer Wanderschaft unterwegs auf andere Pilger trafen, hüteten sie demütig ihr Geheimnis. Keiner von denen kriegte mit, was die zwei eigentlich vorhatten. Doch da war einiges in Planung, das könnt Ihr mir glauben.
Abends, wenn sie allein in ihrem Zweimannschlafsack lagen, der Reiner Calmund früher mal als Jogginghose gedient hatte, deutete Ex manchmal auf Tips kaum wahrnehmbares Bäuchlein und raunte: Du hast dir über die Jahre aber auch einen ganz schönen Schnitzelfriedhof zugelegt.
Er sagte dann nichts, obwohl ihm diese Sticheleien eigentlich doch ganz gehörig gegen den Strich gingen.
Vor dem Einschlafen malte er sich manchmal in Gedanken aus, was er wohl täte, wenn es ihm mit ihr eines Tages endgültig zu bunt werden würde.
Er sehnte sich nach früher. Er wollte wieder allein sein, denn nur das kam ihm noch irgendwie natürlich vor. In seinen kühnsten Träumen griff er beherzt zur Axt und betrieb Ehegattensplitting.
Zwei Wochen später, kurz vor Lourdes, wurde Tip die ganze frische Luft plötzlich zu viel. Er sehnte sich zurück nach Smog und Verkehrslärm. Diese ganzen Wiesen und Pilgerpfade waren doch nicht zum Aushalten.
Überhaupt ist das ja gerade das Allerschönste an der Zivilisation, wenn man in der Einflugschneise des Flughafens wohnt: Man darf dann seine Ehefrau wegen des Lärms anschreien, ohne daß man vorher erst mühsam einen Streit mit ihr anzetteln muß. Das vermißte er schon so ein bißchen.
Am Namenstag der Heiligen Alrun erreichten sie endlich ihr Ziel. Der Aufstieg war beschwerlich. Oben sahen sie: Sie waren nicht die Einzigen hier. Viele waren schon vor ihnen da, und noch weit mehr würden erst noch viel später kommen. Doch sie alle hatten dabei etwas gemein: Alle haben ihr Geld und ihre irdischen Reichtümer auf dem Heiligen Berg verbrannt.
Alles, was sie je besessen hatten, warfen sie in den lavaspuckenden Krater. Nur Kumpel Jesus, seit Saint Lizier der schweigsame Dritte im Bunde, nicht. Der hat sich ein paar Bündel eingesteckt und vor den anderen verborgen. Man kann schließlich nie wissen.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Schräglage

Jonathan hatte heute keine Zeit. Trotzdem mußte er mal wieder die Deadline einhalten. Ohne ihn ging hier doch gar nichts, das war allen Beteiligten so was von klar.
Der Chefredakteur, aufgeputscht von zu viel Red Bull und Mafiafilmen, hatte ihn bereits heute morgen um sechs Uhr aus dem Bett geschmissen, dank einer unmißverständlichen Drohung, mit der er Jonathans Anrufbeantworter besprach. Gleich daneben Zorns Bett, daher hatte dieser auch jedes Wörtchen sofort stantepede mitbekommen. Entweder, so der Vorgesetzte, kommst du heute mit dem Text rüber oder aber ich schicke dir die Jungs vom Inkassobüro Sivkovic vorbei.
Das war alles andere als ein fairer Deal. Ein fairer Deal sieht nämlich eher so aus: Schubst du mich vor den einfahrenden Zug, so zieh ich dich mit runter und vergewaltige dich im Gleisbett.
Aber mit den Gebrüdern Sivkovic, aus dem Kosovo stammenden lokalen Kiezgrößen, war nicht gut Kirschen essen. Die vertrugen sie nämlich nicht, wegen ihrer Reizmägen.
Zorn kam sich jedenfalls vor, als hätte Björk zum Frühstück sein allerletztes Mikrofon aufgefressen und sich nachher dafür nicht mal bedankt. Schon die olle Punkrock-Legende Edith Piaf wußte damals: La Vie En Bitch. Daran hatte sich bis heute nichts, aber auch absolut gar nichts geändert.
Um den Schmerz zu vergessen, spritzte sich Jonathan eine zuvor auf einem Plastiklöffel erhitzte Prinzenrolle. Dann schob er seinen Hintern vor die Schreibmaschine und verfaßte einen Text in Schräglage. So sah der dann auch aus.
Egal, es würde eh keiner merken.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Der Vorhang zu, und alle Ärsche offen

Hallöchen. Mein Name ist Mensch. Komm her und schau mich an in all meiner widersprüchlichen, verletzlichen und wunderbaren Muskelmasse, und du wirst etwas sehen, für das es keinen Namen gibt. Denn Mensch bin ich, und doch auch zugleich weit mehr als das.
Leider gibt es nicht nur mich, sondern auch noch andere. Viele sogar. Sechs Milliarden, Tendenz steigend. Und viel zu viele von denen meinen ebenfalls, sie wären etwas Besseres. Produzieren sich dann. Machen Kunst. Was gar nicht nötig wäre.
Je öfter ich beispielsweise die Filme von Terrence Malick sehe, desto mehr gehen sie mir auf die Klötze. Wenn man sie nur ein Mal anschaut und anschließend nie wieder, dann kann man die noch für durchaus okay halten. Schaut man aber genauer hin, erkannt man erst, was das alles für ein esoterischer, leerer, nichtssagender Dreck ist. Alternatives Blenderkino für Eierköppe. Trivial wie eine Vorabendsoap. Nur besser fotografiert. Da schaut man sich doch noch lieber Mel Gibson an, der mal wieder irgendein Naturvolk abschlachtet. Das ist zwar ebenso Panne, dabei aber wenigstens vergnüglich.
Wir sehen also bereits in meinem kleinen, aber unfeinen, da haßerfüllten Werturteil, daß der Mensch nicht zwangsläufig seinem Compadre der beste Freund ist. Woher denn auch? Schließlich entspringt er, der Mensch, einer unvollkommenen Welt. Eine erbärmliche Konstruktion, der menschliche Körper. Die Haut ist nicht dick genug, zu wenig Haar, keine Klauen oder Fänge und nicht dazu bestimmt, aufrecht zu stehen. Wir entblößen unser Herz und unsere Genitalien. Jeder Feind kann da mal beherzt oder bepimmelt zustechen, und schon ist es mit uns aus. Wir sollten wirklich besser auf allen vieren gehen. Behaarter sein. Schwänze haben.
Bis es soweit ist und die Evolution ihren Dienst an uns getan hat, verbleibe ich mit folgender, abschließender Frage: Was ist der Unterschied zwischen gestrecktem Heroin und einer Vinylplatte von Rosenstolz? Antwort: Es gibt keinen. In beiden Fällen hast du Scheiße an der Nadel.

Dienstag, 6. Januar 2009

Die Akteure

Vorstellung des Personals, danach Drama.
Es agieren: Jonathan Zorn, Schriftführer, Brille, schon früher in der Schule großräumig unbefreundet, aber dafür immer Klassenprimus, spart auf eine Geschlechtsumwandlung.
Elahu Bommelmeier, wohl irgendwie israelischer Vorname und auch sonst sehr lustige Eltern, er selbst aber eher nicht so, Miesepeter.
Hans Martin Eichelheimer, noch zu jung, um sich an die Schleyer-Entführung zu erinnern, aber alt genug, um den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen, mag Fruchtjoghurt.
Doktor Pimmelmann, Quacksalber, Verfasser mehrsprachiger Diätratgeber, hält nicht viel vom Heilfasten, wovon auch sein dicker Bauch gut Zeugnis ablegt, aber rät trotzdem, zur Konsolidierung seines Kontos, immer wieder gern dazu.
Titiana von Muschingen, die Eine, Unerreichbare, Licht des Lebens, Feuer der Lenden, diente den Herren in ihrer Not schon oft als Wichsvorlage, wurde aber noch nie live und in Farbe besudelt.
Und speaking of Beömmeln: Johann Wolfgang Dickensäck, Stuttgarter Galerist, karrieregeil und impotent, reitet eine Schimäre namens Hoffnung, fährt ein Auto namens Fury, findet Island irre spannend.
Dazu Dörte Densing als leicht nervöse, dauergestreßte Chefsekretärin, irgendwo in Berlin, die Stadt ist groß, ihr Herz aber auch, und Lisa Plenske kann bereits einpacken.
Freiherr Dragomir Ingomar von Hodenstein, charismatisch, aber gefährlich, der J. R. Ewing des diesjährigen Theatertreffs, Ausbeuter par excellence, immer auf der Suche nach billigen, aber effektiven Zuarbeitern (gerne auch sexuell) aus dem Ostblock.
Branko, Zoran und Zlatko, die drei freundlichen Knochenbrecher vom Inkassobüro Sivkovic, wo sie hinschlagen, wächst kein Gras mehr, darum sind Spielschulden nicht nur Ehrenschulden, sondern sollten zudem auch immer wieder gern pünktlich zurückgezahlt werden, sofern man kein Interesse daran besitzt, beizeiten ins schlechteste Krankenhaus der Stadt eingeliefert zu werden – die Jungs verstehen nämlich ihr Handwerk.
Die kleine süße Nazi, doofer Name, aber total liebes Mädchen, wird gerne mal von furchtlosen jungen Männern abends in Kneipen angesprochen, sie geht aber nach wie vor lieber allein nach Hause, was schlau ist.
Ein Junge namens Susi, unheimlich in Nazi verliebt, dies wird später einmal in einer Tragödie enden, was aber allen Beteiligten zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar ist, der Junge ansonsten etwas blöd, aber ganz okay.
Fred der Gymnasiast, ekelhafte Erscheinung, jedoch noch widerwärtigere Seele, Akne ist sein geringstes Problem, sein Ego stört da schon eher, hält sich für etwas Besseres, was für ein Schwachmat.
Rosa Düsterberg, Revolutionärin in Wartestellung, Schönheitskönigin in spe, Urlaub in Essen-Frillendorf, die neue weiße Hoffnung, absolut unnationalistisch, eher vom europäischen Gedanken beseelt, wird später einmal Sarkozy auf die Teufelsinsel verbannen lassen.
Loletta, acht Jahre, aber oho, hat schon mal ein Buch gelesen, der Rest wird sich zeigen.
So. Jetzt kann er also losgehen, der große Roman fürs nächste Jahrhundert. Ein Buch, das man nach Betrieb, Bedarf und Laune an eigentlich jeder Stelle aufschlagen kann und, wie aus einer besseren Bibel, darauf Kraft und gute Stimmung herauszuziehen imstande ist.
Das alles nun zum Vorzugspreis von Schlagen-Sie-uns-was-vor-wir-lassen-auch-gern-mit-uns-handeln. Das Gute so günstig, ein Leben wie im Puff.