Samstag, 29. Dezember 2007

The power of five

Ich gebe es zu: Seit ich das erste Mal 1996 mit fünfzehn Jahren das Video zu Wannabe sah, war ich verliebt. Und zwar in alle fünf auf einmal. Was anderen ihre Take That, waren mir die Spice Girls. Der Girl Power konnte man sich einfach nicht entziehen, wenn man ihrer erst einmal gewahr wurde.
Die Mädchen machten mein Leben in der Pubertätshölle ein bißchen erträglicher, schöner und bunter. Jede neue Single war ein Versprechen auf ein besseres Morgen. Das Leben, wie es eines Tages sein könnte. Auf der Suche nach einer Freundin, die mit Mel, Geri, Victoria, Emma und noch mal Mel mithalten kann, bin ich mehr als zehn Jahre später noch immer. Doch sei’s drum. Wir haben ja schließlich die Musik.
Bei Nacht und Nebel ersteigerte ich noch wenige Stunden, bevor es losging, ein Ticket für das Kölner Konzert der Spice-Girls-Reunion-Tournee. Im Vorverkauf hätte es mich 77 Ocken gekostet, so aber im Last-Minute-Style nur schlappe siebzehn. Gelohnt hätte es sich aber wohl auch zum Vollpreis.
Das Konzert an sich war richtig geil und hat mich mehr als überzeugt - ja, es hat mich als langjährigen Fan sogar regelrecht glücklich gemacht.
Es war eine echte Glamour-Show mit Varieté-Einlagen. Die Mädels, mittlerweile echte Damen im besten Alter (und, unter uns, noch dazu sexy wie nie), ließen sich auch nicht von der Tatsache entmutigen, daß die Halle nur zu zwei Dritteln ausverkauft war. Wen interessiert’s? Sollen die ganzen Pfeifen ruhig zu Mario Barth gehen - wir zehntausend, die wir da waren, wissen, was gut ist. Und die Girls waren gekommen, um mit uns zu feiern und sich zu bedanken. Nicht mehr, nicht weniger.
Hundert Minuten feinstes Entertainment (trotz der leicht grenzwertigen, wuchtig-übersteuerten Akustik in der Arena), Fangekreische in Flughafenlautstärke und richtig Halligalli - mein ewiger Schatzi Geri zwischenzeitlich sogar in einer Neuauflage des legendären Union-Jack-Kleids!
Mit jedem Song (keiner der großen Hits wurde ausgelassen) veränderte sich die Bühne, ohne daß der Abend dadurch überladen wirkte. Es paßte einfach alles. Die mitgebrachten männlichen Tänzer haben auf Weltklasse-Level performt, und meine fünf Lieblingsengländerinnen waren scheinbar ausgeschlafen, bester Dinge und noch dazu gut bei Stimme. Man merkte einfach, daß sie nicht nur wegen der Gage hier waren.
In einem Satz: hochprofessionell und bombastisch, aber eben nicht seelenlos, sondern vielmehr mit Herz und Augenzwinkern (was das eigene Image anbelangt).
The power of five keeps the love alive - jawohl, es war wahrlich eine night to remember. Von so einem Abend kann man über Jahre hinweg zehren.
Auftrag erfüllt. Danke. Tschüß und macht’s gut. Küßchen, meine Schnuckels.

Samstag, 22. Dezember 2007

Popo-Orgel

Die Statistik weist Doktor Pimmelmann als Koryphäe seines Fachs aus.
Den Ausländer weist die Behörde aus.
Der Moderator weicht auf einen anderen Sendeplatz aus.
Die Eiche am Wegesrand weicht gar nicht aus, der Klügere gibt nicht nach, der BMW zerschellt. Fahrer tot, nicht angeschnallt, hat man öfter.
Altes Küchenlied der Indianer: Der Kartoffelpüree ist fertig, also komm mantschen.
Letzte Nacht erschien mir Johnny Cash im Traum. Er sah aus wie Rumpelstilzchen und schrie mich an: Ich bin von Ihnen abhängig und nicht Sie von mir! Merken Sie sich das! Ich wachte auf. Aus der Traum vom Eigenheim.
Unbeirrt spiele ich weiter das Lied der Leidenschaft auf deiner verstimmten Popo-Orgel. Stimm du dazu gefälligst den Harmoniegesang der Perversion auf meiner alten Fleischflöte an.
Musik, ein Kommen, ein Gehen, nur leider kein auf die Fresse kriegen. Totschlag, Totschlag, alle wollen mit. Keiner geht voran, Frank Farian und noch ein Hit.
Das Schicksal des Stars: keine Freunde mehr, nur noch Publikum. Daran kann man zerbrechen, stand in Bild der Frau.
Die deutsche Übersetzung von Fit for fun ist Kraft durch Freude.
Hossa.
Im Gästebuch der Pension zum verlotterten Germanisten steht geschrieben: Mein Penis tut weh. Wehrertüchtigung habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Herzlichst, Ihr Johann Wolfgang Dickensäck.
Diese Zeilen stimmen nachdenklich, nicht nur jetzt zur Weihnachtszeit.

Sonntag, 16. Dezember 2007

Pop Life IV

Dank Pro Sieben und seinen willigen Gehilfen wird Musik immer mehr zum bloßen Lifestyle. Also vertrauen Sie doch einfach den Plattenkritiken in der neuen Brigitte und legen Sie zum Wohlfühlen auch mal die neue Roger Cicero auf, wenn Sie abends demnächst wieder was Hübsches für sich und Ihre Freunde kochen.
Doch es geht auch anders. Um nicht zu sagen: noch widerlicher.
Da werden dann vermeintliche Protesthaltungen medienkompatibel eingenommen, der besseren Verständlichkeit halber führen sich Erwachsene bei ihrem trotzig-gespielten Rebellentum aber auch gerne mal wie Kinder auf.
Das ist uns zwar total wichtig, aber man darf ja auch den Spaß dabei nicht vergessen, sicher, Ironie, hoho, die ist immer dabei, ja, wir lachen auch irre viel in der Band, und wenn Grönemeyer ruft, ey na klar, dann ziehen wir unser echt authentisches Ding natürlich auch gern beim Konzert für Afrika durch, du. Es ist doch auch echt geil, sich politisch zu engagieren und so.
Hallo Rostock, ihr seid ein super Publikum. Und bitte schön klatschen, wenn gleich mal kurz die Quotenneger aus Mali aufspielen. Ich weiß, ihr wartet auch alle auf die perfekte Welle, aber trotzdem, so viel Multikulti muß halt einfach sein.
Qualität ist bei all dem wirklich nicht mehr notwendig, geschweige denn überhaupt erwünscht. Medienpräsenz spült die Durchschnittlichkeit noch immer verläßlich nach ganz oben.
Ist doch auch alles total bequem zu konsumieren heutzutage, so besinnungslos frech von der Leber weg wurde nicht mal zu Zeiten Peter Alexanders oder Vico Torrianis mit der deutschen Sprache umgegangen. Ich liebe dieses Leben, dubidubidu. Du bist das Beste, was mir je passiert ist, lalalala.
Warum sich dagegen auflehnen, wieso der ganze Haß, das Nicht-akzeptieren-wollen? Hier, nimm meine Karte, Freund, zieh dir doch auch ’ne Line, dann geht’s dir besser. Oder komm mit ins Backstage, die 14jährigen Groupies warten, und der Ammer ist auch schon da.
Und selbst, wenn dir was ums Verrecken nicht gefällt: denk dran, in hundertfünfzig Jahren, wie gesagt, sitzen wir alle wieder am Lagerfeuer. Umsonst und draußen. Alles total locker, alles ganz easy.
Wer trotzdem all die Zumutungen, Goldenen Schallplatten, Media-Control-Charts-Platzierungen, Airplays bei Viva, Echo-Verleihungen, Bravo-Interviews und die Medienprostitution im allgemeinen ernst nimmt oder sich tatsächlich sogar noch darüber aufregt, ist doch wirklich selbst schuld. Am Ende bin also wieder bloß ich der Dumme.
Die Party geht, davon ungerührt, weiter. Auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an. Gästeliste minus 1.
Hojahojaho.

Montag, 10. Dezember 2007

Pop Life III

Wie beim letzten schonungslosen Durchlauf gezeigt, geht von den Nachwuchskräften, der Stimme der Jugend, wenn man so will, keinerlei ernsthafte Kraft zur Erneuerung mehr aus.
Es ist prinzipiell egal geworden, wer auf und wer vor der Bühne steht. Auch mit dem Begriff des Künstlers hat man es nicht mehr so, man ist heutzutage lieber, Achtung, englische Aussprache, Artist.
Doch was hieße schon noch Künstler, selbst wenn der Begriff, was er aber sowieso nicht mehr wird, noch ernstgenommen würde, wo doch mittlerweile jeder Zweite mit T-Shirt und Jeans die Bühne entern darf?
Die Deutschen, so scheint’s, mögen keine Stars mehr, larger than life hat wohl konzeptuell endgültig ausgedient. Wo ist der neue Falco, der nächste Kinski, einer, der sich nicht gemein mit dem Publikum macht, sondern von Anfang an klarstellt, daß er eben nicht einer von denen ist, sondern mehr? Statt dessen brunzt einem allüberall nur noch Beliebigkeit und Austauschbarkeit entgegen, Mario Barth statt Karl Valentin und so weiter.
Doch nicht nur von den Jungen, sondern auch vom vermeintlich gesetzteren, bürgerlichen, etablierten Spektrum in der Populärmusik ist wenig Besserung zu erwarten.
Wer es sich aufgrund seiner Umsatzzahlen wirklich leisten könnte, einen auf Großkotz zu machen, betont lieber bei jeder sich bietenden Gelegenheit, daß auch er natürlich total auf dem Teppich geblieben ist.
Herbert etwa stolperreimt sich weiterhin unverdrossen in Richtung Hobby-Hölderlin, was seine Fans zum Glück immer noch nicht bemerkt haben, denn sonst wäre der Ofen möglicherweise schneller aus, als eine alte Frau sich das optimistische Lied mit dem Eisbärvideo (Jahre vor Knut, so viel Geistesgegenwart und Pioniergeist war dann immerhin doch) beim Frühstücksradio ihrer Region wünschen kann.
Wir sind Helden bleiben konstant das, was sie immer schon in erster Linie waren: niedlich, aber zugleich auch unglaublich nervig.
Da bekäme man fast schon Lust auf Juli oder Rosenstolz, wenn die nur a) nicht so schrecklich vertrottelt-unmelodiös und b) nicht so tuntig-überemotional wären.
Doch all diese Bands nehmen sich immer noch wie eine Wohltat aus gegen das personifizierte deutsche Grauen unserer Tage: Silbermond, die für alles stehen, was grundfalsch und hundertprozentig ablehnenswert ist. Das Konzept dahinter ist eh klar: Mädchen vorne, Jungs im Rücken, schlechtsitzende Frisuren und Lederjacken vom Designer, irre rockig, ja klar, aber wohl nur für Menschen, die auch BAP oder PUR für Rock halten, also allen Ernstes als derselben Musikgattung wie Motörhead oder die Ramones zugehörig.
So viel Dummbatzigkeit schockt. Aber eben nicht den Ahnungslosen. Der richtet sich unterdessen nämlich bequem ein in seinem emotionalen Ohrensessel und will umwallt werden von unverbindlichen, klischeehaften Befindlichkeitstexten und schlicht arrangiertem Hau-drauf-Rock ohne Schwung und ohne Groove.

Samstag, 1. Dezember 2007

Pop Life II

Die Jugend von heute hört Tokio Hotel, das sei ihr vergönnt, oder aber HipHop. Wer von letzterem jedoch eine wie auch immer geartete gesellschaftliche Sprengkraft erwartet, wie noch zu Zeiten der letzten übel verleumdeten Musik, Punk war das damals, dürfte enttäuscht werden.
Die Berliner Szene rappt vor allem für ihr eigenes Konto, woran ich nichts Schlimmes erkennen kann, denn jede Vertriebsstruktur, die fernab der vier, fünf großen Konzerne, welche die Musikindustrie beherrschen, entsteht, ist erst mal per se begrüßenswert.
Gibt man sich dabei noch dermaßen ehrlich, humorvoll und unverkrampft wie die Radikalkapitalisten King Orgasmus One oder Frauenarzt, dann ist das intellektuell zwar auch nicht gerade abendfüllend, aber doch immerhin schwer sympathisch.
Rap sei das schwarze CNN, orakelten die Antisemiten von Public Enemy vor zwanzig Jahren, eingelöst haben das ihre Nachkommen wie 50 Cent oder Eminem nicht einen Augenblick lang, und auch von den deutschen Sprechgesangsgeistesgröße wird, obwohl in linksalternativen Studentenzirkeln gern gehört, wohl keine Revolution ausgehen.
Jan Delay, nicht gerade ein intellektueller Überflieger, findet Autos anzünden eine super Aktion, was aber nicht weiter verwundert: Auch 1968 hatten viele die Mao-Bibel gelesen, ohne sie zu verstehen. So ein bißchen unverbindliche Protesthaltung ist doch auch ganz chic, solange man nicht über die Konsequenzen nachdenken muß.
Und Prinz Pi, eine von vielen warum auch immer vergötterte Vollpfeife aus Zehlendorf, ist sich nicht zu schade dafür, grenzdebile Bush- und Paris-Hilton-Disses vom Stapel zu lassen, also 1:1 die Grundbefindlichkeiten seines gefährlich halbgebildeten Publikums zu bedienen. Im Interview gibt er dann auch unverblümt zu, daß er gar nicht anders als seine Hörer sei, bloß einer von ihnen, der einfach nur auf den Punkt bringt, was seine Anhänger denken.
Das ist aber gerade das Allerdümmste, was man auf einer Bühne machen kann, denn wenn Otto Normal in der Vorstellung sitzt und sich denkt: Endlich sagt’s mal einer, genau so isses doch, dann macht man als Künstler etwas grundverkehrt falsch. Der Spießer lehnt sich zurück und ist’s zufrieden. Sein tutti Weltbild bleibt bestehen, ohne Risse, ohne Zweifel, doch dafür randvoll mit supersexy Vorurteilen.
Das ist gut, denn so kann er auch noch morgen kraftvoll weiterkonsumieren. Bis dahin: Warum Geiz geil ist, Männer nicht einparken, Frauen keine Socken stopfen und Newcomerbands bei YouTube nicht zuhören können.
Bleibt alles anders? Ja, leider.